Mittwoch, 1. April 2009

Go West - IV: Shaolin und das alte, weisse Pferd

Das wird echt muehsam mit mir. Jetzt mach ich mir schon selbst Stress, dass ich nur ja brav hier reinposte, damit ich nicht womoeglich was vergesse. Dabei schreib ich eh auch seitenweise in mein grossartiges Notizbuch. Die Postings haben halt den Vorteil, dass ich deren Inhalt auch lesen kann. (Wer meine Handschrift kennt weiss, was ich meine.)

Dreschende Moenche
Ja, ich schaffte es: Ich war im etwa 80 Kilometer suedoestlich von Luoyang gelegenen Shaolin-Kloster. Das ist umso mehr eine Leistung, als ich mir einbildete, nicht an einer Tour teilzunehmen, sondern das ganze auf eigene Faust durchzuziehen - und Geld zu sparen (dachte ich). So wehrte ich also heldenhaft Millionen von Keilern ab, die offenbar wild entschlossen waren, mich noetigenfalls auch mit Gewalt zum Kloster zu bringen - und nahm eine Art Linienbus. Um ganze 1,50 Euro.

Der Tempel selbst war eine Ueberraschung. Ich erwartete dicke Amerikanerbaeuche, die der Kinderschar erklaeren, wie sie selbst in ihrer Jugend Bruce Lee persoenlich auf die Matte schicken haetten koennen. Ich erwartete seidenbeschalte Franzosenhaelse, die in Pseudomeditation versunken an allen Ecken verstohlen in die Gegend schielen, ob sie auch interessant genug aussaehen. Ich erwartete oesterreichische Studentenmuender, die ob ihrer bescheidenen Chinesischkenntnisse glauben, mit jedem Einheimischen parlieren zu muessen ...

*Oehm*

Naja, letzteres war dort durchaus vorhanden, nachdem ich erstmal angekommen war; erstere zwei Erscheinungen inklusive hemmungsloser Vermarktung, Touristenhorden und Kung-Fu-Kitsch waren hingegen erstaunlich Low-Key. Es gab Vermarktung und Touristen, durchaus, doch weit weniger als gedacht. Vor allem sah ich so gut wie gar keine Auslaender.

Heilige Ruhe - und wie eine Batterie eine Bergbesteigung verhindert
Die gesamte Anlage strahlte eine unglaubliche Ruhe aus und - so bemueht das jetzt klingen mag - auch eine gewisse Kraft. Der Song Shan - der heiligste Berg der Taoisten - mit seiner wilden, einsamen Landschaft bildete einen wuerdigen Hintergrund fuer die grosse Klosteranlage, deren Gebaeude sich zwar knallbunt, aber trotzdem sehr aesthetisch in die Landschaft fuegen. Vor dem Tempelgelaende fuchteln hunderte Kung-Fu-Schueler in ihren roten Trainingsanzuegen mit Schwertern und Staeben herum, schlagen und werfen einander durch die Gegend und huepfen durch die Luft, dass es nur so staubt (wegen des bereits erwaehnten Loessbodens).

Da meine Kamera mitten im beruehmten Pagodenwald den Geist aufgibt (leere Batterien ... scheinbar ist das neben meinen Klo-Missgeschicken der zweite Running Gag dieser Reise), beschliesse ich, den Song Shan nicht zu erklimmen. Man stelle sich vor: Dort oben ist es wunderschoen - und ich kann es nicht fotografieren! Ein Alptraum. Zusaetzlich zweifle ich an der Bergtauglichkeit meiner Garderobe, die ich dem heutigen herrlich linden (geiles Wort) Fruehlingstag angepasst habe.

Querfeldein zurueck
Das Problem an solchen Individualunternehmungen ist nun, dass man irgendwie auch wieder zurueckfahren muss. Das gestaltet sich dann schwierig, wenn das Objekt der Besichtigung keine offizielle Bushaltestelle besitzt. Daher lasse ich mich gerne von einem sympathischen Vater zweier Soehne, 6 und 11 Jahre alt, ueber's Ohr hauen und fuer gutes, wenn auch jetzt nicht mehr mir gehoerendes, Geld zurueckbringen.

Der gute Mann hat eine gewisse Vorliebe fuer originelle Streckenfuehrung, wie ich bald feststelle. Als meine Niere, Leber und Milz dank unfassbarer Strassenzustaende zyklisch ihre Positionen innerhalb meines Rumpfes vertauschen, bemerke ich, dass wir tatsaechlich mitten durch die kleinsten Doerfer fahren. Erstmalig sehe ich unmittelbar, wie das laendliche China abseits der Schienen und grossen Durchzugsstrassen aussieht - und es ist faszinierend. Aermlich und heruntergekommen, natuerlich - aber auch wunderschoen. Zumal hier in Henan offenbar immer jeweils mehrere Haeuschen hinter eine gemeinsame, gekachelte Frontmauer gepackt werden, in der dann mehrere Tore - manchmal reich verziert, manchmal kaum noch vorhanden - in einen winzigen Innenhof vor dem eigentlichen Haus fuehren. Doch so schaebig koennen die Tore gar nicht sein, dass sie nicht zumindest ein "Duilian" (doppelter Sinnspruch links und rechts der Tuere) oder ein "Fu" (chinesisches Zeichen fuer "Glueck") ziert.

Weisse Pferde (ach DAHER hat der Danzer das!)
Nach dieser ihr Geld wirklich wert gewesenen Rueckfahrt ueberrasche ich mich selbst mit einem spontanen Besuch des Bai Ma Si - des "Tempel des Weissen Pferdes". Das ist der gestern erwaehnte, aelteste buddhistische Tempel Chinas, der immerhin schon seit 2.000 Jahren etwa 20 Kilometer oestlich von Luoyang steht. (An dieser Stelle eine Berichtigung: Luoyang war seit etwa Christi Geburt 13 Dynastien lang Hauptstadt Chinas.)

In der friedlichen Tempelanlage lasse ich meine Seele baumeln, wie man so sagt. (Obwohl ich immer noch nicht herausgefunden habe, von wo aus die Seele dann eigentlich genau wohin baumelt. Ich hab's halt gerne ordentlich. Aber das ist wahrscheinlich unwesentlich.)

Durch dieses effiziente Besichtigungsprogramm kann ich mir morgen mit etwas Glueck sowohl die mit Buddhas vollgehaeuften Hoehlen als auch das mit Graebern vollgehaeufte Museum ansehen - und hab damit doch alles geschafft, was ich wollte! Daher ist auch schon das Zugticket nach Xi'an fuer uebermorgen in meiner Tasche.

Auf dem Klo war ich uebrigens heute noch nicht - der Tag hat also noch Potenzial.

5 Kommentare:

_mathilda_ hat gesagt…

Ich hoffe für dich, dass die zyklische Vertauschung sich nicht in eine Reise nach Jerusalem verwandelt hat, und die entsprechende Anzahl an Zyklen vorhanden war, um die korrekte Position all deiner Organe nach Abschluß der Fahrt zu gewährleisten.
Abseits davon bleibt mir nur mal wieder demütig das Haupt zu neigen, wenn ich aus dem Lachen wieder herausgekommen bin.

rudolfottokar hat gesagt…

"fooflubb" sagt eigentlich schon alles...
und fixnoamoi - pass auf dein fotoapparat auf!
(und auf deine innereien;-))

Etosha hat gesagt…

Deine Erwartungen sind sehr unterhaltsam. Franzosenhälse! *rofl*

Aber kameramäßig bin ich völlig deiner Meinung - ich würd auch nie und nimmer ohne Kamera auf einen Berg steigen. Auch mit Kamera überleg ichs mir gut. ;)

ClemmieInChina hat gesagt…

@mathilda: also ... es scheint als waere organtechnisch alles in ordnung. obwohl boese zungen behaupten moegen, dass mein hirn permanent mit dem magen position getauscht hat. ]:-D

@rudolfottokar: eh. ]:-)

@toshi: ja ... bei naeherem hindenken ists ja auch unlogisch. ohne kamera geht es sich doch viel unbeschwerter ]=).

Etosha hat gesagt…

Das kannst laut sagen. Insbesondere wenn einem noch zwei Objektive in den Seitentaschen baumeln, die man bei jedem Schritt mitheben muss. ;)