Donnerstag, 30. Oktober 2008

这是我第一个中文 Post!

最大的问题是, 我不知道什么写 :P.

Anyway ... have a good week-end everyone! I have to learn for my exams Monday and Tuesday.

Sonntag, 26. Oktober 2008

Kunshan: Bierbauch und buddhistische Unterhosen

Meine Ideen lassen sich ja generell in eine von zwei Kategorien einordnen: die schlechten und die unpraktischen. Hin und wieder gelingt mir aber ein Einfall, der beides kombiniert: Er ist kompliziert in der Umsetzung, stellt sich dafür aber bald als ziemlich idiotisch heraus. Und in der Anfangsphase schien es, als wäre meine Idee, nach Kunshan zu fahren, eine letztere solche gewesen.

Alle Wege führen nach Rom - und keiner nach Kunshan ...
Kunshan ist eine kleinere Kreisstadt in der Nähe von Zhouzhuang - oder eigentlich ungekehrt, denn Zhouzhuang gehört zum Verwaltungsbezirk Kunshan. Obwohl die Stadt also ganz in der Nähe von Shanghai liegt, fährt absolut niemand hin. Mich reizt so etwas. Denn es bedeutet, dass es dort vermutlich recht untouristisch und folglich auch ziemlich original-chinesisch zugeht. Also beschloss ich, diesen Ort aufzusuchen, dort eine Nacht zu verbringen und herauszufinden, wieso man nie etwas davon hört.

... doch dafür ist man schnell dort.
Obwohl Kunshan etwa genauso weit von Shanghai entfernt ist wie Zhouzhuang, benötigt der Zug zu ersterem Ziel nicht ganz jene vollen zwei Stunden der Busfahrt zu zweiterem. Um genau zu sein, war ich nach 18 Minuten da. Dies liegt daran, dass das Städtchen an der Strecke Shanghai-Nanjing liegt, die von einem der hypermodernen Hochgeschwindigkeitszüge befahren wird, die mit 220 km/h dahinbrausen. Der Komfort dieser fast lautlos dahingleitenden Gefährte ist schwer zu beschreiben und man möchte gar nicht mehr aussteigen. Doch bei einer Strecke von etwa 60 Kilometern zahlt es sich kaum aus, sich hinzusetzen.

Jaja, ich hör' eh schon auf zu quatschen ...
In der Stadt angekommen, glaubte ich zunächst, endlich ergründet zu haben, wieso außer mir zwar alle nach Hangzhou oder Suzhou - niemand aber nach Kunshan fährt: Es ist stinkschiach.

Dachte ich zumindest. Zum Glück stellte sich das bald als vollkommener Irrtum heraus. Doch sehet selbst:


Die Reise beginnt in der entspannten Atmosphäre des Shanghaier Bahnhofs. So sieht eine der dutzenden Wartehallen außerhalb der Reisesaison für einen Zug an ein nicht besonders populäres Ziel aus. Beim Check-in in den Bahnhof und der anschließenden Durchleuchtung ist natürlich noch viel mehr los.

In Kunshan angekommen, begrüßt mich zunächst ein Sex-Shop ("Mann-Frau-Beziehungszubehör" im Chinesischen), und dann obiges reizvolles Flußpanorama. Ich frage mich, warum ich nicht einfach wie alle anderen auch zu den schönen Zielen der Umgebung fahre.


Die Hotelsuche ist schnell erfolgreich: Nur 14 Euro kostet das Zimmer mit Live-Sound von der befahrenen Hauptstraße. Die Dusche ist nur mäßig verschimmelt, und man hat zahlreiche Wahlmöglichkeiten: entweder zögerlich tröpfelndes Warmwasser oder ein kräftiger, eiskalter Strahl.

Die Chinesen schätzen ja die Kunst der Vermehrung. Und so gibt es im Hotel neben Shampoo, Seife und Einmal-Zahnbürste auch Aphrodisiakum. Natürlich fein säuberlich nach Geschlechtern getrennt - für den müden Mann und die fade Frau. Fast bekomme ich Lust, jenes für die Frau einzunehmen, um zu prüfen, ob ich dann schwul werde.


Doch bereits mein erster Spaziergang versöhnt mich: Kunshan ist eine freundliche, blitzsaubere und auch schöne Stadt, in der man hervorragend einkaufen kann. Ich erstehe wunderbares Kalligraphie-Zubehör und sogar eine ausgesprochen fesche Hose und Jacke um 20 Euro. Noch etwas fällt auf: Als Westler erregt man nur freundliche Neugier, bekommt aber nicht wie in den Touristenzielen alle drei Schritte "Watches", "Handbags" oder "Lady! Massage!" angeboten. Ich erfahre, dass Kunshan der wohlhabendste Verwaltungsbezirk Chinas ist. Und das merkt man auch.


Um Schreiben zu können, scheue ich keine Kosten und Mühen: Ich erstehe nichts geringeres als das "bequemste Heft, mit dem ich je zusammengestoßen bin".

In dem selben Buchgeschäft, in dem ich obiges Sensations-Heft erwerbe, sind die einzelnen Themenbereiche sogar auf Englisch angeschrieben. Das ist fein. Denn sollte ich jemals mein Interesse an dem weitreichenden Fachgebiet der "Odd Flake Chance" entdecken: Kunshan hat zu diesem Thema ein reichhaltiges Sortiment.


Die Auswahl mancher hochspezialisierter Abteilungen ist hingegen eher überschaubar. Wie beispielsweise diese hier. Aber das richtet sich ja auch an ein ausgesprochen anspruchsvolles Nischenpublikum.


Mein Spaziergang führt mich weiter in den Norden der Stadt. Dort stoße ich unvermittelt auf den wunderschönen, großen "Tinglin"-Garten, ein riesiges, geschlossenes Gebiet, das in der Tradition der chinesischen Gärten sowohl kunstvoll arrangierte - und mit Statuen, Ziersteinen und Gewässern versehene - als auch "ungezähmte" Natur umfasst.


Dort gibt es auch einen Berg mit großartiger Aussicht sowie allerlei antiken Bauwerken, den ich natürlich sofort erkraxle.


Sogar ein sehr geschmackvolles Museum entdecke ich - und erröte vor Scham. Muss ich doch erst hier erfahren, dass Kunshan der Geburtsort der Kunqu-Oper ist. Dies nicht zu wissen mag ja noch angehen. Aber dass ich der "Kunqu" bloße Existenz nicht einmal ahnte, ist schon etwas peinlicher - ist sie doch die Mutter aller klassischen, chinesischen Opern, zu denen beispielsweise die Guangdong-Oper, die Sichuan-Oper oder - die unter Europäern bekannteste Form - die Peking-Oper gehören.


Nach dem auch akustisch durchaus anspruchsvollen Museumsbesuch, kommt mir ein Teehaus wie gerufen. Es gehört einem reizenden älteren Ehepaar, das mir hervorragenden Drachenbrunnen-Tee kredenzt. Inklusive Wasser nach Belieben, in der im üblichen geschmackssicheren chinesischen Design gehaltenen Thermoskanne. Die alte Dame des Hauses interessiert sich sehr für meine Chinesisch-Studien; doch nach einem ebenso angeregten wie netten Gespräch genieße ich auch gerne die an diesem regnerischen Tag friedliche Umgebung - und schreibe sogar ein Lied, das nicht allzu schlecht ist.


Es ist schwer zu verstehen, warum sich in Shanghai tausende Touristen um einen einzigen Tempel prügeln - während hier in Kunshan ein riesiger solcher steht, der mindestens ebenso schön, allerdings vollkommen frei von Menschen ist. Mit Ausnahme einiger Mönche und einiger buddhistische Gebete praktizierender Einheimischer bin ich der einzige Besucher - und genieße vollkommen ungestört von Menschen, Keilern und Souvenierverkäufern die dort wirklich würdevolle Ruhe des heiligen Platzes. Dabei entdecke ich auch viel Wissenswertes über das Leben im Tempel ...

... wie beispielsweise, dass auch der buddhistischen Mönch seine Kutte waschen muss, und die Unterhose seines Vertrauens zum bewährten Modell "Feinripp Maxi" gehört. Da fällt das enthaltsame Leben leicht.

Doch nicht nur der Einkehr und Ruhe will gefrönt sein. Spätabends erkunde ich das lebendige Nachtleben von Kunshan. Beim einem langen Gespräch in einer Bar bemerke ich erstaunt, dass mein Chinesisch offenbar doch schon zum Plaudern ausreicht.
Irgendwie beschleicht mich aber auch das Gefühl, dass ich nicht der erste Europäer bin, den es nach Kunshan verschlägt. Schön, dass auch die Chinesen sich das beste aus unserer Kultur aneignen.

Freitag, 24. Oktober 2008

Und es bewegt sich doch!

Ja, wenn es um die Integration neuester Technologien in meinen Alltag geht, war ich immer schon unter den anführenden Speerspitzen der ... äh ... Vorhut. So besaß ich schon kurz nach Erfindung der CD ein Grammophon, und nach der Markteinführung des Mobiltelefons verging kaum ein Jahrzehnt und - zack - schon hatte ich eins.

Wen wundert's da, dass ich heute hier ein Multimedia-Erlebnis der Sonderklasse präsentieren darf - speziell zu Ehren meiner lieben Stammposter Etosha, Rudolfottokar, Nikerl, Vronella und Mathilde: ein Filmchen!

Dieses dokumentiert auf packende Weise ein paar Sekunden live aus dem chinesischen Vorlesungs-Alltag, der sich ja nach wie vor stark auf das gemeinsame Aufsagen und Auswendiglernen stützt.

Viel Spaß mit Professor Zhang und ihren fidelen Studenten - vom Anfang der gemeinsamen Vokabelübung bis zum abrupten Ende, als sie meine filmischen Aktivitäten entdeckte. (Denn bei Copyright-Verletzungen wird in China bekanntermaßen hart durchgegriffen.)

Mittwoch, 22. Oktober 2008

SEHR lustig, liebes Schicksal! :P


Dies ist das eintausendste Zeichen, das ich heute erlernte. Man liest es "diu".
Es bedeutet "verlieren".
Ich hasse Orakel.
(Aber dafür habe ich gestern bei der Suche nach Bluetack (den ich natürlich nicht fand) ganz zufällig bei Walmart haufenweise Gummiringerln entdeckt. Ganz normal, bei den Büromaterialien. Das werde ich bei meinem nächsten Grenzgang mal gegenüber dem Walmart-Verkaufspersonal beiläufig erwähnen.)

Dienstag, 21. Oktober 2008

Das eintausendste Zeichen!

Ich war ja immer der Überzeugung, es wäre unmöglich, eintausend so komplizierte Strukturen, wie es chinesische Schriftzeichen sind, auswendig zu kennen. Schon für normale Menschen. Ganz zu schweigen von mir.

Als ich daher begann, mir die chinesische Schrift anzueignen, setzte ich mir als erstes Ziel, einhundert Zeichen zu erlernen; und das klang schon viel. Mein anfängliches Lerntempo betrug etwa zwei bis drei Stück pro Woche. Als ich allerdings die 100 Stück beherrschte, erwachte der Ehrgeiz in mir und ich setzte mir als nächstes logisches Etappenziel 412 Schriftzeichen. Dies kostete mich etwa ein Jahr; doch mein Lerntempo steigerte sich stetig, und so war ich am Ende imstande, mir etwa zehn neue Zeichen pro Woche beizubringen. (Anm. d. Autors: momentanes Lerntempo: ca. 20 Stück pro Tag)

Also fasste ich einen großen Entschluss: Ich wollte irgendwann einmal 1.000 Stück beherrschen - die offizielle Grenze zwischen Analphabetismus und Lese-Beherrschung. Sollte ich dies schaffen - so orakelte ich -, würde mir das eintausendste Zeichen etwas über mich selbst verraten.

Gesagt getan, ich führte fleißig Buch über jedes einzelne gelernte Schriftzeichen - und meine aktuelle Zählung ergab: Ich beherrsche mit dem heutigen Tag genau 999 Stück.

Morgen ist es also soweit - ich werde mein eintausendstes Zeichen erlernen. Ich bin schon gespannt, welches es sein wird.

Sonntag, 19. Oktober 2008

The Art of Calligraphy

Following countless requests (= three) for an English Blog entry, here goes. Your wish is my command, dear Chinese and other non-German speaking friends: this is my first (and presumably only) entry in English. It will deal with a fascinating subject: The Art of Calligraphy - and its nemesis: me.

The Beauty of Writing - or: Me Wanna Buy Funny Things
I have always been attracted to all things written. All the more so, if done in Chinese characters. But I am positively overjoyed when these are written in a beautiful way. This we call calligraphy: we admire the daring strokes, the harmonious composition, the dynamic hand - while radiating our utter ignorance of what this is actually all about to the world in general.

To find out, on a fine summerly day like today, I ventured into Fuzhou Street, the kingdom of all things reading and writing, and into one of the countless shops that sell everything needed to practise this ancient art form with a history of over 2,000 years. Ever since back then, the Chinese people had had, of course, lots of time to conceive really difficult ways of bringing content onto paper. So even nowadays, as a serious adept of calligraphy, you certainly need more than a pencil and a scratchpad.

More precisely, one needs a special brush, an ink-stone to grind the ink, and the ink itself which comes in ornate sticks and needs to be ground to perfection on said stone, before being ready to use. (This also has the additional advantage of adding yet another difficulty to what is already an incredibly demanding skill. Starting off with ink that is either too thick or too thin can ruin all efforts before even starting to write.) Finally, one needs special paper - the most famous of which is produced in Zhejiang, the province just south of Shanghai, and a woolen cloth to spread underneath the paper to assist flawless ink distribution on the paper.

It's really difficult. Honest.
Real calligraphers can choose between hundreds of different kinds of brushes made of the hair of various animals, such as sheep or wolf. They employ dozens of different techniques of creating one of - again - dozens of different kinds of single strokes, to build from these the tens of thousands of different Chinese characters in one of the five big calligraphic styles (Seal Script, Clerical Script, Standard Script, Running Script and Grass Script). Even learning to do the basic strokes - we are talking one single line on a piece of paper - correctly and in an aesthetically pleasing way can take months to accomplish. To master the whole art of Calligraphy, including the shapes of the actual strokes, composition of the strokes within a character, the character in relation to its neighboring characters, the arrangement of all the characters on the piece of paper, plus the content and its relation to the individual characters - mastering all this takes one lifetime and more. Master calligraphers will study ancient calligraphy for years, will copy one piece of text for weeks and carefully mold one single character for hours.

And then there's me.

I went to this shop, bought an expensive wolf-hair medium-sized brush, a beautifully carved grinding stone, one ink-stick and a pack of allegedly good-quality paper, went back to my room, and without even knowing anything about the correct way to produce a certain stroke, just went at it.


My very own set of calligraphic gadgets: a wolf-hair brush (quite firm, so it doesn't store too much ink and is easier to control - perfect for beginners), resting on the grinding stone. To the left of the stone is the ornate case of the ink-stick which itself can be adored in all its splendour lying on a napkin (to keep it dry). To the lower right, behold the calligraphic paper (Huzhou-type) on top of my calligraphic woolen cloth.

Firstly, we grind the ink. This is a very meditative process. While employing gentle pressure and shifting the stick in circular motions within some drops of water on the smooth grinding stone, one can think about the aesthetic implications of transcending ethnic values into the written word via brush strokes. Or about the pain slowly building up in your forearm.

While overcoming a severe pang of Horror Vacui, the artist now emotionally and psychologically prepares for his intellectual explorations in the realm of mere aesthetic pleasure.

Lo and behold: The first stroke is done! So may this celebration of art in its purest form commence!

Umm ... and may the Chinese people in general forgive me ...

Donnerstag, 16. Oktober 2008

Aus dem Leben eines Grenzgängers: Operation Gummiringerl

Wir haben es nicht einfach, wir Abenteurer des 21. Jahrhunderts: Fast alles wurde heutzutage schon gemacht. Kaum eine ungastliche Wüste dieser Erde, die nicht bereits im Alleingang bewältigt, kaum ein Gebirge, das nicht auf Skiern in Badehose überwunden und kaum eine Steppe, die nicht hüpfend im Handstand Halleluja-singend durchquert wurde.

Was bleibt da noch, frage ich, Menschen wie mir, die stets die Extreme suchen und hier, in China, an ihre persönlichen Grenzen gehen wollen? Die Antwort traf mich heute Morgen wie ein Blitz:

Ich werde Gummiringerln kaufen!

In China. Im Alleingang. (Aber nicht im Handstand. Alles hat seine Grenzen. Auch Grenzgänger.)

Die Ausgangslage: Der Kärtchenturm
Es ist nämlich so, dass sich die Kärtchen, auf welche ich meine bereits gelernten Schriftzeichen schreibe, langsam zu bedrohlichen Türmen aufhäufen. Und vermittels Gummiringerln plante ich, der Schwerkraft drohend’ Plumps Herr zu werden.

Die Planungsphase: Erste Hindernisse
Die Schwierigkeiten begannen bereits in der Planungsphase der Unternehmung: Welche Art von Geschäft beschäftigt sich hierzulande mit dem Gummiringerlhandel? Eine gleichwohl berechtigte wie knifflige Frage, die ich – ehrlich gesagt – nicht einmal für mein schönes Heimatland beantworten könnte.

Doch fragen gilt nicht, schließlich wollte ich die Mission im Alleingang bewältigen.

Also entschloss ich mich, einen Superstore aufzusuchen, in dem es wirklich alles gibt, denn – so dachte ich – wo es alles gibt, da dürfen auch Gummiringerln nicht fehlen.

Der Superstore des Geschehens: Wo-Er-Ma
Ein kluger Gedanke. Doch bereits nach Erreichen des Schauplatzes meiner ultimativen Herausforderung wurde mir schlagartig bewusst, was ich nicht berücksichtigt hatte. Denn selbst bei sorgfältigster Planung ergeben sich bei solchen Unternehmungen im extremsten Bereich des menschlichen Erlebens unvorhergesehene Schwierigkeiten. Damit muss man rechnen, das gehört einfach zu den Risiken bei einem Leben am Limit. Das Hindernis, das sich nun vor mir auftat – wie ein Drache, der dem tapferen Helden, der auszog, das Ungeheuer zu bezwingen, schwingenschlagend und hohnlachend feuerspeiend mit einem Schlag seines mächtigen Schweifes die Sinne raubt – war von wahrlich furchterregendem Ausmaß.

Denn „Alles“ hat die unangenehme Eigenschaft, ziemlich viel zu sein. Und „ziemlich viel“ braucht auch große Mengen an Platz. Daraus wiederum folgt, dass ein Geschäft, das alles hat, auch sehr groß sein muss. Und das ist es auch.

Leider habe andererseits ich die unangenehme – und für einen Helden unserer Zeit ausgesprochen hinderliche – Eigenschaft, viel Platz dafür zu nützen, mich effizient darin zu verlaufen. Oder im Fall eines Geschäfts, in dem es alles gibt und in dem ich nach einem bestimmten Artikel suche, tatsächlich alles zu finden.

Außer Gummiringerln, wie sich bald herausstellte.

Weitere Hindernisse: Kommunikativer Breakdown
Zum Glück beherbergt der Superstore namens „Walmart“ (oder „Wo-Er-Ma“ in chinesischer Transpiration) einen fulminanten Reigen hochmotivierten Fachpersonals, den zu befragen ich als nächstes die Entscheidung traf.

Nun gehört das chinesische Wort für „Gummiringerl“ leider nicht zu meinem aktiven Standardvokabular. Hier zeigt sich aber wiederum die jahrhundertelange Erfahrung eines geübten Abenteurers: Immer die richtige Ausrüstung mitzuhaben, kann bei Expeditionen überlebenswichtig sein. Und obwohl ich generell dringend davon abrate, meine Unternehmungen ohne professionelle Sicherheitsvorkehrungen zu Hause nachzuvollziehen – eines muss man in der Wildnis auf jeden Fall beachten: Nie ohne ein Chinesisch-Wörterbuch außer Haus gehen! (Und ohne Taschentücher. Falls man niesen muss.)

Die Erlösung? - Chinesisches Fachpersonal
So fragte ich also souverän nach einem „Xiangpijin“ – und erntete einen ebenso souverän verdutzten Blick. Außerdem kam weiteres Fachpersonal hinzu. Nachdem das Berater-Grüppchen auf eine ansehnliche Größe angewachsen war, bot sich mir die seltene Gelegenheit, ein in freier Wildbahn ganz selten gewordenes Schauspiel mitzuverfolgen: kollektive Ratlosigkeit chinesischer Walmart-Verkäufer. Bei diesem possierlichen Vorgang versucht jeder der herbeigeeilten Berater, die anderen während einer lebhaften Diskussion an Lautstärke zu übertreffen, während gleichzeitig mit Hilfe starker ritueller Gestik und genau kalkulierten Schrittfolgen die Tatsache geschickt zu verbergen gesucht wird, dass niemand wirklich von irgendetwas eine Ahnung hat.

Nach Minuten des Staunens löste ich die Walmartsche Entsprechung eines gordischen Knotens durch unter-Beweis-Stellung meiner kompetenten Beherrschung des lokalen Idioms: „You ma?“ (bedeutet in etwa: „Gibt’s des überhaupt do?“) fragte ich also in die munter wogende und gestikulierende Gruppe hinein. Kurzes Stutzen. Zartes Staunen. Großes Oh-en, lautes Ah-en. (Ja, der West-Mensch spricht drei Worte Chinesisch.) Dann endlich die erlösende Antwort: „Meiyou“. (etwa: „Naaa!“)

Und so kommt’s, dass die blöden Kärtchen auf meinem Tisch immer noch dauernd durcheinanderfallen, wenn ich einmal ein bissl anstoße. Leben am Limit is oasch.

Dienstag, 14. Oktober 2008

Zu viel Arbeit

Es ist ja im Leben nie immer alles nur lustig, und so begab es sich, dass wir heute erfuhren, wir hätten in zwei Wochen die große Abschlussprüfung für das Level B. Danach steigen wir ins nächset Level auf - oder eben nicht. Diese Prüfung dauert drei Tage lang und besteht aus mehreren Teilen, die die verschiedenen Aspekte der Sprachbeherrschung abtesten. Die nächste solche Prüfung folgt dann Mitte Jänner.

Das Spannende daran: Noch einen Tag vor der Prüfung wird neuer Stoff gelehrt, denn es stehen noch sechs Kapitel im Lehrbuch an.

Was ich als naiver Europäer nun nicht verstehe ist: Wann genau soll man dann für die Prüfung lernen? Natürlich lerne ich ständig brav mit, was täglich im Schnitt vier Stunden in Anspruch nimmt, und so falle ich des Abends eben auch meistens müde aber glücklich ins Bett. Doch mein momentaner Arbeitsaufwand reicht gerade aus, um den jeweils neu durchgenommenen Stoff einmal gründlich durchzugehen sowie die Hausübungen zu machen und den nächsten Tag vorzubereiten. Wann genau ich die bisher gelernten 300 neuen Zeichen, 600 Vokabel und 200 Seiten Grammatik wiederholen, kritisch hinterfragen und üben soll, ist mir ein bisschen schleierhaft.

Natürlich wird das schon irgendwie gehen ... aber meine ursprünglichen Reisepläne müssen angesichts dessen wohl ziemlich adaptiert werden. Ein bisschen weniger Stoff wäre schön ... aber ich denke, wenn man schon nach China geht, dann muss man sich eben auch den chinesischen Lerngewohnheiten anpassen. Urlaub ist das jedenfalls keiner.

Das sei nur zum Trost all jenen gesagt, die angesichts meiner vergangenen so enthusiastischen Posts denken, ich mache mir hier einen Lenz ;-). Und es soll auch als Erklärung dafür dienen, falls ich online in nächster Zeit nicht mehr ganz so präsent bin wie bisher. Bin wieder busy.

Sonntag, 12. Oktober 2008

Zhouzhuang - es gibt das alte China DOCH noch!

Ich bin ja unter anderem auch hier, um meine Grenzen zu verschieben, was ich heute im Rahmen eines beschaulichen Sonntags-Ausflugs einmal wieder tun konnte. Und zwar nicht nur, weil ich an einem Sonntag freiwillig um 7.30 Uhr aufstand - sondern vor allem, weil ich erstmalig alleine in ein chinesisches Dorf aufbrach, das weder mit Zug noch mit Flugzeug zu erreichen war. Ich war also gezwungen, einen Überlandbus zu nehmen, und das tun nicht viele Westler, da dafür Chinesisch-Kenntnisse eigentlich unerlässlich sind.

Clemi allein im Bus
Den Bahnhof für Fernbusse muss man sich eher wie einen Flughafen vorstellen - von gigantischer Größe, unfassbare Menschenmassen und riesige Wartehallen. Selbstverständlich sämtliche Beschriftungen nur in Chinesisch und das Personal auch nur dieser schönen Sprache mächtig. Und genau DAS war es, was ich mit Grenzen verschieben meine - denn es ist schon ein wenig gruselig, sich als einziger von allen Seiten angestarrter West-Mensch mitten in die Scharen an Bauern, Wanderarbeitern - aber auch chinesischer Städter aus allen Teilen Chinas zu begeben, um ein kleines Örtchen irgendwo im Nirgendwo zu erreichen.

Zhouzhuang ist eines der für das südliche Jangtse-Delta typischen Wasserdörfer, die von Kanälen durchzogen und völlig autofrei sind. Es liegt etwa 70 Kilometer von Shanghai entfernt, die winzigen, klapprigen Busse benötigen für diese Entfernung allerdings über zwei Stunden.

Endlich raus
Spannend war diese Fahrt aber nicht nur wegen des beengten Gescheppers mitten durch die chinesische Pampa. Sie war es auch, weil ich nicht wusste, ob es mir vor Ort gelingen würde, durchaus notwendige Operationen vorzunehmen, wie beispielsweise herauszufinden, wann der letzte Bus nach Shanghai zurück fährt, wie und wo ich ein Ticket kaufen würde - und schließlich hatte ich keine Ahnung, ob es Pläne des Ortes gab oder wie ich mich sonst orientieren soll.

Um es kurz zu machen: Es hat alles wunderbar geklappt, vor Ort hat mich sogar mein Sitznachbar aus dem Bus - ein älterer Chemiker auf Dienstreise - freundlich dabei unterstützt, das Ticket zu besorgen ... und die Reise war alle anfänglichen Unsicherheiten mehr als wert! Zhouzhuang ist der schönste Ort, den ich bisher in China besuchen durfte. Denn fast ungläubig konnte ich feststellen: Es gibt sie tatsächlich - die uralten, unberührten und friedlichen (!) chinesischen Örtchen, die so aussehen, wie man sich China unter Aufbietung aller Klischees vorstellt.

Vom Marchfeld in die Wachau
Dabei beginnt die Fahrt eher unspektakulär, denn Shanghai ist ein Stadtstaat. Und wenn man so durch das Bundesland Shanghai, also die Umgebung der eigentlichen Stadt, fährt, könnte man denken, ganz China ist eine einzige Baustelle - Bauschutt, Kräne, Bagger, dazwischen höhere und weniger hohe, auf jeden Fall aber nicht besonders schöne Häuser. Dann noch der eine oder andere hoffnungslos veschmutzte und unfassbar stinkende Kanal und ein paar dazwischen eingezwickte Felder. Man muss sich das als eine Art Marchfeld mit vielen Schutthaufen vorstellen.

Doch kaum überquert man die Grenze zur Nachbarprovinz Jiangsu ändert sich das Bild: Plötzlich wird es grün und sauber - die endlose Siedlungsfläche geht in tatsächlich voneinander trennbare Orte und landwirtschaftliche Flächen über - es gibt hübsche Teiche, endlose Reisfelder, kleine Bambuswäldchen und richtig nette Städtchen.

Fast schon kitschig: Zhouzhuang
Nähert man sich Zhouzhuang, wird es geradezu kitschig-entzückend. Das Jangtse-Delta ist ja ein ungemein feuchter Ort, also hat man es hier mit Seen, Kanälen und generell vielen Wasserflächen inklusive kleineren und großen Booten und Schiffen sowie Brücken zu tun. Und Zhouzhuang selbst versetzt einen zurück in eine Zeit der chinesischen Geschichte, von der ich nach fünf China-Besuchen dachte, es gibt heute keine Reste mehr davon. Gut - war natürlich naiv von mir, da ich mich bisher noch nie aus den großen Städten hinausgerührt habe, aber man gönne mir meine kindliche Begeisterung!

Bevor nun also der gewohnte Bilderreigen losgeht, zur Einstimmung noch ein paar kurze Fakten, die sehr einfach durch Scrollen übersprungen werden können. Ich übernehme sie wörtlich aus dem auf Englisch (!) zur Verfügung stehenden Prospekt, den ich vor Ort von einem alten Bauern erstanden habe:

"Zhouzhuang's history can be dated back to over 900 years old. Zhouzhuang is the home of the famous Chinese Writer. And the ancient cwtural town in Soun China in the first region of rivers ang lakes in china. The town in surrounded by water with many branching steams. Visitors from all over the world are intoxicated by its wnique scenery, which is formed by lanes, alleys, meandering steams, stone bridges and old residence with black tiles and white well."

Und es stimmt jedes Wort.

Nun aber die Fotos ...


Die Fahrt in dem kleinen Bus ist von großem Lokalkolorit geprägt: Was man so braucht, wird mitgeführt - und wenn's zu voll ist, werden kleine Plastikhocker verteilt, auf welchen man zwei kauernde Stunden im schmalen Mittelgang verbringen kann.

Ab hier gibt's keine motorisierten Fahrzeuge mehr - der Eintritt nach Zhouzhuang erfolgt stilgemäß.

Der Ort ist ein "Wasserdorf". Folglich bewegt man sich dort hauptsächlich mit Booten.

Auch heute noch sind 60 Prozent der Häuser aus den Ming- oder Qing-Dynastien - also bis zu 700 Jahre alt.

Touristische Bootsfahrten erinnern sehr an Venedig. Und die "Gondoliere" singen sogar - nur sind es halt alte chinesische Weisen, die vorwiegend von älteren und alten Damen vorgetragen werden.

Neben einer pittoresken Mischung aus antiken Häusern, Brücken, Villen und liebevoll gestalteten Museen, gibt es auch herrlich friedliche Gärten ...

... und einen berühmten taoistischen Tempel, der aus der Song-Dynastie stammt, also fast 1.000 Jahre alt ist. Lustig, dass selbst die damaligen Heiligen gewisse Handzeichen schon kannten.

Traditionelles Handwerk aller Art ist noch lebendig in Zhouzhuang - so kann man Holzschnitzern, Webern, Korbflechtern, Kalligraphen und auf Wunsch auch Häuselfrauen bei der Arbeit zusehen. Die Produkte sind dann natürlich auch käuflich zu erwerben. (Außer die Häuseln.)

Auch die schönen Künste kommen nicht zu kurz: Sei es traditionelle Musik in stilvollen Teehäusern ...

... oder die etwas schwer verdaulichen Darbietungen der lokalen Variante chinesischer Oper - präsentiert auf der restaurierten, antiken Freiluft-Bühne.

Schließlich gibt es mannigfaltige, ausgesprochen kreative Varianten, sich mit traditionellen Süßigkeiten den Magen zu verkleben. Das hier ist eine opalisierende Zuckermasse, die man mit Hilfe zweier Stäbchen in hübsche Formen ziehen kann, bevor man sie vertilgt.

Samstag, 11. Oktober 2008

Klassenkampf

... denn einen solchen absolviere ich hier in tagtäglichem Todesmut! Andere mögen es "Unterricht" nennen oder "Vorlesung", doch angesichts des Anforderungen finde ich dieses große Wort durchaus angemessen.

Man muss dazu wissen, dass ich wöchentlich drei Vorlesungen im Gesamtausmaß von 18 Stunden besuche: "Du Xie A", "Du Xie B" und "Ting Shuo". dienstags, mittwochs und freitags beginnt das Fest des Geistes bereits um 8 Uhr, folglich sieht man mich spätestens um 7.45 Uhr im Halbschlaf quer über den Campus radeln, mit Ziel "Guanghua Türme" - ein Doppelhochhaus, in dem sich die Hörsäle wohlig aneinander kuscheln. Montag und Donnerstag sind meine gemütlichen Tage - da beginnt die Sache erst kurz vor 10 Uhr. Der Großteil der Nachmittage, die Abende und das Wochenende stehen zum Lernen bereit und werden von mir auch solchermaßen eifrig genutzt. Ein Lernaufwand von 3 - 5 Stunden täglich ist dabei durchaus normal und wird interessanterweise von meinem Hirn auch zumeist ohne gröbere Rauchentwicklung verkraftet.


Fünfundzwanzig wissbegierige junge Menschen kommen in meinem Kurs tagtäglich in den Genuss, nichts verstehen zu dürfen.

Die erste Vorlesung, Du Xie A (= "Lesen und Schreiben, Teil A"), wird geleitet von Frau Zhao. Sie ist als wohl einzige Lehrkraft nicht deutlich jünger als ich und strahlt folgerichtig auch eine entsprechend abgeklärte Ruhe aus. Sie hält den Unterricht ausschließlich auf Chinesisch. Dies ist spannend, da sie zuständig ist einerseits für neue Vokabel, aber auch für die Grammatik. Faszinierenderweise hat sie eine derartig genaue und langsame Art zu sprechen, dass ich mit stolzgeschwelltem Hirn behaupten kann, etwa 90 Prozent dessen, was sie präsentiert, auch zu verstehen. Auch schreibt sie sehr viel und sehr ordentlich (mit Farbkreide!) an die Tafel und nimmt sich viel Zeit, jedes der interessanteren neuen Vokabel (etwa 20 pro Tag, dabei 10-20 neue Zeichen täglich) sowie jeden Grammatikaspekt genau durchzudiskutieren. In ihrem Kurs wird viel gemeinsam gelesen. Vor allem die Beispielsatz-Chöre sind dabei zumeist von beispielloser akustischer Schönheit. Besonders, wenn die Klasse angesichts der plötzlichen Konfrontation mit einem unerwarteten Zeichen in kollektives Gestutze, -stammle und -stottere ausbricht.


Professor Zhao ist von großer Gemütsruhe beseelt. Vielleicht will sie uns aber auch nur um 8 Uhr früh nicht allzu abrupt aufwecken.

Der zweite Kurs - stets direkt an den ersten anschließend - ist Du Xie B. Geleitet wird dieser von Frau Zhang, einer ungemein energischen Person, was man angesichts ihres offensichtlich jugendlichen Alters so gar nicht erwarten würde. Anfang des Semesters begann sie mit sehr langsamer, genauer Aussprache (von erhebender Lautstärke!). Mittlerweile jedoch hat sie sich innerhalb nur eines Monats zum veritablen sprachlichen Hochgeschwindigkeits-Versuchslabor vorgearbeitet. Auch sie verwendet kein Wort Englisch, und ich muss gestehen, dass sich aufgrund eben erwähnter Highspeed-Vortragstechnik mein inhaltliches Verständnis ihres Kurses momentan irgendwo im 60-Prozent-Bereich bewegt. Da sie die Grammatik aber nur wiederholt und ansonsten anhand der Lektionstexte beispielhaft behandelt, ist dies (bisher) gar nicht so dramatisch. Außerdem bilde ich mir ein, in den letzten paar Stunden ein wenig mehr mitzubekommen. Frau Zhang hat auch die Angewohnheit, bei Fehlern oder schlechter Aussprache unsererseits in herzhaftes Lachen auszubrechen und auch das eine oder andere Scherzchen darüber zu verbreiten - sehr zum Amusement der auslandschinesischen oder der bereits fließend chinesisch beherrschenden koreanischen und japanischen Mitstudenten, die nur in Level B sitzen, weil sie nicht schreiben können. Außerdem ist sie ein großer Fan auswendig aufgesagter Texte - sowohl in den Stunden als auch als Hausübung. Immerhin geht bei ihr aber auch unheimlich etwas weiter, und selbst meine Lese- und Sprechgeschwindigkeit hat sich von der Stufe "Darwinsche Evolution" auf das Niveau "Sanddüne" gehoben.


Professor Zhang ist eigentlich eine sympathische und auf jeden Fall kompetente Person. Trotzdem haben wir alle ganz viel Angst vor ihr.

Schließlich gibt es da noch Frau Ji, die für "Ting Shuo" - also "Hören und Sprechen" - zuständig ist. Sie hat offenbar in Amerika studiert, denn ihr Englisch - und sogar dessen Aussprache - ist hervorragend. Dementsprechend verwendet sie es auch verhältnismäßig oft in den Stunden und führt so das eine oder andere grammatikalische Aha-Erlebnis herbei. (Erstaunlich, wie oft man denkt, man hätte nun etwas verstanden, nur, um dann mit zarter Verwunderung zu entdecken, dass man mit Karacho den Holzweg hinunterdampfte.) Mit ihr nehmen wir die Übungen jeder Lektion durch, hören gesprochene Texte, um danach schriftlich Fragen zu beantworten. (Wir nennen das gerne "Hören & Raten".) Sie ist eine ausgesprochen nette und hilfreiche Person und auch eine Kapazität in Sachen Motivation. Ansonsten sind Chinesen ja von einer inspirierenden Offenheit ("Your Chinese is really very bad!"), doch bei ihr ist das ganz anders. Ob einer meiner geschätzten amerikanischen Kollegen seine farbenfrohe und vom Original erfrischend unabhängige Interpretation der chinesischen Laute präsentiert, oder ob ich selbst ganze fünf Minuten brauche, um - Qualen erleidend - einen einzigen halbwegs zusammenhängenden Satz hervorzustammeln: Sie ist stets voll des Lobes und zaubert ein Lächeln auf das Gesicht selbst des untalentiertesten Adepten.

Professor Ji ist stets ausgesprochen unglücklich, wenn uns ihre ermunternde Aufforderung, uns doch freiwillig zu einer Übung zu melden, in totengleicher Versteinerung erstarren lässt. Wir geben uns Mühe, sie mit beeindruckender Sprachinkompetenz aufzuheitern.

In einem Monat werden wir dann die Half-Semester Examination über uns ergehen lassen. Denn bis dahin werden wir den gesamten Stoff des Lehrbuches durchgenommen haben. (In Europa ist dafür mindestens ein ganzes Semester vorgesehen.) Über diesen werden wir dann in einem mehrteiligen Test genauestens geprüft und steigen - bei Bestehen - ins nächste Level auf. Ich bin sehr gespannt, ob bis dahin meine Verzweiflung ob der Unschaffbarkeit eben dieses Levels C, das nun auf mich zukommt, bereits eine geringere ist, oder ob ich wieder zurückkehre in die niederen Gestade des dümmlich grinsenden völligen Unverständnisses.

Insgeheim hoffe ich auch, dass ich diesmal jenen Gentleman als Lehrkraft vermeiden kann, der bei meinem ersten Level-C-Versuch mein Selbstbewusstsein mit einer gelungenen Kombination aus halsbrecherischer Sprechgeschwindigkeit, dickem Shanghai-Dialekt sowie kunstvollem Genuschel nachhaltig zerstörte.

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Was Sie schon immer über chinesisches Essen wissen wollten ...

Die Geschichte des chinesischen Essens ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Wir wollen dieses Thema ganz natürlich dort aufgreifen, wo es passiert. Hier. In China.
Wie ist denn das jetzt eigentlich? Isst man hier den aus Wien bekannten Glutamat-Gatsch? Oder die wundervollen Gaumenfreuden, von welchen Reisende künden? Isst man alles, was Beine hat und kein Sessel ist? Oder gar unvorstellbare Dinge?

Die Wahrheit ist: alles dieses - und noch mehr.

Am lustigsten sind dabei natürlich jene Speisen, die uns ein wenig absonderlich, ja, grauslich gar erscheinen. Und auch wenn ich damit Vorurteile bestärke - JA, ich weiß, was mein Publikum wünscht, und liefere hiermit schräge Lebensmittel! Mein schlechtes Gewissen bezüglich der Tatsache, dass ich damit niedrige Sensationsgelüste befriedige, hält sich in Grenzen, da auch die Chinesen selbst großen Spaß daran finden, Europäern möglichst unmögliche Dinge vorzusetzen, um sich dann an deren verzweifelten Gesichtern zu ergötzen.

Bevor der Bilderreigen startet, noch ein Caveat: Die ganz schlimmen Sachen gibt's (noch) nicht zu sehen, denn die kauft man auf der Straße oder in Restaurants, und da habe ich noch nicht fotografiert. Also zeige ich im folgenden einfach mal die chinesische Interpretation eines internationalen Supermarkts. Ich besuchte hierzu jeweils ein Geschäft der riesigen amerikanischen Ketten "Walmart" und "Tesco".

Und folgendes darf im Sortiment der chinesischen Filialen nicht fehlen:

Wir alle wissen natürlich, dass sich der chinesische Gaumen an eher ungewöhnlichen Tiergattungen erfreut. So beispielsweise an Schildkröten ...

... an erfrischend zart-säuerlichem Quallensalat ...

... (gerne auch in der praktischen Packung für zu Hause) ...

... oder g'schmackigem Ochsenfrosch -im Ganzen oder fein gewürfelt.

Auch weiß man: Der Chinese isst gerne tierische Körperteile, die in unseren Breiten als Delikatessen eine eher untergeordnete Rolle spielen. Wie beispielsweise die als Knabberei sehr beliebten Hühnerfüße ...

... oder Teile, deren anatomische Herkunft man eigentlich gar nicht so genau kennen möchte.
Doch bereits hier zeigt sich eine weitere Charakteristik:

Eine etwas eigenwillige Art der Präsentation. Bei einem solchen Anblick gelingt es unsereiner durchaus, den oralen Speichelfluss unter Kontrolle zu halten ...

... während in anderen Fällen eine gewisse Drolligkeit nicht abzustreiten ist.

Selbst das Gemüse macht hier ganz, ganz komische Sachen: Die Bittergurke trägt nicht nur einen abschreckenden Namen, sie sieht auch ein wenig warzig aus.

Und ist man der chinesischen Schrift nicht mächtig, kann man an den meisten Regalen eigentlich nur auf Verdacht zugreifen. Um - wie in diesem Fall - zu Hause eventuell überrascht festzustellen, dass man soeben eine Packung gerösteter Melonenkerne mit Karamell-Lakritze-Geschmack erstanden hat.

Gerne flüchtet der weniger weltoffene West-Mensch dann zu jenen Regalen, an welchen ein bisschen heimatliches Feeling aufkommt. An dieser Stelle allerdings ein kleiner Tipp von Onkel Clemmie: Ja, es sind Würschtln - aber wer findet, dass Eseln herzige Tierchen sind, der sollte hier vielleicht lieber nix kaufen.

Im Zweifelsfall gilt: Der altbewährte Nudelsnack hat noch niemals enttäuscht! Ihn gibt es hier zum Glück in bemerkenswerter Vielfalt. Und mit etwas Glück findet man sogar welche mit Quallengeschmack und getrockneten Hühnersehnen.

Dienstag, 7. Oktober 2008

Clemmie is bissi busy

Was sich hier Headline-technisch so Babytalk-mäßig ankündigt, mag kindisch klingen, entspricht aber der Wahrheit, der reinen Wahrheit und nichts als der Wahrheit, sowahr mir Gott helfe.

Es ist nämlich so, dass der Chinese an sich ja ein durchaus aufnahmefähiges Wesen ist. Was sich auch immer so an Wissen um ihn herum ansammelt, wird schwammgleich aufgesogen und in enormem Tempo einverleibt. Leider glaubt bewusster Pars-pro-toto-Chinese, dass unsereins aus Europa dieselben Fähigkeiten hat. Dem ist aber nicht so. Unsereins lernt 26 Schriftzeichen auswendig. Der Chinese 3.000. Der Experte erkennt: Da gibt's einen subtilen, quantitativen Unterschied.

Wie dem auch sei: Gerade hat meine liebe "Schreiben-Lesen (B)"-Lehrerin Frau Zhang mit Erstaunen feststellen müssen, dass mir das immerhin einmalige Anhören eines einseitigen chinesischen Textes überraschenderweise noch nicht reicht, um diesen hernach fehlerfrei auswendig aufsagen zu können. Eine Aufgabe, die für Menschen mit ethnisch-chinesischem Hintergrund offenbar zum Standardrepertoire zu gehören scheint.

Egal. Es ist mir eine wahre Orgie, hier täglich zu lernen und zu studieren; doch die schiere Menge des Stoffes sowie die gazellengleich-schleunige Präsentation desselben führt dazu, dass meine zeitlichen Kapazitäten ein wenig leiden. Vorgestern und gestern hatte ich das Vergnügen, jeweils zehn Stunden dem Studium zu widmen, und da geschieht dann natürlich, was ich schon vorangekündigt habe: Das Hirn sagt: "Na pfumm!" und das Blog kommt zu kurz.

Dies betrübt mich sehr - doch zaget nicht, liebe Leser (oder eher "lieber Leser"?) - es gibt wieder News. Bereits während ich dies schreibe (und nebenbei meine täglichen 20 neuen Schriftzeichen zu lernen trachte), bereite ich einen packenden Eintrag vor, der sich mit den Persönlichkeiten meiner Lehrkräfte sowie dem Ablauf des hiesigen Studiums beschäftigt.

Dazu muss ich aber erstmal Fotos machen von den lieben Leuten, und das will clever und heimlich getan werden. Aber ich melde mich wieder.

Bis zum nächsten Mal, wenn es wieder heißt: Auch Schas muss sein :).

Freitag, 3. Oktober 2008

Die alte Hauptstadt: Nanjing

Endlich habe ich es geschafft: Zum ersten Mal verließ ich Shanghai und ging auf Reisen! Ich wagte mich in die Provinz Jiangsu vor. Nördlich von Shanghai gelegen, ist Nanjing die Hauptstadt dieser wohlhabenden Provinz, die zweimal in der chinesischen Geschichte (frühe Mingdynastie und im frühen 20. Jahrhundert) die Hauptstadt von China war und wo es daher auch sehr viel tolles altes Zeug zu sehen gibt.
Vier Tage lang weilte ich mit meinen Freunden Irene, Max und Nick dort in einem 6-Bett-Dorm eines ausgesprochen günstigen Hostels von, sagen wir einmal, eher bodenständigem Komfort, aber dafür ausgesprochen herzlichen Eigentümern. Da ein Bild ja mehr sagt als tausend Worte, darf ich den Trip im folgenden kurz optisch zusammenfassen.

Zunächst darf ich die fröhliche Reisegruppe vorstellen.
v.l.n.r.: Buddha, ich, Max, Irene, Nick und ein Mistkübel.

Mit dem Zug fuhren wir die 320 Kilometer nach Nanjing - interessanterweise auf Stockbetten sitzend. Auf den Plätzen gegenüber erfreute uns eine lebhafte Familie mit farbigen Einblicken in den chinesischen Alltag. So war uns beispielsweise gar nicht bewusst, wie einfach man mitten im Zugabteil bei dringendem Bedürfnis das kleine Geschäft mit Hilfe einer alten Cola-Flaschen erledigen kann.
Nach erfolgreichem Einchecken in unsere Residenz mit dem selbstreflexiven Namen "I am Hostel", besuchten wir am Folgetag als erstes den "Jin Shan", einen Berg gleich außerhalb von Nanjing, der viele Sehenswürdigkeiten beherbergt. Wir erklommen ihn mittels Sessellift.

Und gleich dort konnte ich mir meinen größten Wunsch erfüllen: eine Wanderung mitten in chinesischer Natur. (Ja, die gibt's noch.) Dabei stießen wir unter anderem auf einen sehr stimmungsvollen Bambuswald ...

... aber auch immer wieder auf antike Statuen - wie beispielsweise diese von Stevie Wonder.
Auch die Fauna kam nicht zu kurz. So entdeckten wir eine Unzahl etwa zehn Zentimeter langer Tausendfüßler ...

... und ältere Herren, die sich auf freien Flächen auf die Brust trommeln und dabei laut schreien.
Auch die Gemütlichkeit kam dabei nicht zu kurz: Für ein kleines Schläfchen ist auch der steilste Bergwald nicht ungeeignet ...

An anderen Stellen des Berges hingegen würde man mit Hängematte vermutlich unangenehm auffallen.

Wenn man an der Südseite des Jin Shan hinunterkraxelt, stößt man übrigens auf einen wunderschönen Ming-Tempel, in dem unter anderem Stelen mit Kalligraphien alter Meister aufgestellt sind.

Im gleichen Gebiet erreicht man nach gröberem Gehatsche einen riesige Grabkomplex für den ersten Kaiser der Ming-Dynastie. Ein sehr stimmungsvolles Gebiet mit Prozessionswegen inklusive Steinstatuen, Tempelanlagen, Gärten und zum Glück auch Toiletten, die uns zu diesem Zeitpunkt ausgesprochen attraktiv erschienen. Auch wenn es sich um die landesüblichen Schranzhocke-Modelle zur Stärkung der Oberschenkelmuskulatur handelt.

Des Abends gab es westchinesische Spieße zum Selbergrillen. Dabei wurde auch die Fotoausbeute des Tages verglichen. Hierbei zeigte unser sonst so ruhiger Max durchaus kompetitive Züge, wenn es um das erfolgreiche Erlangen eines Schnappschusses ging.

Später am Abend nutzten wir den gemütlichen Aufenthaltsraum unserer Herberge, um sämtliche Vorräte an Süßigkeiten zu vernichten. Als es dann an die abendliche Hygiene ging, gab es allerdings Probleme unvorhergesehener Art ...

So stellten wir beim Zähneputzen fest, dass das Waschbecken bereits besetzt war. Zum Glück konnte man die Zahnpflege am Klo erledigen, denn dieses beherbergte lediglich einen Hund. Und der zeigte sich gnädig gestimmt.

Der nächste Tag begann mit einem Park, an dessen Stelle wir eigentlich einen alten Tempel vermuteten. Die Aufschrift vor dem Tor impliziert durchaus die Anwesenheit eines solchen. Nur gefunden haben wir ihn halt nicht.

Was wir allerdings fanden, war ein konfuzianischer Tempel, auf dessen Gelände es allerlei heilige Dinge gab, wie beispielsweise eine McDonald's Filiale, ein Kentucky Fried Chicken Lokal oder auch - wie hier auf dem Bild - einen lustigen Antiquitätenmarkt.


Doch nicht nur Antiquitäten gab es, der Markt umfasste eine ganze Menge Geschäfte, in denen es unter anderem Tiere zu kaufen gab. Wie beispielsweise diese recht neugierige Fischgruppe, deren riesiges Aquarium eine Ecke zu bieten hatte, die offenbar fürs Fischgemüt besonders attraktiv erscheint.

Der letzte Tag begann mit der üblichen Frühstück-Nudelsuppe in einer der ebenso grindigen wie hervorragenden Garküchen.

Auf dem Weg zum Jangtsekiang, der in Nanjing von der längsten Brücke Chinas überspannt wird, konnte ich endlich einmal ein Foto einer der ärmeren Wohngegenden machen, wie es sie auch in Shanghai, mitten zwischen den Wolkenkratzern, gibt.

Die Brücke selbst - eines der eindrucksvollsten Bauwerke der Kommunisten - war dann wirklich sehenswert.

Ebenso eindrucksvoll war übrigens unser Tagesablauf. Drei Tage hintereinander erhoben wir uns um 6 Uhr morgens aus den Betten. Ich glaube nicht, dass ich das in meinem Leben jemals zuvor freiwillig gemacht habe, aber Irene zeigte sich diesbezüglich unerbittlich und trieb uns zu dieser unmenschlichen Zeit aus unseren Stockbetten. Dementsprechend lang waren dann auch die Tage, und dementsprechend müde waren wir. Besonders faszinierte mich hierbei Max, der sich als absoluter Meister des Sekundenschlafes entpuppte.

Kaum ließ man unser ruhigen Mann aus South Dakota auch nur wenige Sekunden aus den Augen, fiel dieser in spontanen Tiefschlaf - egal, wo er gerade war ...


... vor einem Blumenbeet ...

... auf Statuen ...

... Märkten ...

... in Tiergeschäften und - sein absolutes Meisterstück - :

Im Stehen mitten auf einer Autobahnbrücke.