Sonntag, 14. September 2008

Physical Examination

Man muss wissen: Außerhalb von China geht's zu wie im Ausland. Da gibt's Menschen mit weißer, ja, gar schwarzer Hautfarbe; da gibt's Sprachen, die nicht 40 verschiedene Zischlaute kennen; da gibt's Medien, die einfach so schreiben und senden, was sie wollen, ohne Rücksicht auf die Volksgesundheit. Und da gibt's Krankheiten. Böse Krankheiten. Wenn ich meinem Physical Examination Formular glauben darf, gehören zu diesen Übeln, die wir Ausländer so nach China einschleppen, beispielsweise Lepra, Verrücktheit oder die Pest.
Um zu verhindern, dass dies alles in das Reich der Mitte gelangt, gibt es die Physical Examination, die zu genießen all jene, die ein Residency Permit anstreben, das Privileg haben.

Morgenstund geht so lange zum Brunnen bis alles gut wird
Um 8.30 Uhr morgens bemühte sich das Shanghai Exit-Entry Hygiene & Quarantine Bureau zu uns ins Foreign Students Dormitory; eigens, um uns zu untersuchen und sicherzustellen, dass wir auch wirklich sehr gesund wären.
Da dies um 8.30 Uhr startet und wir hier in China sind, fand ich mich folgerichtig pünktlich um 6 Uhr an dem vereinbarten Punkt ein. Als fünfter in der schnell wachsenden Schlange. Um 7.30 Uhr waren alle 160 Nummern vergeben, alle die später kamen, wurden wieder fort geschickt. Insgesamt hatte ich also zweieinhalb Stunden in der Schlange gewartet, bis die Sache offiziell begann, und anschließend dauerte es noch etwa 20 Minuten, bis ich an der Reihe war. Im üblichen personalintensiven Fließbandsystem wanderte ich dann von Sessel zu Sessel, wobei jeder der - sagen wir mal - mir gegenüber eher neutral gesinnten Beamten jeweils einen Datenpunkt meiner Personalien aufnahm (nicht ohne dabei jedes Mal mehrere Formulare auszufüllen und diverse solche an diverse andere zu heften).
Dann wurden erwartungsgemäß die von mir ordnungsgemäß vorgelegten Resultate der Untersuchung aus Wien ignoriert - schließlich können nur so die 400 Yuan kassiert werden - und alles noch einmal von hiesigen Profis untersucht: Blutabnahme, Ultraschall, Lungenröntgen, Abtasten, Sehtest und ähnliche unterhaltsame Dinge. Auch das medizinische Personal bestach dabei durch eher subtile Freundlichkeit.

Unvorhergesehene Wissbegier
Ich liebe es ja, meine offiziellen chinesischen Freunde zu überraschen. So habe ich sehr lange überlegt, auf welche Frage die makellos arbeitenden freundlichen Offiziellen nicht vorbereitet sein könnten, um ein wenig Spannung in ihren drögen Alltag zu bringen. Ich hatte folgende kreative Idee:

"Wann und wie erfahren wir das Ergebnis dieser Untersuchung?"

Da waren sie baff. Da das Wissen um diese Fakten für die Entry-Exit-Prozedur, die jeder aufenthaltswillige Ausländer über sich ergehen lassen muss, unbedingt notwendig ist, könnten naive Zeitgenossen annehmen, die Beamten oder Ärzte wüssten auf so eine Frage eine Antwort. Oder könnten sie zumindest in Erfahrung bringen. Weit gefehlt. Verwirrung machte sich breit - und die Reaktion erfolgte prompt gemäß chinesischer Standardprozedur: den Fragenden einfach ignorieren, er wird schon von selbst wieder gehen.
Über Umwege erfuhr ich dann gerüchteweise, dass wir eventuell die nötigen Dokumente mit den Untersuchungsergebnissen am Tag der Entry-Exit-Prozedur in Zimmer 120 ausgehändigt bekommen. Vielleicht sogar rechtzeitig. Aber sicher ist das nicht. Und es weiß auch niemand wirklich Bescheid. Das macht aber nichts. Schließlich sind wir nur etwa 800 Studenten, die dies zu erledigen haben. Und jedes Semester kommen neue. Gutes Chaos will professionell erzeugt sein, sonst reißt womöglich noch Ordnung ein. Mit großer Vorfreude erwarte ich also den Freitag. Vorher wird allerdings noch Chinesisch gelernt, und einige Freunde wollen auch noch getroffen werden.

3 Kommentare:

vronella hat gesagt…

chaos hättest du derzeit in wien auch haben können... aber chinesisches ist sicher origineller ;)

bussl,
noch eine, die wünschte, du wärst in wien...

ClemmieInChina hat gesagt…

Habt Dank, edles Vrönchen, für die netten Worte :).

Ja, Chaos kann ich in Wien auch haben, aber erstens nicht in dieser absoluten Vollendung - und zweitens nicht zusammen mit solch hervorragendem Essen :))).

vronella hat gesagt…

glaub mir, das ist grad ziemlich formvollendet... aber nicht für öffentliche blogs geeignet... wurscht ;)