Mittwoch, 31. Dezember 2008

Guangxi - IV: 南宁 (Nanning)

Shanghai – die Zivilisation hat mich wieder. Oder eigentlich wohl eher das Gegenteil. Denn mein Ausflug nach Guangxi hat mir gezeigt, dass wie fast überall auf der Welt Menschen in abgelegenen Gegenden viel freundlicher und offener sind als jene in großen Städten. Im Vergleich bemerke ich nun mit großer Begeisterung, was für unnahbare Grantscherben die Shanghaier sind. Da passe ich als Wiener wenigstens gut hin.


Bitte schnell zu den Bildern scrollen, jetzt kommt der fade Sightseeing-Teil
Guangxi („Die westliche Weite“) ist fast genau dreimal so groß wie Österreich, liegt an der Grenze zwischen den Subtropen und den Tropen und ist eine der ärmeren und entlegeneren Provinzen Chinas. Richtig touristisch erschlossen ist eigentlich nur der Nordosten, die Gegend um Guilin mit seinen weltberühmten Karstfelsen. Ich aber bin sehr glücklich, in den unbekannteren äußersten Süden vorgedrungen zu sein.


Nach meinen Einstiegs-Postings darf ich nun einen dreiteiligen, stärker bildorientierten Auszug meiner Reise geben, der aus Gründen der dramaturgischen Faulheit meinerseits im Tagebuchstil gehalten ist. Dafür sind die Texte schnörkellos und straight, live und vor Ort entstanden. Der heutige beschäftigt sich mit meinen drei Tagen in Nanning, der folgende mit den zwei Tagen in Beihai und der letzte schließlich mit Vermischtem und Schrägem, denn davon gab es in diesen paar Tagen eine derartige Flut, dass ich nicht zuletzt deshalb mit nicht weniger als 200 Fotos und 20 Filmen heimgekehrt bin.

Der lustige Clemi-Marathon
Am 25. Dezember war ich ausgesprochen effizient. Ich habe sowohl einen Stadtplan dieser 1,3-Millionen-Stadt als auch Hin- und Rückfahrtickets für Beihai organisiert.


Dann erfolgte mein üblicher Besichtigungs-Gewaltmarsch – zunächst kreuz und quer, ohne System, durch die Stadt, die mich stark an das erinnert, was ich in Dokumentationen über Vietnam oder Thailand gesehen habe. Man merkt die Nähe zu den südostasiatischen Ländern – alles spielt sich draußen ab, es brummt und brüllt und ist generell sehr fröhlich chaotisch. Außerdem war ich doch tatsächlich am Christtag bei strahlendem Sonnenschein im T-Shirt unterwegs und schaffte es sogar, zu schwitzen. Ich habe den Volkspark besucht – die Vegetation geht dort schon stark ins Tropische, und das ist für mich etwas ganz Neues: mitten im Winter alles grün, Blüten überall, Palmen und sonstige Pflanzen, die ich bisher nur von Fotos kenne.


Westliche Gesichter habe ich in zwei Tagen unter all den zigtausenden genau zwei gesehen, und dementsprechend viel Aufmerksamkeit bekam ich; allerdings freundlicher Natur und völlig ohne Keilerei, weil man ausländische Touristen offenbar nicht so sehr gewohnt ist. Stets wurde ich gerufen, man winkte mir zu, strahlte mich freundlich an und bei zwei Gelegenheiten drückte man mir sogar irgendwelche Dinge in die Hand; ich vermute in der Überzeugung, ich würde diese essen. Oder damit jonglieren. Ich bin mir nicht ganz sicher. Als Reaktion entschied ich mich daher für mein patentiertes Allzweck-Gesicht: ein Zwischending zwischen freundlicher Verzweiflung und dankbarer Verständnislosigkeit.

Maximale Minderheit
Am Nachmittag war das lokale Minderheiten-Museum an der Reihe, wo ich vor allem das angeschlossene Freilichtmuseum mit originalen Bauwerken der Zhuang-, Miao-, Yao-, Maonan- und Dong-Minderheiten in seliger Einsamkeit durchmaß. Von Chinas insgesamt 55 offiziellen Minderheiten sind in Guangxi, der autonomen Provinz der Zhuang, ganze elf heimisch. Das Zhuang-Transkriptionssystem, dem man überall auf der Straße begegnet, sieht übrigens wild aus – ein Konsonantensalat ähnlich dem Walisischen, was für mich zwanghaften Schilderleser natürlich prompt konstante Zungenverstauchung zur Folge hatte.


Am Abend entdeckte ich durch Zufall gleich neben meinem Hotel eine „Food-Street“, die jenen auf Taiwan glich – ich habe mich sofort dorthin zurückversetzt gefühlt. Was es dort alles gibt, ist unglaublich – und wirklich exotisch. Früchte in allen Farben und Formen und Tier-mäßig alles, was kreucht und fleucht – lebendig und gehäutet, ganz und in Stücken. Die Fotos dazu präsentierte ich ja bereits – den Geruch und den Lärm kann ich leider nur staunend in der eigenen Erinnerung behalten.

Resumé: Weder Bar noch Vokabel
Was ich nicht schaffte, war, zum Tagesabschluss noch irgendwo eine nette Bar zu finden, um auf ein Bier zu gehen. Stattdessen bin ich auch am Abend noch herumgelaufen. Ich glaube, ich habe einen neuen persönlichen Rekord aufgestellt. Grob geschätzt waren es sicher an die zwanzig bis fünfundzwanzig Kilometer an diesem Tag - und zwar ohne Pause. Da ich die Nacht zuvor aus unerfindlichen Gründen sehr schlecht geschlafen hatte, war ich schon früh am Abend vollkommen erschlagen. Vermutlich sollte ich langsam eher Bingo-Abende und Töpfer-Kurse in Erwägung ziehen. Für meine anstehenden End-Prüfungen gelernt hatte ich folgerichtig an diesem Tag auch nichts, dafür in der nächsten Nacht hervorragend geschlafen. Hauptsache, ich schleppte etwa drei Kilo an Lernmaterialien mit mir herum. Aber die sollen ruhig auch mal ein bisschen die Welt sehen.

Ich lenze faul
Am nächsten Tag, dem 26. Dezember, habe ich auf das tolle Frühstücksbüffet gepfiffen, bin sehr lange im Bett geblieben und nahm mir vor, es gemütlich anzugehen. Ich setzte mich in ein chinesisches Café und frönte dort einem herrlichen Kaffee „Vienna“, wobei mir gar nicht bewusst war, dass man bei uns Kaffee mit Erdbeerschlagobers und buntem Streusel trinkt. Auch das dazu servierte süßsaure Salzkeks erschien mir nicht zwingend österreichisch. Aber was weiß ich schon. Doch siehe da: Auf einmal bekam ich ganz von selbst Lust, ein paar Vokabeln zu wiederholen. Und wie das immer so ist, folgte der Rest auf dem Fuße: Urplötzlich war mir – trotz trüben, regnerischen Wetters – nach einer Besichtigung des größten medizinischen Gartens Chinas, der in den östlichen Außenbezirken Nannings liegt.


Der medizinische Rübenacker
Da bin ich dann auch standesgemäß mit dem Bus hinausgefahren und habe der Versuchung widerstanden, das Taxi zu nehmen. Naja, eigentlich ist „hingescheppert“ der passendere Ausdruck. Die Gegenden, durch die ich dabei fuhr, waren wild, und etwas vergleichbar Ärmliches hatte ich bis da noch nicht gesehen.


Die Anlage selbst war zunächst ein wenig verwunderlich, weil es zwar ein paar beschriftete Pflanzen gab, aber ansonsten das Ganze eher einem Stück Wildnis inklusive Bauernhäusern ähnelte als einem medizinischen Garten. Weiter drinnen gab es dann allerdings eine toll gestaltete, riesige Region, die unterteilt war in Bereiche mit jeweils Bäumen, Lianen, Kräutern und Tieren und deren Anwendung in der chinesischen Medizin. Die größte Attraktion in diesem Park aber war zu meinem Erstaunen ich selbst – zumindest wenn ich die Blicke der verdutzten Angestellten richtig interpretiere, die offenbar noch nie zuvor einen Besucher erblickt hatten. An diesem Tag war ich jedenfalls der einzige.


Nightlife die zweite
Am Abend wollte ich dann aber doch noch einen heroischen Versuch starten, das Nanninger Nachtleben zu erkunden. Ich fand auch eine Straße, in der es offenbar einige Bars gab, und war wild entschlossen, zumindest in einer von diesen noch ein Bier zu trinken. Ja, ich bin schon ein wilder Hund.



Ich bin dann tatsächlich noch sehr lange etwas orientierungslos auf dieser Straße herummarschiert. Zunächst entdeckte ich einen vermeintlichen Club – zumindest war er als solcher angeschrieben. Er stellte sich aber als Karaoke-Zentrum heraus. Jedenfalls fand ich keinen allgemeinen Dancefloor, sondern nur die typischen abgeschlossenen Karaoke-Abteile, aus denen überirdische Geräusche an mein gequältes Ohr drangen. Also verließ ich den schönen Ort wieder, denn blamieren kann ich mich auch alleine, dafür brauche ich nicht mal Musik. Danach stieß ich aber zufällig auf einen echten Club – der wiederum als Bar angeschrieben war. Ein sehr chinesischer Ort, mit Stehtischen, Würfelspiel, professionellen Tänzern und Sängern, die mit ihren enthusiastischen Live-Shows ein für Westliches gewohnte Menschen immer wieder schräges Spektakel bieten.


Innerhalb kürzester Zeit gesellten sich dann noch zwei Mädels zu mir an den Tisch. Ich war der einzige Westler dort, und das war offenbar interessant. Natürlich konnten sie kein Englisch, also habe ich mich mehr schlecht als recht auf Chinesisch durchgeschlagen. Dank meiner makellosen Sprachkenntnisse glauben die wahrscheinlich heute noch, ich wäre ein ugandischer Opernsänger auf der Durchreise. Gemeinsam fanden wir jedenfalls heraus, dass man zu chinesischen R’n’B-Heulern problemlos Wiener Walzer tanzen kann – ¾-Takt ist dabei gänzlich unnötig – und ich lernte ein neues chinesisches Würfelspiel, im Laufe dessen ich wiederum eindrucksvoll etablierte, dass ich unfassbar viel Glück in der Liebe haben muss. Überhaupt war der Abend eine recht heitere Sache, auch wenn ich mich nach Entdeckung einer interessanten Drachentätowierung am Handgelenk einer der beiden Damen vorsichtshalber höflich aber rasch verabschiedete.


Um nun noch ein wenig Farbe in die Angelegenheit zu bringen, darf ich abschließend aufs Heftigste bebildern:



Die Vegetation in Guangxi ist auch im Winter durchaus keine Kleinvogelblähung. Und zwar auch außerhalb botanischer Gärten.


Im Volkspark ging es jedenfalls recht lieblich zu.

Auch architektonisch spielt Nanning alle Stückerln. Sowohl modern ...

... als auch kommunistisch, mit herzig klatschenden Landesvätern ...

... als auch traditionell. Doch zur Minderheitenarchitektur kommen wir gleich. Zunächst noch ein paar überlebensgroße Minderheiten-Eier. (Fragt's mich nicht ...)

Jetzt aber: das im Text erwähnte Minderheiten-Museum. Man beachte auch die in Guangxi omnipräsente Zhuang-Umschrift. Ja, auch das ist Chinesisch.

Im Museum dann traditionelle Architektur. Hier ein Haus der Miao. Gemütliche Sache - und drinnen gab's echt Miaoische Speisen.

Das ist eine Wind-Regen-Brücke der Dong. Ohne einen einzigen Nagel gebaut. Und es stimmt: Ich habe keinen einzigen gefunden! Allerdings war enttäuschenderweise auch weder Wind noch Regen darin enthalten.

Das ist ein Kornspeicher der Yao. Auf Stelzen zweng der Feuchtigkeit und mit Tontöpfen auf den Beinen zweng der Ratten. Diese Häuschen stehen weit weg vom eigentlich Dorf - aber vor Diebstahl brauchen sich die Eigentümer nicht fürchten, denn - so informiert ein Text - die Yao sind ehrlich.

Auch wenn die Zhuang heute schon so mit den Han vermischt sind, dass man sie gar nicht mehr auseinanderkennt: So wohnen die Guten in entlegeneren Regionen immer noch. Und vor dem Haus gibt es eine Kornmühle, auf den die Zhuang-Braut am Tag nach der Hochzeitsnacht ganz, ganz früh für die Schwiegereltern Korn mahlt, um zu beweisen, dass sie trotz ... äh ... naja, dass sie jedenfalls sehr fleißig ist.

Im Endeffekt gilt aber: Auch die Chinesen sind nur Indianer. Zumindest manche Minderheiten.

Die Busfahrt zum medizinischen Garten führte mich, wie beschrieben, durch Gegenden, in die man üblicherweise lustwandelnd nicht so leicht gelangt.

Dort angelangt verewigte ich gleich einmal meinen chinesischen Namen auf Bambus für die Nachwelt. Das tut man so in China.

Nach einer etwas originellen Außenregion ist der medizinische Garten dann von geradezu malerische Harmonie.

Das ist fein, denn da gelingen selbst mit einer Pimperl-Kamera wie der meinen grafisch anspruchsvolle Fotos.

Freitag, 26. Dezember 2008

Guangxi - III: Reisendes

In einer halben Stunde werde ich aus meinem Luxus-Hotel auschecken (und wahrscheinlich bemerken, dass ich aufgrund eines Missverständnisses doch nicht nur 29 Euro sondern 290 Euro bezahle :P). Dann geht's zum Bahnhof, denn ich bin bereits stolzer Besitzer eines Return-Tickets nach Beihai, 220 Kilometer im Süden, am tropischen Strand des Südchinesischen Meeres.
Was ich nicht habe ist eine Unterkunft dort, und da ich bezweifle, dass ich nochmals auf ein um 70% reduziertes Luxushotel stoße, folgt mein nächstes Posting wohl erst nach meiner Rückkehr.

Es ist wohl unnötig hinzuzufügen, dass es heute, wo ich mich bereits auf die Fahrt durch das wilde, ländliche Südchina gefreut habe, draußen den dicksten Nebel und Regen aufgefahren hat, den ich je in China erlebt habe. Die Aussicht aus dem Zugfenster wird folgerichtig in etwa am Bahndamm enden.

Hoffentlich geht's Koarl wenigstens wieder gut, dann hab ich während der Fahrt wen zum Plaudern.

Frohes Neues Jahr, mitnand! Ich bin dann mal weg ... ;)

Guangxi - II: Kulinarisches

Guangxi ... das ist die autonome Region der Minderheit der Zhuang, eine traditionell "unterentwickelte" Region. Guangxi ... wo so viele andere Stämme chinesischer Minderheiten leben - wie die Yao, die Miao, die Dong und viele andere - dass sie die überall sonst überwiegenden Han-Chinesen um das Dreifache übertreffen. Guangxi ... wo es unerforschte, wilde Regionen gibt. Guangxi ... wo ich als Westler sogar in der hochmodernen Hauptstadt als Besonderheit angestarrt und fotografiert werde.
Ja, Guangxi ist nur etwas für den hartgesottenen Traveler, der bereit ist, Entbehrungen auf sich zu nehmen und den selbst einfachsten Lebensbedingungen nicht abschrecken ...



... wie beispielsweise zu kurze Bademäntel im Hotelzimmer.

Nur, wer auf solch' primitive Weise zu überleben imstande ist, der kann auch jene Abenteuer erleben, wie sie unerschrockenen Naturen wie der meinigen offen stehen.

Etwa Abenteuer kulinarischer Ausrichtung.

Je weiter man in China nach Süden reist, desto eher entspricht die Küche all jenen Klischees, die wir im Westen kennen und - trotz auch nicht gerade "eingängiger" österreichischer Spezialitäten wie Hirn mit Ei, Beuschel und Blutwurst - gerne bewitzeln. Während man nördlich von Peking von Speisen lebt, wie sie auch im Waldviertel nicht allzu fehl am Platze wären, gibt's hier in der Gegend schon schräge Dinge.

So entdeckte ich gestern Abend zur Essenszeit zufällig etwas Wunderbares: Seit Taiwan hatte ich keinen echten "Nightmarket" mehr erlebt - jene Straßen, in denen erst zu später Stunde reges Markttreiben erwacht und sich die Massen wälzen wie in Wien nicht einmal auf der Mariahilferstraße in der Vorweihnachtszeit. Das funktioniert natürlich nur hier, ganz weit im Süden, wo man auch mitten im Winter die ganze Nacht bei milden Temperaturen im Freien bummeln und sitzen kann.

Ein Sonderfall solcher Nightmarkets sind die "Speisestraßen", wo es alles - und wirklich alles - zu essen gibt.

Obwohl ich dort ohnehin auffiel wie ein bunter Hund, habe ich mich überwunden, und ein paar Eindrücke in Bildern festgehalten. Denn nirgends sonst bekommt man dokumentationswürdige Inhalte derartig auf dem Silbertablett (oder eher in der Reisschüssel) serviert wie hier.

Bittesehr:

Ja, einsam ist man nicht auf einem Nightmarket. Und verhungern muss man auch nicht ...

Dutzende bis hunderte kleinerer und größerer Stände und Läden bieten jede erdenkliche Art von Nahrung an - sowohl was die Zutaten anbelangt als auch deren Zubereitung. In China ist das Kochen ja eine Wissenschaft, und wenn man sich mit deren vollendeten Ausformungen beschäftigt, erscheinen alle europäischen Küchen im Vergleich geradezu primitiv.
Dennoch: Manches ist für uns vielleicht ein bisschen ungewohnt ...


... beispielsweise das Aussuchen des zur Verspeisung zu schlachtenden Tiers vor Ort - wie hier jener Hühner, Fasane, Tauben, Spatzen und anderer, mir unbekannter Vögel.

... oder auch die etwas gewagte Präsentation lokaler Spezialitäten. Guangxi ist besonders berühmt für seinen Hunde-Feuertopf.
(Man bemerke weiters: Ich bummelte am Weihnachtstag - westlicher Einfluss ist diesbezüglich durchaus vorhanden.)

Apropos gewagte Präsentation: Auf gewisse Spezialitäten sollte man vielleicht eher verzichten, zum Wohle geschützter Arten. Und da wundert man sich hier, warum der Jangtse-Alligator vor dem Aussterben steht.

Doch es wäre nicht China, würde man nicht unversehens selbst über extinkte Tiere stolpern.

Donnerstag, 25. Dezember 2008

Guangxi - I: Zwischenmenschliches

Die Wahnsinnigen haben mich in ein Fünfsterne-Hotel einquartiert! Aber für 29 Euro pro Nacht sag' ich da nicht nein und nutze stattdessen gleich die gratis Internet-Connection in meinem Zimmer.

Weihnachten in den Tropen
Ja, ich bin in der Provinz Guangxi, 2.100 Kilometer südwestlich von Shanghai. Die Hauptstadt Nanning hat ein völlig anderes Flair als die Städte in Ostchina - es erinnert mehr an Südostasien. Auch die Sprache hier könnte eigentlich fast Vietnamesisch sein, so viel wie ich vom hiesigen Dialekt verstehe.

Aber ich will noch gar nicht viel vom Sightseeing berichten, denn bereits auf dem Flug hierher begab sich Berichtenswertes.

Im Flugzeug von Shanghai nach Nanning war ich der einzige Westler. Das heißt, nein: Einen zweiten gab es noch. Er saß genau vor mir. Und er kam aus Klagenfurt. Manchmal bezweifle ich, dass es wirklich nur 9 Millionen Österreicher gibt. Im schönen Heimatland vielleicht - aber im Rest der Welt leben sicher nochmal 100 Millionen.

Egal, ansonsten war ich jedenfalls der einzige.

Koarl
Doch nun zum Bemerkenswerten. Es ist nämlich so, dass ich - egal, wohin ich fliege - immer den gleichen Sitznachbarn habe.

Er heißt Koarl. (Oder zumindest sollte er so heißen.)

Koarl ist etwa Mitte Fünfzig, hat 180 Kilo, die er großzügig über seinen eigenen Sitz und etwa die Hälfte des meinigen verteilt, fällt Sekunden nach dem Hinsetzen in einen komaähnlichen Schlaf, sucht dabei - enthusiastisch transpirierend und seitlich hinwegsinkend - starken Körperkontakt, während er mir direkt ins Ohr eine zauberhafte Symphonie schnarcht, und erwacht erst wieder nach der Landung, wenn ich - dank regelmäßigen Teekonsums und blockierten Toilettenweges - bereits dunkelgelbe Augen habe.

Doch diesmal war Koarl offenbar verhindert. Denn neben mir saß eine junge Frau, keineswegs übergewichtig und hellwach.

Wo ist Koarl?
Ich war zunächst ein wenig verstört, wollte mich schon bei ihr erkundigen, ob Koarl denn womöglich der hart erarbeitete Herzkasperl getroffen hätte und sie nun die Vertretung wäre, entschied mich dann aber doch lieber für mein übliches, offenes Auftreten während des Reisens: Ich zog ein mürrisches Gesicht, klebte meine Nase an das Fenster und war auch sonst kontaktfreudig wie zwei grantige Stachelschweine.

Das ging auch etwa zwei Stunden lang gut, doch dann sprach mich meine Sitznachbarin an. Natürlich auf Chinesisch, aber erstaunlicherweise entspann sich trotzdem ein ausgesprochen nettes Geplauder, in dem es um chinesische Hauptstädte, Taiwan, Astronomie, Studium und auch sonst noch allerhand ging.

Im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, dass sie aus Nanning stammt, jetzt in Shanghai arbeitet und über Weihnachten nach Hause fliegt, um ihre Familie zu besuchen. Weiters sollte ich der Vollständigkeit halber hinzufügen, dass sie bildhübsch war, ausgesprochen sympathisch, hilfsbereit, klug - und sogar hervorragend Englisch sprach, was in stockenden Konversationsmomenten sehr hilfreich war.

Nach der Landung warteten wir gemeinsam, bis mein Rucksack endlich auf dem Förderband erschien, und sie half mir noch bei diversen Formalitäten. Dann schritten wir durch den Ausgang des Flughafens, frühlingshafte Abendluft umfing mich, und es entstand ein kurzer Moment des Zögerns. Ich fragte sie, wie sie denn nun in die Stadt käme.

Wahre Meisterschaft zwischenmenschlichen Verhaltens
So.

Bis hierher hätten Viele wahrscheinlich noch ähnlich reagiert. Aber jetzt darf ich mit einer kleinen Überraschung aufwarten. Denn was erwiderte ich auf ihre Auskunft, sie würde mit dem Bus ins Stadtzentrum fahren, um dann von dort ein Taxi nach Hause zu nehmen?

Richtig.

Ich sagte: "Ich glaub', ich nehme lieber gleich ein Taxi."

Dann verabschiedete ich mich noch mit den Worten: "Vielleicht treffen wir uns ja einmal zufällig in der Stadt oder so", und wunderte mich über ihren etwas irritierten Blick.

Nach einer halbstündigen Taxifahrt kam ich in meinem Hotelzimmer an, beobachtete die explosionsartige Selbstentpackung meines Rucksacks und dachte ein wenig nach.

Dann fiel mir folgendes auf:

* Eine interessante Frau sitzt zufällig neben mir im Flugzeug.

* Sie sieht nicht wie Koarl aus und riecht auch anders.

* Sie spricht mich an.

* Eine angeregte und -nehme Unterhaltung findet statt.

* Sie kennt das Reiseziel, über das ich nichts weiß, in und auswendig.

* Sie arbeitet üblicherweise in Shanghai, wo ich auch lebe.

* Sie wartet nach dem Aussteigen auf mich und hilft mir mit meinem Gepäck.

* Ich frage sie nicht nach ihrem Namen.

* Ich erfrage keinerlei Möglichkeit, Kontakt mit ihr aufzunehmen, um sich vielleicht einmal auf einen Kaffee zu treffen.

* Ich nütze nicht die Gelegenheit, gemeinsam den Bus zu nehmen, um noch ein wenig zu plaudern, und

* ich lade sie auch nicht ein, das erste Stück des Weges gemeinsam im Taxi zurückzulegen.

Warum?

Gute Frage. Wüsste ich auch gerne.

Naja - in Wirklichkeit tue ich das ja alles absichtlich, damit ich hier was zu posten habe, was in das Konzept meines mühsam aufgebauten Images vom Typ "Würschtl" passt.

Also dann halt ein Weihnachtsgruß
Hier ist es - auch ohne sympathische, ortskundige Bekannte - jedenfalls wunderbar, und sowohl Weihnachtsabend als auch Christtag habe ich zuvor noch nie auf ähnliche Weise verbracht.

Der Beweis hier gleich in Bild und Ton:


Dienstag, 23. Dezember 2008

Frohe Ostern!

Halleluja, es ist soweit: Die ersten von mir völlig ignorierten Weihnachten meines Lebens stehen vor der Türe!

Gleichzeitig auch meine erste wirklich weite Reise innerhalb Chinas. Morgen am Weihnachtsabend fliege ich also ab und werde dann eine gute Woche lang weder E-Mail- noch Blog-Kontakt haben. (Größere Geldbeträge nehme ich aber gerne an. Da findet sich schon ein Weg.)

Mich für diesen Umstand entschuldigend, möchte ich an dieser Stelle weihevollen Dank aussprechen für die letzten vier Monate, in denen die Bloggerei nicht zuletzt dank der unerwartet vielen Kommentare und LeserInnen eines meiner liebsten Hobbies war. Nur weiter so, dann werde ich das Bloggen vielleicht doch nicht zugunsten einer Intensivierung meiner tuvinischen Kehlkopfgesangsstudien aufgeben.
Auch möchte ich Euch allen mit unten angefügtem, ausgesprochen festlichem Bildchen "Frohe Weihnachten" wünschen und hoffen, dass es dort wo ich hinfliege einerseits spannend ist, damit ich nach meiner Rückkehr auch was bloggen kann, und andererseits auch wieder nicht allzu spannend, damit die erwähnte Rückkehr überhaupt stattfindet.

Und wenn's sich ergibt: Schickt's mir das Christkind vorbei - ich hab irgendwie keine Weihnachtskekse hier :P.


Was tut man nicht alles, um noch ein kleines bisschen dümmer auszusehen als ohnehin eh schon. Pfröhliche Pfeihnachten.

Samstag, 20. Dezember 2008

Überleben

Es könnte sein, dass ich meine Sprachpartnerin und Freundin Linan verliere.

Sie plant, im Februar für ein Semester nach Korea zu gehen. Das freut mich für sie, aber - ganz gelernter Egoist - finde ich es auch sehr schade, da sie eine von drei Personen ist, die ich hier als echte Freunde bezeichnen würde. Es ist auch schade, da ich genau im nächsten Semester Level C gerne wiederholen möchte, also zum ersten Mal nicht mit neuem Stoff überladen sein werde, und folglich das gemeinsame, unabhängige Üben mit einer Sprachpartnerin wichtiger denn je wäre. Ich werde wohl versuchen müssen, jemand anderen zu finden. Irgendjemanden aufzutreiben ist dabei relativ einfach; doch dass das gemeinsame Arbeiten auch funktioniert und man sich auch noch gut versteht, ist enorm selten, wenn ich an meine bisherigen Erfahrungen denke und Erzählungen Anderer Glauben schenke.

Auch unsere Diskussionen werden mir abgehen. Linan ist eine traditionell erzogene Chinesin, und es ist für mich faszinierend, auf welch unerwartete Weise wir manchmal unterschiedlich denken. Das betrifft dabei gar nicht so sehr die Themen, sondern vor allem die Art, darüber nachzudenken. Einmal hat man das Gefühl, es gibt überhaupt keine Unterschiede - dann wieder stößt man bei etwas, das man für selbstverständlich gehalten hat, auf völliges Unverständnis. Das ist eine hervorragende Möglichkeit, die eigene Toleranz und das Verhaftetsein in der eigenen Kultur auf die Probe zu stellen und zu hinterfragen.

Und oft genug gibt es richtig harte Nüsse zum Nachdenken.

So sind wir beispielsweise vorgestern ins Diskutieren gekommen, über Lebensziele. Es war ein langes Gespräch, anlässlich dessen wir auch über die Verwirklichung von Träumen gesprochen haben. Ein Satz hat mich vielleicht gerade wegen seiner schlichten Offenheit ziemlich ins Grübeln gebracht:

"Europeans are living to fulfill their dreams. In China, we are living to survive."

Gerade an einem Adventwochenende ist es gar nicht schlecht, anlässlich einer solchen Bemerkung die eigenen Prioritäten und Sorgen einmal neu zu überdenken. Und sich auch zu fragen, inwieweit europäische ethische Standards auf ein Land wie dieses überhaupt anwendbar sind.

Amen ;).

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Fruitful Experiences - Teil II

Die Geschichte begann vor etwa acht Jahren.

Damals betrat ich zum ersten Mal den Boden ... ähm ... einer chinesischen Kultur: Taiwan. Bereits in meinem ersten Posting habe ich mich ja weidlich darüber ausgelassen, warum ich dort weilte und welch großen Eindruck diese Insel und die dortige Kultur auf mich hinterlassen haben. Eines jedoch habe ich nicht erwähnt: Ich fand dort die beste Frucht der Welt - zumindest meiner Meinung nach.

Sie war überall: Auf der Straße verkauften alte Mütterchen Spalten, abgepackt in kleine Plastiksackerln, um ein oder zwei Yuan. In Geschäften, Supermärkten, bei Obstständen - man konnte ihr gar nicht entkommen. Und ich war beeindruckt: Noch nie hatte ich etwas so Köstliches gegessen! Daher kaufte ich auch in jener schwachen Woche, die ich dort verbrachte, die halbe taiwanesische Jahresproduktion auf, und selbst bis nach Österreich nahm ich ein paar Spalten davon mit, um meine Freunde an dem Genuss teilhaben zu lassen.

Nie zuvor - und nie wieder danach - habe ich dieses Obst irgendwo anders auf der Welt gefunden. Also beschloss ich damals, es fürdehin zu suchen, um mich daran von neuem zu laben.

Doch es gab ein Problem.

Ich wusste nicht, wie die Dinger heißen. Den chinesischen Namen - vorgetragen im breitesten taiwanesischen Dialekt - habe ich mir nicht gemerkt, und eine englische Übersetzung, die ich ein einziges Mal irgendwo fand, war offenbar nicht korrekt. Denn niemand - kein Chinese, kein Taiwanese und kein sonstiger Ese - konnte sich unter "Rose Apple" etwas vorstellen. Merkwürdigerweise fruchteten (hihi) auch meine Erläuterungen nichts - das Ding war aber auch nicht leicht zu beschreiben: glatte, rötliche Schale, länglich, birnenförmig, in etwa so groß wie ein Apfel, an einem Ende spitz zulaufend, am anderen in einer seltsamen Einstülpung endend. Aber ach - selbst eine solch eloquente Charakterisierung brachte mir nur verständnislose Blicke ein.

Auch hier in China habe ich seit vier Monaten die Augen offen gehalten; obwohl nach so vielen Jahren die Hoffnung nur noch schwach in mir glomm, spähte ich stets in jede Fruchtabteilung. Es war mir ein Rätsel, wieso ich den mysteriösen "Rose Apple" nie wieder irgendwo fand.

Doch dann ging ich vor einigen Tagen spazieren. Das heißt: Eigentlich wollte ich spazieren gehen. Aber wie das bei mir so ist ging ich los - und stellte viereinhalb Stunden später fest, dass vom Dorm aus das Stadtzentrum ja durchaus auch zu Fuß erreichbar ist.

Der kleine siebzehn-Kilometer-Bummel führte mich allerdings durch die buntesten Regionen Shanghais, die offenbar noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Oder zumindest haben die Regionen noch nie zuvor einen westlichen Menschen in sich gehabt - den Blicken der Einheimischen nach zu urteilen.

Und in einer dieser Regionen gab es den "E-MART". Trotz des Namens ein durch und durch chinesischer Hypermarkt, in dem man wirklich alles findet (außer Europäer): Gewand, lebende Tiere zum Verspeisen, Süßigkeiten, Küchenutensilien, Gartenwerkzeuge, Grundnahrungsmittel ... und ein kleines Regal mit Rose Apples. Einzeln verpackt.

Ich äugte meinen Kaumen traut.

Das konnte doch nicht wahr sein!? Doch es war wahr: Vor mir lagen genau jene Früchte, von denen ich nun endlich erfahren würde, ob sie mir auch heute noch so gut schmeckten, wie ich es in Erinnerung hatte. Und sie kosteten nur vier Euro pro Stück - was durchaus dem Monatseinkommen eines chinesischen Bauern entspricht.

Das war mir nun aber egal: Flugs packte ich eines der guten Stücke, rannte damit zur Kassa, stürzte mich in die dortigen Menschenmassen und war nach einer mir endlos erscheinenden Wartezeit endlich an der Reihe, zu bezahlen. Ich kramte nach meinem Geld, während die hinter mir anstehenden Shanghaiischen Mitbürger bereits ungeduldig grummelten.

Dann wurde die ganze Situation sehr clemens.

Denn ich hatte vergessen, den Rose Apple abzuwiegen. Deshalb konnte ich ihn nicht kaufen. Hinter mir drängten etwa fünfzig Chinesen, vor mir funkelte mich eine nicht allzu liebenswürdige Kassierin an - alle Augen waren auf mich gerichtet.

Ich reagierte souverän:

"Bu yao!" - "Will ich nicht", warf ich der Kassierin lässig zusammen mit dem Rose Apple entgegen, drehte mich um, schritt hoch erhobenen Hauptes durch die Ausgangstüre ...

... und glaubte, ich müsse mir in den A*** beißen. Noch einmal reinzugehen war mir zu peinlich und zu zeitaufwändig.

Aber ich beschloss, wiederzukommen.

Nun - ich will Euch nicht langweilen, daher greife ich für den Rest der Story auf mein bewährtes Bullet-Point-System zurück:

* Draußen angekommen: Ich stelle fest, ich weiß noch immer nicht, wie die Dinger heißen; aber zumindest kann ich mich an die beiden chinesischen Schriftzeichen vage erinnern, die den Namen ausmachen. Die kann ich zu Hause nachschlagen.

* Den Weg zum E-MART merken! Dass ich daran gedacht habe, ist fast ein Wunder. Die Adresse vergaß ich natürlich, aber ich sah den Bus Nr. 123 vorbeifahren und beschloss, mit diesem wiederzukommen.

* Natürlich wählte ich den falschen Heimweg und war also an diesem Tag fast neun Stunden auf den Beinen.

* Schon zwei Tage später stieg ich in Bus Nr. 123

* Ich stellte fest, dieser Bus fährt je nach Fahrtrichtung verschiedene Strecken.

* Ich landete irgendwo im Nirgendwo. Vom E-MART keine Spur.

* Ich wartete auf den Bus in die andere Richtung, um den E-MART doch noch zu erreichen.

* Das ist aber kein Rundkurs, und er fährt also von einer anderen Station weg, die ich nicht finde und die auch niemand zu kennen scheint.

* Ich nehme ein Taxi nach Hause.

* Mein Wörterbuch verrät mir, die geheimnisvolle Frucht heißt 莲雾 - "Lianwu", oder "Wax Apple". (Die wörtliche Übersetzung ist "Nebel-Lotus".) Nach acht Jahren kenne ich endlich den Namen.

* Am nächsten Tag mache ich mich zu Fuß auf den Weg.

* Eineinhalb Stunden später erreiche ich den E-MART.

* Stolz, den Namen endlich zu kennen, frage ich einen Verkäufer nach einem "Lianwu".

* Ich verstehe seine Antwort sogar: "卖完" - das heißt "ausverkauft".

* Am nächsten Tag frage ich meine Lieblingsprofessorin, ob sie "Lianwu" kenne; sie bejaht und verspricht, Ausschau nach einem solchen zu halten.

* Am Folgetag sagt sie mir die Adresse eines Supermarkts, wo sie fündig geworden war.

* Heute war ich dort. Ein einstündiger Fußmarsch.

* Nach längere Suche finde ich den allerletzten "Nebel-Lotus" und kaufe ihn sofort. Er ist sogar viel billiger als bei E-MART.

* Vor einer halben Stunde nehme ich ihn aus der Plastikverpackung.

* Er ist an der Unterseite verschimmelt.

* Aber ich weiß jetzt, wie die Dinger heißen, wo es sie - zumindest manchmal - gibt, und ich kann Euch sogar ein Foto davon präsentieren:


Und ich denke, mit all dieser Information kann es sich eigentlich nur noch um Monate handeln, bis ich ein tatsächlich genießbares Exemplar auftreibe, meine Zähne endlich wieder hineinschlagen und Euch mitteilen kann, ob die Dinger den ganzen Aufwand wirklich wert waren.

Mein Leben ist ein einziges Abenteuer.

Mittwoch, 17. Dezember 2008

Fruitful Experiences - Teil I

Nicht einmal Gummibärli sind hier das, was man erwartet.

Aber sehet selbst, was ich gestern eigenhändig erwarb:



Was ist das?


Nun ... die Zeichen sind mir unbekannt, aber offensichtlich hat es Apfelgeschmack. Die Tatsache, dass es zwischen lauter Gummibärli-artigen Süßigkeiten im Supermarkt hing, deutete nach Meinung von Sherlock Bayer wiederum darauf hin, dass es sich vermutlich um eine ebensolche handeln könnte.


Und das mag ich sehr :).


Daher hieß es für mich: flott gekauft, das gute Stück, und aufgerissen.


Doch das Innenleben überrascht bereits ein wenig:

In dem großen Packerl sind ganz viele kleine Packerln drinnen. Mir schwant Übles: Es werden doch nicht jetzt in diesen wiederum noch kleinere Packerln drinnen sein? Und in denen dann noch kleinere, bis ich am Schluss mit leeren Händen dastehe?
Aber nein ... probeweises Aufreißen eines der kleinen Stanizerln enthüllt Ermutigendes:

Ein braunes, schrumpeliges Ding. Und pickig ist es übrigens auch. Scheiße in Tüten? Das wohl nicht. Aber Apfel ist es keiner. Und Gummibärli auch nicht. Vielmehr handelt es sich offenbar um eine Art Frucht - getrocknet und/oder kandiert, wie man es hier gerne hat.

Ich bin ja mittlerweile insoferne ein China-Kenner, als ich einen sechsten Sinn dafür entwickelt habe, wann sich etwas Lustiges anbahnt. Daher auch die Fotos. Denn sie sind Teil eines tollkühnen Selbstexperiments.

Gleich nach dem Aufreißen der Leckerei führte mich mein Weg also folgerichtig zum Badezimmerspiegel, um dortselbst meine Eindrücke live und visuell für die Nachwelt festzuhalten.

Selbstvergessen beiße ich in das undefinierbare Etwas, während ich mit meiner Rechten unentwegt Fotos schieße.

Und die Überraschung bleibt nicht aus: Denn eigentlich würde man ja vermuten, dass etwas, das so widerlich aussieht, auch ganz ekelhaft schmeckt ...

Doch "ekelhaft" ist GAR KEIN AUSDRUCK!!!!! :PPP

Sonntag, 14. Dezember 2008

Reisepläne

"Den Menschen, der ein unruhig' Geist, erkennt man daran, dass er reist", hat einmal ein weiser Mann gesagt. (Ich nämlich. Grad jetzt.) Und das passt auf mich wie die Milka zur Kuh.

Um also meiner diesbezüglichen Informationspflicht nachzukommen, möchte ich hier gerne meine Reisepläne, wie sie sich momentan darstellen, darlegen (dar..dar..dar.. ich hab' auch schon einmal besser geschrieben). Dies soll Euch informieren, warum zu diesen Zeiten weder E-Mails, Posts noch sonstige Nachrichten von mir kommen, es soll mir selbst zur Erinnerung dienen, damit ich nicht vergesse, warum da auf meinem Tisch diese komischen Tickets und Reservierungsbestätigungen liegen - vor allem aber soll es natürlich alle, die das lesen, unendlich neidisch machen, dass ich hier so einen Lenz habe. Man ist ja Mensch.

Nach wie vor hat das folgende Programm einen leichten Touch völliger Vermeidung jeglicher berühmter oder besonders schöner Orte, obwohl ich da schon Kompromisse gemacht habe. Für diese etwas verschrobene Auswahl gibt es im wesentlichen drei Gründe:

1.) Ich entdecke gerne selbst.
b.) Orte, von denen der Reiseführer abrät, sind üblicherweise eher untouristisch und daher unverdorben.
4.) Findet man etwas Schönes, ist es eine Überraschung und man freut sich doppelt.
VIII.) Berühmte Orte kennt man aus unzähligen Dokumentationen, Büchern und von Profifotos, und die Wirklichkeit ist dann manchmal sogar enttäuschend.
a.) Ich bin ein bissl deppat.

Hier also gewohnt wortreich meine Pläne, wie sie sich heute darlegen. Sie werden sich aber zweifellos aufgrund meiner Spontanität, der Unwägbarkeit hiesiger Vorkommnisse und vor allem meiner erstaunlich vielseitigen Unfähigkeit im Laufe der Zeit noch verändern:

I. Der Frohe-Weihnachts-Ausflug
Den kennen wir schon. Da gab's vor nicht allzu langer Zeit ein eigenes Posting. In zehn Tagen geht's für eine Woche nach Guangxi. Zunächst verunsichere ich Nanning, und dann werden wir weitersehen. Eins ist sicher: Guangxi zittert bereits, denn der Flug ist gebucht, die Unterkunft für die ersten drei Tage auch. Es gibt also kein zurück mehr, Südchina wird sich bald mit mir auf irgendeine Weise auseinandersetzen müssen. (Temperatur dort momentan übrigens 28 Grad. Scheißhitze.)

II. Der Neujahr-Kompromiss-Trip
Ursprünglich wollte ich ja in den Semesterferien drei Wochen lang spontan durch Südost-China trampen. Ich sah mich schon: Backpack geschultert, kambodschanischen Reiseschal um den seit Wochen nicht mehr gewaschenen Hals geschlungen, mit verwegenem Tramper-Blick die unwegsamsten Gelände durchmessend, in fließendem Agrarchinesisch zotige Witze reißend mit wettergegerbten Tagelöhnern kartenspielend, auf dem Boden schlafend, Matsch und Asche essend und mindestens eine unbekannte Zivilisation sowie einen Ozean entdeckend, um anschließend meine Memoiren teuer an Hollywood zu verkaufen, wo sie mit Jody Foster in der Hauptrolle verfilmt würden und ich aber die mir nach der rauschenden Premiere begeisternd zujubelnden Männer und mir BHs nachwerfenden Frauen mit meiner unglaublichen Natürlichkeit beeindrucken würde, um anschließend im ungezwungenen Plauderton Fragen zu beantworten, wie ich mir als solch Mensch-gewordenes Phänomen denn nur eine solche Bodenhaftung bewahren konnte.

Oder zumindest wollte ich halt wirklich viel mit dem Zug fahren.

Natürlich konnte ich nicht wissen, dass in China seit 3.000 Jahren um diese Zeit Neujahr gefeiert wird. Und beim Zeus: Wie sollte ich ahnen, dass, wenn sich 500 Millionen Chinesen gleichzeitig kreuz und quer durch ihr schönes Vaterland Richtung Heimatprovinzen bewegen, die Züge überlastet sind, und man Reisen tunlichst ganz vermeiden, zumindest aber bereits lange vorher durchorganisieren sollte?

Eben.

Nach erfolgreicher Absolvierung meiner üblichen, ausgesprochen reifen Drei-Phasen-Reaktion auf solche Enttäuschungen (Schock -> Panik -> Schmollen) habe ich kurzerhand meine Pläne geändert und werde nun gleich nach meiner großen Schlussprüfung am 5./6./7. Jänner für eine Woche nach Sichuan fliegen. Auch "Szechuan" oder "Setschuan" geschrieben, ist diese Provinz im Südwesten, an der Grenze zu Tibet, nicht nur Herkunftsort der berühmtesten, scharfen Küche Chinas, sondern auch Heimat der letzten wildlebenden Pandas. In der Nähe der Hauptstadt Chengdu gibt es die größte Aufzuchtstation der Welt, die man besuchen kann. So werde ich mich also dort (in der Hauptstadt natürlich, nicht als Panda verkleidet in der Station) in einem ausgesprochen günstigen Youth Hostel einquartieren, das in einem antiken Gebäude aus irgendeiner fürchterlich berühmten Epoche untergebracht ist, die ich gerade vergessen habe. Von dort aus werde ich dann je nach Verkehrsmittel-Verfügbarkeit Tagestrips in die Umgebung machen. Oder auch nicht. Mir doch wurscht.

III. Die Freundes-Tour
Nachdem ich eine Woche vor und nach dem chinesischen Neujahrstermin (26. Jänner 2009) in Shanghai bleiben will, um das Ärgste abzuwarten und auch die gigantischen Neujahrsfeiern hier mitzuerleben, kommen am 31. Jänner zwei Freundinnen aus Österreich zu Besuch. Gemeinsam wollen wir es irgendwie schaffen, sowohl die weltberühmten Karstlandschaften von Guilin (ja - dort fährt jeder hin) am Li-Fluss zu besuchen als auch jene Stadt, von der es heißt, ihre Bewohner würden alles essen, was mehr als zwei Beine hat und kein Tisch ist: Kanton.

Der Umstand, dass dies immer noch die hektischste Reisezeit des Jahres ist und man aus nur den Chinesen bekannten Gründen Zugtickets maximal fünf Tage vor Reiseantritt kaufen kann, macht die ganze Sache extrem spannend. Eröffnet dies doch die aufregende Möglichkeit, dass wir drei entweder zwei Wochen lang in Shanghai festsitzen oder - noch lustiger - in Guilin oder Kanton. Was ganz schlecht wäre. Denn die zwei müssen ja ihren Rückflug erwischen - und ich spätestens am 13. Februar wieder in Shanghai sein, um mich für das nächste Semester zu registrieren. Aber wird schon schiefgehen. Und das meine ich ganz wörtlich.

IV. Die Schlimme-Finger-Reise
Die für mich persönlich wichtigste Reise war eigentlich die vorher erwähnte - und nun eben unmögliche - solche durch ganz Südost-China. Ihre Durchführung war ein lange gehegter Jugendtraum, und den lasse ich mir nicht einfach so von lächerlichen 500 Millionen Chinesen zerstören - wo bleiben denn da die Verhältnismäßigkeiten?
Daher entschlaß ich mich, einfach im nächsten Frühjahr Level C noch einmal zu besuchen. Das ist gut, denn wir lernen sowieso viel zu viele Vokabeln, so dass in mir der Verdacht aufkommt, ich vergesse zur Zeit mehr Wörter als ich jemals gelernt habe, und so könnte ich sie in Ruhe wiederholen. Das ist außerdem gut, weil ich dann problemlos zwei bis drei Wochen spritzen und auf die Reise gehen könnte. Auf dieser möchte ich nichts vorplanen, sondern einfach so darauflos fahren, wohin der Wind mich treibt. Und wer mich kennt, weiß natürlich, dass das im Klartext bedeutet, ich habe schon alles bis ins kleinste Detail durchdacht und geplant.

In etwa möchte ich zuerst nach Hefei, die Hauptstadt der Provinz Anhui, wo es absolut nichts zu sehen gibt - und das finde ich sehr spannend. Dann weiter in den Norden, wo ein unscheinbares Städtchen das Zentrum der chinesischen Medizin darstellt. Da kann man sicher zerstoßene Lindwurm-Gedärme, getrocknete Waschmuschel-Ohrringerln und Ähnliches beäugen. Anschließend geht es weiter Richtung Nordwesten, in die Provinz Henan. Im dort auf irgendsoeinem Berg gelegenen Shaolin-Kloster würde ich gerne vorbei- und ein paar friedliebenden Mönchen beim einander Verdreschen zuschauen. Sodann soll es mich Richtung Süden ziehen, wo ich in der Provinz Hubei sicher auch irgendetwas völlig Entbehrliches auftreibe und genauestens besichtige. Fernstes Ziel ist die Provinz Hunan, wo mich einerseits eine Beäugung Mao Zedongs Heimatdörfchens (ein Doppelgenitiv! Hurra!) reizen würde sowie die dortige extrem scharfe Küche. Und ein uraltes wunderschönes Städtchen der Miao-Minderheit (neeeein, keine Katzen, das ist der Name eines Volksstamms - "Katze" heißt auf Chinesisch "Mao", was auch sehr putzig ist).

Falls dann noch Zeit bleibt - denn das sind gigantische Entfernungen, um sie nur mit Bus und Bahn zurückzulegen -, möchte ich auf der "Rückreise" gerne die Provinzen Jiangxi, Fujian und Zhejiang unter die Lupe nehmen, die alle große landschaftliche Reize, unverdorbene Kultur und viele lustig klingende Namen zu bieten haben.

Nach vollendeter Rundreise werde ich dann mit Sicherheit wieder mit Begeisterung in ein Zimmer mit Bett, Bad und Tisch zurückkehren und die vielen neuen Vokabeln des Levels D lernen.

V. Der mögliche Nordwest-Hupfer
Meine Sprachpartnerin Linan stammt ja aus der riesigen Nordwest-Provinz Qinghai, die ehemals zum Staat Tibet gehörte und heute vor allem zwei Besonderheiten aufzuweisen hat: Erstens ist sie unfassbar hochgelegen (die Provinz, nicht die Sprachpartnerin - die Hauptstadt Xining ist mit 2.500 Metern Seehöhe nahe dem tiefsten Punkt), und zweitens kennt sie kein Mensch (wieder die Provinz. Nicht die Sprachpartnerin). Eventuell würde ich gerne dorthinfahren, auf ein verlängertes Wochenende. Die Fahrt dauert eh nur 35 Stunden, führt durch grandiose Panoramen, und das Ziel Xining kann man sich - wiederum laut Auskunft meines verlässlichen Reiseführers - vollkommen sparen, also gibt's keinen Grund, wahnsinnig lange dort zu bleiben.

"Möglich" schreibe ich übrigens deshalb, weil ich noch nicht weiß, ob das zeitlich funktionieren wird. Aber es wäre mir eigentlich ein Anliegen. Wegen ihrer völligen Unbekanntheit (und ja, ich gebe es zu, auch wegen der außerirdischen Landschaft des Tibet-Qinghai-Plateaus) war dies nämlich immer schon meine Lieblingsprovinz.

VI. Die Hohe-Nord-Expedition
Im Juni findet gleich nach Ende meiner allerletzten Abschlussprüfungen die erste (und wohl einzige) Herrenrunde auf chinesischem Boden statt. Dabei handelt es sich um eine ebenso alte wie dumme Tradition, die auf die fünfte Klasse Gymnasium zurückgeht. Damals beschlossen alle sechs Burschen der damaligen 5A/Possingergasse aufregenderweise, einmal gemeinsam wegzugehen. Und irgendwie hat uns nie jemand gesagt, wir sollen wieder damit aufhören. Daher tun wir das fast 20 Jahre später immer noch etwa alle zwei Monate, obwohl wir nun auf vier verschiedene Länder verstreut leben. Zwei Vertreter dieser würdigen Institution kommen mich im Frühsommer für ein Wöchlein besuchen. Das ist fein. Hat aber mit dem Thema nix zu tun. Warum erzähle ich das also hier? Ach so, ja: Weil ich gleich danach noch eine weitere Reise zum Abschluss plane - in den hohen Norden Chinas, in die Provinz Heilongjiang direkt an der Ostsibirischen Grenze. Dort ist es auch sehr schön und in jeder Hinsicht völlig anders als hier in Ostchina.

So. Jetzt möchte ich noch festhalten, dass all diese Angaben ohne Gewehr sind. Denn ich hab' keines. Und verändern kann sich das alles auch noch. Sollte ich also in einem dreiviertel Jahr zurückkehren, und alles, was ich gesehen habe, ist der Greißler hier ums Eck bei der Uni, bitte ich, meinen Wagemut nicht daran zu messen.

Übrigens hab' ich jetzt so lange an diesem Posting herumgetippt, dass es zu spät ist, mir noch den Film anzuschauen, den ich gerne sehen wollte. Das ist ganz alleine Eure Schuld. Pfff.

Samstag, 13. Dezember 2008

Das ist Shanghai - Teil 1

Liebe Freunde der ethnischen Vielfalt: Ich weiß, lange musstet ihr warten, bis Euer treuer Fernost-Korrespondent sich einmal wieder zwischen jeweils einer Portion Nudeln und Schriftzeichen aufraffen konnte und sich ins Großstadtgewirr begab, auf der Suche nach drolligen Sitten und Gebräuchen.

Naja ... tatsächlich hätt's auch noch viel länger gedauert, weil ich eigentlich so richtig sammeln wollte, um dann einen wahren Bilderreigen der Kuriositäten auf Euch loszulassen. Doch nachdem ich hier drinnen schon eine gewisse Ungeduld verspüre, und zudem auch ob der sich nähernden Tests und Organisationsaufgaben für ein gelingendes zweites Semester über zunehmend abnehmende Zeitreserven verfüge, gibt's hier einfach mal ein kleines Schmankerl für zwischendurch.

Es fällt mir übrigens immer schwerer, hiesige Seltsamkeiten als solche zu identifizieren, da man sich erstaunlich rasch an sie gewöhnt. Mittlerweile muss ich feststellen, dass es hier eigentlich eh genauso ist wie in Hadersdorf-Weidlingau. Nur dass die Chinesen eben frei herumrennen, anstatt - wie es sich gehört - konzentriert in Lokalitäten wie "Zur güldenen Reisnudel" vorzukommen.

Umso mehr muss ich mein Auge schulen und aufmerksam durchs hiesige Leben laufen. Und wer mich kennt, weiß, dass meine Beobachtungsgabe in etwa der eines als mittelgroßer Stein wiedergeborenen Maulwurfs entspricht, also fällt mir das weiß Gott nicht leicht.

Ein bisschen was Nettes hab ich aber wieder aufgetrieben, und so darf ich Euch mit folgenden vier Bildchen aus meiner unmittelbaren Wohnumgebung ein frohes Wochenende und einen gesegneten Fernsehabend wünschen:

Zunächst ein weiterer Einblick ins kunterbunte Stadtbild: Einheitlich ist hier eigentlich nur die Vielfalt - und so liegen alt und neu, modern und baufällig, arm und reich zumeist direkt nebeneinander. Das kleine Gebäude hinten rechts, mit der Zeltplane als Dach, hat ... nun ja ... eine gewisse Patina, funktioniert aber nach wie vor prächtig als Friseursalon, kombiniert mit Ohrenputz-Service. Und grünen Tee verkaufen sie auch. Direkt dahinter liegen typische moderne Wohnblocks des gehobenen Mittelstandes.

Ein Grund für dieses flotte Nebeneinander ist natürlich auch ein gewisses Platzproblem: Wo sich 15 Millionen Menschen eine Stadt teilen, deren Grundfläche nicht viel größer ist als jene von Wien, wird's manchmal ein bisschen kuschelig. Daher wird auch jedes bisschen Platz genutzt - gerne auch mehrfach. So dienen Shanghais Gehsteige stets auch als Überholspur und Wohnzimmer. Obiger anscheinend auch als Küchenfläche zur Trocknung von Chilischoten. Übrigens konnte ich weit und breit keinen Eigentümer entdecken. Vielleicht wundert sich also auch gerade irgendein Taglöhner, warum der Sack auf seinem Rücken auf einmal so leicht ist.

Das Trocknen ist in einer feuchten Umgebung wie Shanghai überhaupt eine große Sache. Nur einige Meter weiter auf hängen mitten auf dem gleichen Gehsteig die üblichen herrenlosen Gewänder auf einer Wäscheleine. "Trocknen ist Trocknen", dachte die findige Hausfrau in diesem speziellen Falle wohl, und hing ein halbes Schwein zum selbigen Behufe (<= Wortspiel!) gleich daneben. Am Abend gibt's dann wahrscheinlich "Stelze à la Persil"

Und damit verabschiede ich mich schon wieder für heute, mit diesem kleinen Gustostückerl aus unserer beliebten Serie: "Schilderpoesie". Abgesehen davon, dass die Orthografie der Übersetzung auch hier wieder die übliche farbenfrohe Unabhängigkeit von der englischen Sprache genießt, ist selbst die Grundaussage in diesem Fall nur schwierig zu erahnen. Das chinesische Original gibt Hinweise, bleibt aber ansonsten auch eher poetisch als hilfreich. Übersetzung liefere ich gerne - aber zuerst seid's einmal ein bissl kreativ :).

Sonntag, 7. Dezember 2008

Der Botanische Garten

Wenn ich meine bisherigen Einträge in diesem Blog so lese, verstehe ich ja überhaupt nicht, wieso ich Single bin. Ich bin doch von einer derartig liebenswerten Dämlichkeit, dass man mich einfach mögen muss!

Meine neueste Schnapsidee: Besuchen wir doch den Botanischen Garten von Shanghai! So weit so gut: Dieser ist - wie ich nach gröberer Weltreise in den äußersten Süden dieser schönen Stadt feststellen durfte - riesengroß, wie üblich in China hervorragend und sehr kreativ angelegt und darüber hinaus auch noch vollkommen touristenfrei, weil in keinem Reiseführer zu finden.

Eigentlich war er überhaupt vollkommen menschenfrei.
Weil nämlich Winter ist, und da haben Pflanzen auch hierzustadte durchaus die Angewohnheit, nicht gerade in größter Pracht zu erstrahlen. So zog ich also in herrlicher Ruhe und ungewohnter Einsamkeit meine Runden durch die 80 Hektar große Anlage - eine der schönsten ihrer Art in China.

Und folgendes zog mich dabei in den Bann:
Diese prächtig blühende, subtropische Spezies ...

... herrliche Beete exotischer Blumen ...

... ein Garten mit einer einzigartigen Sammlung traditioneller chinesischer Heilkräuter, vor dessen verschlossener Türe ich sogar Ginkgo-Blätter sah. (Auf dem Boden.)

Doch damit noch nicht genug: Ich lustwandelte durch das Farbenmeer des Rosengartens ...

... bewunderte die grandiose Osmanthus-Sammlung - berühmt für ihre zarten Blüten ...

... und erfreute mich an Baufahrzeugen in freier Wildbahn, die den Winter für allerlei Instandhaltungsarbeiten nutzen.

Um aber ganz ehrlich zu sein: Ich muss eh noch an mir arbeiten. Denn irgendwie stellt sich jede meiner blöden Ideen im Laufe ihrer Durchführung dann doch noch als ziemlich gut heraus. Immerhin hatte ich diese wirklich wunderbare Anlage praktisch für mich alleine - und Einiges mit etwas konventionellerem Appeal gab es dann doch zu sehen:

Beispielsweise ein wirklich prächtiges Tropenhaus, in dem ausgefallene Spezies subtropischer und tropischer, zumeist heimischer, Flora thematisch zusammengestellt sind. Hier der Blick vom etwa 30 Meter hohen "Aussichtsturm" im Inneren des auch architektonisch sehenswerten Gebäudes.

Eingepackt in warmes Wintergewand bestaunte ich bei 32 Grad Innentemperatur - dem Hitzekollaps nahe - tropische Früchte vor ihrem Weg zum Billa - wie diese Papayas.

Ich sah beeindruckende Palmen aller Größen, Farben und Formen ...

... und überall Blüten - auch unterirdisch, mitten in der aufwändig gestalteten Höhlenanlage.

Doch auch außerhalb der Glashäuser gab es genug Schönes. In den Subtropen verlieren bei weitem nicht alle Pflanzen ihre Blätter - und manche bleiben originellerweise den ganzen Winter über herbstlich bunt.

Zwischendrinnen kann man schließlich immer wieder die ausgesprochen ästhetischen Bewegungen Taichi übender älterer Damen und Herren beobachten.

Auf jeden Fall sehr entspannend das Ganze, und ich werde mir das ganz sicher im Frühling noch einmal geben, wenn der gesamte Park in Blüte steht.

Freitag, 5. Dezember 2008

Warum haben die Chinesen denn so eine komplizierte Schrift?

Liebe Freunde des gepflegten Klugschisses:

Oft fragt man mich nach dem Sinn des Lebens. Leicht zu beantworten:

42.

So.

Was man mich noch fragt - und wozu ich mich in altbekanntem Wortreichtum hiermit einmal öffentlich äußern möchte - ist, warum denn die Chinesen so eine gar fuuurchtbar komplizierte Schrift verwenden und nicht einfach in unser gemütliches 26-Buchstaben-Alphabet wechseln.

Alt, groß und unpraktisch: Sprengen wir doch Schönbrunn!

Nun - einerseits gelten die chinesischen Schriftzeichen hierzulande als eine der wichtigsten Grundlagen der Kultur. Eine Abschaffung und Ersetzung durch eine Buchstabenschrift empfände selbst der einfachste Einwohner Chinas in etwa so wie ein Wiener die Sprengung von Schönbrunn, dem Stefansdom und aller anderen älteren Häuser der Stadt sowie deren Ersetzung durch modernere, zweckmäßigere Bauten.

Doch dann gibt es dafür noch zwei ganz praktische, für uns leicht nachvollziehbare Gründe.

Grund 1: Schriftzeichen funktionieren wie Mathematik

Sehet her, liebe Leute:

12 x 5 = 60
(Ja, ich weiß, dafür hab ich Mathe studiert ... :P.)

Dieses mathematische Zeilchen funktioniert für uns Europäer ganz ähnlich wie die Schriftzeichen für die Chinesen.

Der bodenständige Wiener sieht das Zeilchen und hört vor seinem inneren Ohr etwas, das in etwa wie

"Zwööööfä moi Fiiinfä is Sechzg"

klingt, um hernach in angestrengtem, halbstündigem Schweigen ob der kalkulativen Verifizierung dieser gewagten Aussage zu versinken.

Der Engländer hingegen unterbricht angesichts
dieses Sätzchens nur kürzlich seinen 5-Uhr-Tee, liest dann

"Twelve times five equals sixty"

und lebt weiterhin glücklich in der wirren Überzeugung, britisches Essen wäre wohlschmeckend.

Der Finne wiederum schiebt sein Schmuse-Rentier zur Seite, um etwas wie

"Halunpinpää Kunkipäätääläätilanen Portuntuupipaan"

wahrzunehmen.
(Also ... jetzn nicht wirklich ... aber so ähnlich klingts sicher. Viele "ä" halt. Und lange Wörter.)

Würden unsere drei hypothetischen und so verschiedenen sympathischen Europäer ihre jeweiligen Sätzchen ohne Kenntnis der jeweils anderen Idiome mündlich den anderen zu vermitteln suchen - sie würden kläglich scheitern und darob in schier babylonischer Trauer versinken!

Obwohl also alle drei völlig Unterschiedliches aussprechen, verstünden sie einander doch alle sofort, würden sie schriftlich kommunizieren.

In China gibt es nun acht verschiedene Sprachen (die wir der Konvention halber unter dem Begriff "Chinesisch" zusammenfassen), die sich voneinander jeweils stärker unterscheiden, als Deutsch von Englisch. (Denn letztere zwei Sprachen sind zu 60% lexikalisch gleich, während beispielsweise Mandarin-Chinesisch und Kantonesisch nur 30% lexikalische Ähnlichkeit aufweisen.)

Ein Mensch aus Peking und einer aus Kanton können sich also in ihren jeweiligen Muttersprachen nicht miteinander unterhalten. Schriftlich allerdings ist das kein Problem, da ja im Chinesischen jedes Schriftzeichen auch einem Wort entspricht. (Wobei es natürlich auch Wörter gibt, die sich aus mehreren Schriftzeichen zusammensetzen.)

Im Falle einer Buchstabenschrift, könnte dieses Land also weder Fernseh-Untertitel, noch Zeitungen, noch Briefe noch sonst irgendeine einheitliche schriftliche Kommunikation aufrecht erhalten.

Grund 2: 420 Silben - ein Hoch auf die Homophone!
(Und ja, ich weiß, "Homophon" ist auch ein schwuler Männerchor aus Münster. Den meine ich aber nicht.)

Den zweiten Grund darf ich anhand des folgenden hübschen, chinesischen Geschichtleins beleuchten:



So weit so gut. Für die meisten von uns recht unverständlich, (übrigens größtenteils auch noch für den Autor dieser Zeilen, dessen Laune sich gerade deutlich verschlechtert hat :P), aber ansonsten nicht weiter auffällig.


Auch die Übersetzung lässt uns noch nicht an unserem Weltbild zweifeln:


In einem steinernen Raum gelüstete es einem Dichter-Gelehrten aus der Familie Shi nach Löwen; er schwor, er werde zehn Löwen essen. Von Zeit zu Zeit begab sich besagter Gelehrter in die Stadt und hielt nach Löwen Ausschau. Um zehn Uhr begab es sich, daß sich zehn Löwen auf den Weg in die Stadt machten, und es begab sich, daß sich auch der Gelehrte Shi eben um diese Zeit auf den Weg in die Stadt machte. Er sah die zehn Löwen, vertraute auf die Macht seiner Pfeile und brachte diesen zehn Löwen den Tod. Er sammelte die Leichen der zehn Löwen auf und begab sich in sein steinernes Zimmer. Das steinerne Zimmer war feucht, er ließ das steinerne Zimmer von einem Diener aufwischen. Als das steinerne Zimmer gewischt war, schickte er sich an, die zehn Löwenleichen zu essen. Während er aß, begann ihm bewusst zu werden, daß diese zehn Löwenleichen in Wirklichkeit zehn steinerne Löwenleichen waren.

Doch jetzt lasst mich Euch enthüllen, wie dies transkribiert aussähe - in unsere doch völlig angemessene Schrift aus 26 Buchstaben:


Shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi
shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi
shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi
shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi shi
shi shi shi shi shi shi

Auf diese Art geschrieben, steht hier selbst der geduldigste Chinese vor einem gröberen Problem. In chinesischen Schriftzeichen hingegen könnte er diese alte Fabel problemlos lesen. Mit nur 420 unterschiedlichen Silben ist das (Mandarin-)Chinesische nun mal eine Sprache mit großem Homophonie-Problem.


Folglich ...


Abschließend verbleibt mir noch zu bemerken (bevor ich mir zum Abendessen eine wunderbare Nudelsuppe reinschiebe): "Rechtschreibung" ist etwas, das es im Chinesischen gar nicht gibt. Ist ja auch klar: Denn wenn ein Zeichen einem Wort entspricht, gibt es auch keine Probleme mit "ie", "ss" oder ähnlichen gemeinen Dingen, die Chinesen beim Erlernen einer europäischen Sprache zur Verzweiflung bringen - und nicht selten auch zur Feststellung veranlassen:



"Warum haben die Europäer denn so eine komplizierte Schrift?

Dienstag, 2. Dezember 2008

Warum ist das so?

Jede Woche, von Montag bis Freitag, besuche ich zwanzig Stunden Vorlesungen, aufgeteilt auf vier Fächer mit Fokus auf Schreiben, Lesen, Sprechen und Hörverständnis. In jedem dieser Fächer lernen wir neue Vokabeln und Schriftzeichen, die ich vor der jeweiligen Stunde lerne – zusätzlich gibt es noch Aufgaben zu erledigen und Grammatik zu verstehen. Pro Woche investiere ich etwa 35 – 40 Stunden in das reine, formale Erlernen der chinesischen Sprache.

Darüber hinaus treffe ich mich jeden Montag und Donnerstag um 20.30 Uhr mit Li Nan, meiner Sprachpartnerin, und arbeite üblicherweise jeweils etwa zwei Stunden lang. Dabei konzentriere ich mich vorwiegend darauf, möglichst viel aktiv zu sprechen und die Dinge, die sie sagt, zu verstehen. Außerdem hilft sie mir bei Fragen und Problemen.

In den hiesigen Buchgeschäften gibt es eine unglaubliche Auswahl an Lernmaterialien. Neben jenen vier Lehrbüchern, die Grundlage für das Level C sind, habe ich weitere Arbeitsunterlagen besorgt, in denen ich immer wieder herumblättere und schmökere.

Jedes der neuen Vokabel schreibe ich sowohl in ein Heft, um sie alle an einer Stelle zu sammeln, sowie auf separate Kärtchen, um mich besser abprüfen zu können.
Jedes der neuen Schriftzeichen wird aus dem gleichen Grund in eine Liste aufgenommen und ebenso auf ein Kärtchen geschrieben. Der Arbeitsaufwand dafür ist enorm.

Auf dem Nachtkästchen neben meinem Bett liegen zwei Romane zeitgenössischer chinesischer Autoren („The Blood Merchant“ von Yu Hua und „Waiting“ von Ha Jin), und weitere warten schon darauf, gelesen zu werden. Außerdem liegen dort jeweils ein Fachbuch zur chinesischen Geschichte und Kultur und eines mit historischen Hintergründen zu und wissenschaftlichen Analysen der chinesischen Sprache.

In meinem Buchregal stehen frisch gekaufte Bücher zu den Themen Kalligraphie und chinesische Malerei sowie eine Unmenge an lokalen Reiseführern, Atlanten und Straßenkarten. Direkt darunter liegt mein Kalligraphie-Werkzeug, mit dem ich hin und wieder ungeschickte Versuche unternehme. An der Wand über meinem Bett hängt eine große China-Landkarte.

Neben meinem Schreibtisch stehen mehrere CDs mit klassischer chinesischer Musik, außerdem lerne ich zurzeit einen süßlichen taiwanesischen Popsong auf der Gitarre zu spielen und zu singen.

In einem mitgebrachten chinesischen Kinderbuch kann ich mittlerweile schon einiges verstehen; das großartige Buch von Yu Hua plane ich noch einmal zu kaufen – im chinesischen Original. Als großes Ziel habe ich mir gesetzt, es irgendwann noch einmal zu lesen. Auf Chinesisch. Dafür muss ich mindestens doppelt so viele Schriftzeichen und Vokabeln beherrschen wie jetzt.

All dies tue ich nicht aus Gewissenhaftigkeit oder weil ich ein elender Streber bin – sondern weil es mir Spaß macht. Weil das Lernen dieser Sprache und das Kennenlernen dieser Kultur momentan sowohl meine Arbeit als auch meine Freizeit ist, sowohl meine größte Aufgabe als auch mein liebstes Hobby.

Hätte ich mich mit nur halb so viel Enthusiasmus meinem Astronomie-Studium gewidmet, wäre ich wahrscheinlich ein sehr guter Astronom geworden.

Ich wüsste gerne, warum das so ist …

Samstag, 29. November 2008

Thanksgiving mit Stäbchen

"Thanksgiving", das amerikanische Erntedank-Fest, ist eine große Sache in den USA und wird traditionell am vierten Donnerstag im November zelebriert. Ein Faktum, das mir, erstens, bislang unbekannt war, was mich allerdings, zweitens, auch nicht daran gehindert hat, ein erfülltes Leben zu führen. Außerdem sind wir ja in China, weshalb also soll uns diese Information jucken?
Nun ... es ist ja so, dass in meiner Sprachklasse eine relativ starke US-amerikanische Delegation zu finden ist. Und diese wurde in den letzten zwei Wochen von einer mir zunächst unerklärlichen kollektiven Aufregung heimgesucht, die ich ansonsten nur bei Kleinkindern in der Vorweihnachtszeit beobachten kann. Bald wurde mir klar, dass der Grund dafür ein für den Thanksgiving-Abend geplantes traditionelles Dinner war. Dieses erforderte offenbar umfangreiche Vorbereitungen und sorgte somit für ein gewisses festliches Gebrumm in der Klasse.

Meine amerikanischen Mitstudenten sind unfaire, grausame Leute. Gerade als ich mich so richtig schön benachteiligt, einsam und ausgeschlossen fühlen wollte, wurde ich hinterrücks zu diesem Dinner eingeladen.

Vorgestern fand es statt - etwa fünfzehn reizende junge Leute nahmen daran Teil, ich war einer von insgesamt drei Nicht-Amerikanern. Und so begab es sich, dass ich das erste Thanksgiving-Fest meines Lebens ausgerechnet in China absolvierte. Laut Originalton meiner Kollegen das "traditionellste, das sie jemals abgehalten hatten": gefüllter Truthahn, Pumpkin-Pie, karamelisierte Süßkartoffeln und eigens importierte Thanksgiving-Dekoration inklusive. Zusätzlich fand das Dinner in der funkelnagelneuen gemeinsamen Privatwohnung zweier Klassenkolleginnen statt, die ebenfalls ausgesprochen westlichen Flair verbreitete.

Doch trotz all dieser ambitionierten Amerikanisierung ... so ganz verleugnen konnte dieses spezielle Dinner den östlichen Einfluss seiner Umgebung nicht. Aber seht selbst.

Die kleine, amerikanische Gemeinschaft vor dem ebenso festlich wie geschmackssicher mit Plastik-Erntedanktischtuch und Papiertruthahn geschmückten Tisch. Im Hintergrund ebenso zu sehen der verführerisch duftende 20-Kilo-Truthahn.



Es stellte sich bald heraus, dass keiner der anwesenden Gäste Erfahrung im Zerteilen eines solchen Brontosauriers mit Flügeln hat. Flugs war aber dankenswerterweise Nick LaPierre zur Stelle - der McGyver unter meinen Freunden. Denn er verfügte über ein Buttermesser, mit dem sich so ein Truthahn doch sicher elegant zerteilen ließe.

Im Handumdrehen und mit Verve verwandelte er so den prächtigen Vogel in ein Schlachtfeld.


Aber essen tut man ja nach wie vor mit dem Mund, und der ist sichtlich begeistert. So fand der vermutlich erste mit Stäbchen verzehrte Thanksgiving-Truthahn der Welt in unseren Mägen seine letzte Ruhestätte. Amen.