Mittwoch, 29. Juli 2009

Byebye China

Und diesmal wirklich. Mit dem Tag, an dem ich aus dem Studentenheim aus- und ins Hotel eingezogen bin, hat sich meine Sicht der Umgebung gewandelt. Eine fast physische Veränderung fand vor meinen Augen statt - der Einwohner wurde zum Touristen, rutschte aus dem Gewand seiner neuen Heimat heraus um sie von da an von außen zu betrachten, wie ein Museumsstück. Ein trauriger Abstand war entstanden, zwischen mir und diesem Land - aber auch zu jener Routine, die in den letzten Monaten eingekehrt war und mich gar nicht mehr würdigen ließ, was ich hier (er)leben durfte. Jetzt kann ich es wieder und sehe dieses knappe Jahr als das, was es war: die vielleicht schönste und ganz sicher lehrreichste Zeit meines Lebens.

China - ich werde Dich vermissen.

Dienstag, 21. Juli 2009

Das Wetter

Hallo, ich bin's: euer Wettergott.

Unbescheidene Begrüßung oder Einleitung zu einer Litanei darüber, wie sehr ich nicht vom Wetterpech verfolgt bin?

Letzteres.

Ich weiß, ich weiß, das ist nicht sehr originell, und jeder teilt das Gefühl, da oben im Himmel säße irgendsoein sadistisches Schwein, das jedem Erdenbürger maßgeschneidertes Dreckwetter schickt, wenn man es am wenigsten braucht.

Aber ich brachte Regen in die Rub-al-Khali - zum ersten Mal seit 5 Jahren (laut Aussage der Einheimischen). Ich darf das.

Also.

Ich war ja in Guizhou. Für vier Tage. Das war ein wirklich herrlicher Aufenthalt: die Landschaft überwältigend, die Hauptstadt Guiyang einmalig schön mitten in tropisch bewaldeten Bergen gelegen, mit aufregender Architektur und von ganz eigenem, südostasiatischem Flair, köstlich-scharfes Essen, freundliche Menschen und praktisch keine Touristen. Perfekt. Nur das, weswegen ich hingeflogen bin ... das Wetter nämlich ... naja, Hitzewelle halt. Dauer: exakt vier Tage. Beginn: am Tag meiner Ankunft, Ende: am Tag nach meinem Abflug. Temperatur: 31° - 32° (wo es sonst 25° hat). Allerdings rege ich mich da gar nicht auf, denn im Vergleich zu Shanghai war das wirklich geradezu frühlingshaft. (Gestern haben wir endlich die 40°-Marke durchschlagen. Gefühlte 46° laut Wetterbericht.)

Worüber ich mich aber schon aufrege: Seit drei Wochen haben wir in Shanghai ununterbrochenen Sonnenschein. Ohne von einem Wölklein gestört zu werden - geschweige denn von kühlendem Regen - knallt die Sonne von einem erbarmungslos blauem Himmel, während ich unentwegt röchelnd nur meine Hände gen Himmel recken und Gott um eine schattenspendende Wolke bitten konnte.

Doch Gott ist sowohl gnädig, als auch beweist er Sinn für Humor: Er sandte mir die gewünschte Wolke. Und noch ganz, ganz viele andere gratis mit dazu. Und überhaupt gleich ein ganzes Gewitter inklusive wolkenbruchartige Regenfälle, Blitz, Donner und Sturm.

Und wann tat er das?

Heute. Am Tag der totalen Sonnenfinsternis.

So ward es dunkel, nach fünf Minuten wieder hell - und ich sowie die Millionen anderen Finsternisbeobachter (die teilweise noch viel ärmer sind, weil extra nach China gereist) sahen von der Sonne original gar nichts. Dafür sehr viel Regen.

Aber ab morgen ist sie ja eh wieder zurück, die Sonne. Inklusive Hitze.

Amen.

Montag, 13. Juli 2009

Shanghai brät

... doch ich lass mich nicht braten. Hier hat's laut Wetterbericht 36°, aber anfühlen tut sich's dank der Schwüle (ebenfalls laut Wetterbericht) wie 43°.

Was sagt uns das?

Nun - wer mich kennt, weiß: Kaum erhebt sich des Thermometers Quecksilber zögerlich-sanft über die 20°-Grad-Grenze, verwandle ich mich spontan in eine beeindruckende Springbrunnen-Persiflage und kenne kaum noch andere Gesprächsthemen als die UNÄRTRÄÄÄÄÄGLICHÄÄÄÄ HITZÄÄÄÄÄÄ.

Na, könnts Euch vorstellen, wie's mir hier zurzeit geht.

Was also tun?

Ganz einfach: Ich trof vorgestern in einem Restaurant zwei Studenten aus Guizhou. Das ist eine Provinz, die nicht besucht zu haben mir ohnehin schon seit längerem sehr Leid tat. (Dieses gschissene Land ist einfach zu groß.) Und dann besitzen die zwei auch noch die Unverfrorenheit, mich nicht früher kennengelernt und mir erzählt zu haben, dass Guizhou auf einem Hochplateau liegt und daher sehr angenehme Sommer ihr (sein?) Eigen nennt!

Wir haben dann noch sehr nett dahingeplaudert, und wie üblich musste ich fest versprechen, falls es mich mal nach Guizhou zieht, mich unbedingt zu melden. Dann bin ich rausgegangen aus dem klimatisierten Raum. Und als mich da draußen wieder einmal die Hitzekeule mit einem fröhlichen Frontalschlag ins Gesicht begrüßte, war ich nur mehr eines benommenen Gedanken fähig: "Ich muss weg!"

Woraufhin ich gleich ein Ticket nach Guizhou gebucht habe, wo ich demgemäß morgen hinfliegen werde. Ist eine hochinteressante Gegend mit atemberaubender Landschaft, unzähligen Dörfern ethnischer Minderheiten - und angeblich vom Tourismus noch so gut wie unberührt.

Ich bleibe dort nur vier Tage, werde aber zweifelsohne wieder einmal einen Weg finden, alles, was ich nicht kaputt mache, auf andere Weise kreativ falsch anzupacken - und falls dem tatsächlich so ist, werde ich danach darüber berichten. Falls nicht, dann nicht.

Kaum war das Ticket gebucht habe ich jedenfalls festgestellt, dass es dort unten gerade ungewöhnlicherweise mit jedem Tag heißer wird und außerdem ein Taifun in der Gegend herumbläst.

Ideale Voraussetzungen für einen gelungenen Urlaub also - man darf gespannt sein.

Montag, 6. Juli 2009

öhm ...

... ja, ich weiß, was ich so salbungsvoll verabschiedungstechnisch schrob - und ich weiß auch, ich bin inkonsequent. Aber das schöne an meiner Inkonsequenz ist doch, dass ich sie so rigoros durchziehe.

Also:

"McGyver ist blöd" oder "Mini-Manderln in Xuzhou"

Diese zwei Ereignisse der letzten zwei Tage bewegen mich dazu, doch noch einen Blog-Eintrag nachzuschießen. Denn wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. Und wenn dieser eine dann auch noch ich bin, dann wird umso mehr erlebt. Nicht unbedingt Grandioses, dafür aber garantiert Dämliches.

Und das kam so:

Ich habe ja meine große Nordreise aus nostalgischen Gründen stark verkürzt und werde jetzt anstatt zur nordkoreanischen und sibirischen Grenze vorzudringen mich mit den südlicheren Provinzen Jiangsu und Shandong begnügen, und zwar weil ich diese in einer Woche recht bequem bereisen und sodann meinen Chinaaufenthalt noch mit einem würdigen, dreiwöchigen "Urlaub" in Shanghai beenden kann.

Als erstes Ziel erwählte ich Xuzhou. Dieses kleine Städtchen im äußersten Nordwesten von Jiangsu, 700 Kilometer entfernt von Shanghai, ist wieder einmal in keinem Reiseführer verzeichnet, und es scheint, als wäre auch noch nie jemand hingereist. Deswegen, und weil es ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt auf meiner Fahrt nach Shandong ist, beschloss ich, dorten zwei Tage zu verweilen.

Es ging diesmal nicht alles ganz so glatt wie gewohnt, aber ich werde Euch hier nicht mit "Was-habe-ich-doch-für-ein-Pech"-Geschichten von ausverkauften Tickets, endlosen Anstellzeiten oder unfassbar heißem Wetter langweilen.

Nein, das kann ich besser.

So kam ich also gestern um 20 Uhr in Xuzhou an, einer auf den ersten Blick sympathischen, extrem lebendigen kleinen Stadt. Da ich von der fünfstündigen Zugfahrt und einer zweistündigen Unterhaltung mit einem kleinen chinesischen Buben (Hauptthema: "Transformers 2" - auf chinesisch, wie ich lernte: 变形金钢) ausgesprochen müde war, fiel ich gleich ins erste Hotel in Bahnhofsnähe. Dieses hatte durchaus eine gewisse Patina, war dafür aber auch recht günstig.

Was gibt es schöneres, als nach einer langen Reise bei unglaublich schwüler Hitze eine lange Dusche zu nehmen?

Und was gibt es spannenderes, als danach festzustellen, dass die Schnalle der Badezimmertüre abgebrochen ist und die Türe sich folglich nicht mehr öffnen lässt? Dabei sperre ich prinzipiell nicht zu ... muss aber zugeben, dass ich auch nicht jede Türe vor dem normalen Zumachen auf Funktionsfähigkeit überprüfe.

So stand ich dann also in diesem 3-Quadratmeter-Zimmerchen bei 40° Innentemperatur und konnte während der zwei Stunden des Eingesperrtseins dem Sauerstoff beim Verschwinden zuriechen. Natürlich war ich nicht untätig: Zunächst mit bloßen Händen und Füßen, dann mit allem, was mir zur Verfügung stand (Zahnbürste, Plastikkamm, Seife) versuchte ich, die Türe aufzubrechen - erfolglos. Mir ist klar, dass McGyver aus diesem Zubehör mindestens einen Kurzwellensender oder einen Bulldozer konstruiert hätte. Alles, was ich mit der Zahnbürste zusammenbrachte, war hingegen, mir meine Zähne zu putzen. (Auch sehr wichtig. Man sollte Karies nicht unterschätzen.)

Schweißüberströmt und splitternackt begann ich also den demütigenden Akt des mit-beiden-Händen-gegen-die-Türe-Pumperns, und gleichzeitig um Hilfe zu rufen. Weniger, weil ich wirklich von Panik erfüllt war, sondern eher, weil ich nicht 15 Stunden in diesem fensterlosen, stickig-heißen, winzigen Raum verbringen wollte, bis mich eine eventuelle Putzfrau des Morgens vielleicht fände.

Es ist einem mittleren Wunder zu verdanken (oder meiner kräftigen Stimme), dass mich in dem isolierten Extragebäude, in dem ich einquartiert bin, überhaupt jemand hörte. Doch dem war so. Aus dem Badezimmer heraus erklärte ich der Hotelangestellten schreiend das Problem, woraufhin sie den eine bunte Schar an Mechanikern zusammentrommelte. Spannend ist an dieser Stelle, dass man hier in Xuzhou offenbar einen ganz interessanten Dialekt verwendet, der eine Mischung aus südlichen und nördlichen Charakteristiken aufweist, jedenfalls aber ausgesprochen unverständlich sein kann. Und Inhalte wie "Jetzt schräg rechts nach oben ziehen und gleichzeitig rütteln" verstehe ich offenbar schon gar nicht.

Trotzdem schaffte es das Handwerkergrüppchen nach einiger Zeit, die gesamte Schnalle samt Schloss von außen auszubauen und die Türe zu öffnen.

Da stand ich nun in paradiesischer Nacktheit und durfte mir typisch chinesische Scherze über meine Körperbehaarung anhören und darüber, wie lustig das ganze doch wäre.

Zugegeben ... nach einer Sekunde Erleichterung und einer weiteren Sekunde Ärger musste ich dann mitlachen. Wer bin ich denn, dass ich solch vollkommene Situationskomik nicht würdigen dürfte?

Den Rest des Abends wollte ich mit einem entspannenden Spaziergang verbringen, was von sintflutartigen Regenfällen verhindert wurde, die justament begannen, als ich aus der Türe trat. Zusätzlich vergaß ich noch meinen Schlüssel im Zimmer sowie das Aufladen meines Fotoapparates. Außerdem lag das diesmal wohlmitgebrachte Schweißtuch sicher im Zimmer und ermöglichte mir so, die chinesische Allgemeinheit durch exzessives Schwitzen zu erheitern. (38° bei 120% Luftfeuchtigkeit sind das schlimmste Wetter, das ich mir vorstellen kann.) Aber das war peripher - die Freiheit hatte mich wieder, und ich konnte immerhin sogar ein Zugticket nach Yanzhou erstehen. In dieses Städtchen der Provinz Shandong möchte ich nämlich morgen fahren, um den dort ganz in der Nähe liegenden Geburtsort Konfuzius' zu besuchen, bevor es weitergeht in die Hauptstadt Jinan, wo ich wiederum zwei österreichische Freundinnen treffen werde.

Und heute? Ja ... heute fand ich heraus, dass Xuzhou vor 2.000 Jahren die Hauptstadt der mächtigen Han-Dynastie war, und dementsprechend die größte und wichtigste archäologische Anlage aus dieser Zeit in ganz China beherbergt. Zusätzlich übrigens noch eine Terracotta-Armee aus tausenden Figuren - ähnlich derer in Xi'an, nur dass die Soldaten viel kleiner (und herziger) sind. Weil das aber niemand weiß - und es Reiseführer wie Lonely Planet auch nicht einmal einer Erwähnung wert finden - war ich bei der heutigen Besichtigung dort praktisch alleine. Besonders das gigantische unterirdische Mausoleum des ersten Han-Kaisers gehört zum Großartigsten, was ich bisher in China gesehen habe. Die Abwesenheit anderer Touristen und jeglicher Keiler machte dieses Erlebnis umso beeindruckender - und bestätigte mir einmal mehr, dass für mich das Fahren ins Unbekannte dem Abklappern berühmter Sehenswürdigkeiten hundertmal vorzuziehen ist.

Ich liebe China. Nur seine Badezimmer mag ich jetzt nicht mehr so gerne.