Freitag, 27. März 2009

Go West - I: Hefei, Provinz Anhui

Schoenen guten Abend, liebe Freunde des gepflegten Chaos!

Ich melde mich live aus einem Internet Cafe in Hefei, Hauptstadt der weitestgehend unbekannten Provinz Anhui und erste Station meiner Reise. Irgendwie konnte ich nicht widerstehen, mich sofort und vor Ort zu melden - wer weiss, wie oft mir das noch moeglich ist. Da das Wetter aber nach drei strahlend schoenen, fast fruehsommerlichen Tagen erwartungsgemaess heute frueh rechtzeitig zu meiner Abreise auf kalt, nebelig und regnerisch umgeschalten hat, versaeume ich draussen nicht allzu viel.

Ihr alle muesst nun mit fehlenden Umlauten und scharfen "s" leben, da ich ein chinesisches Keyboard benutze. Aber warum soll es Euch besser gehen als mir, der ich nun jeden Punkt und jedes Komma sekundenlang zu suchen gezwungen bin?

Ich war uebrigens wahnsinnig effizient, Chaos-technisch. Schon in Shanghai gelang es mir, zunaechst kein Taxi zu erwischen und dann mein Fruehstueck am Bahnhof genau so zu timen, dass ich es nicht fertig essen konnte, weil ich sonst den Zug versaeumt haette. Bevor ich aber an Bord sprintete, kaufte ich noch einen Strassenplan von ganz China, da ich trotz vielfachen Durchdenkens meines Reisegepaecks einen solchen natuerlich zu Hause vergessen habe.

An Bord des hypermodernen Zugs, der mit 250 km/h brausend die 500 Kilometer zwischen Shanghai und Hefei innerhalb von drei Stunden zuruecklegt (es gibt einige Aufenthalte auf der Strecke, Anm. fuer Hobbyrechner), bemerke ich, dass ich es irgendwie geschafft habe, meinen Fotoapparat auf dem laecherlichen Stueck zwischen Taxi und Zug anzubauen. Grossartig. Wenn ich mein Hab und Gut weiter so gleichmaessig ueber China verstreue, stehe ich dann in Xining nackt da. Meine erste Aufgabe in Hefei ist somit etabliert: Wir kaufen einen neuen Fotoapparat.

Wie ueblich, wenn ich im Zug sitzend versuche, die Landschaft um mich herum zu geniessen, haengt Nebel ueber selbiger. Immerhin ist dieser diesmal aber duenn genug, um ein bisschen etwas zu erkennen. Nach der Durchquerung des vollkommen flachen Yangtse-Deltas um Shanghai - mit seiner fast geschlossenen Besiedlung, seinen reizvollen Atomkraftwerken, Baustellen und Industrieanlagen - geht die Landschaft langsam in eine reizvollere, laendlichere Huegellandschaft ueber, und zwar etwa kurz vor Nanjing, der Hauptstadt der noerdlich an Shanghai angrenzenden Provinz Jiangsu.

Die Grenze zur Provinz Anhui ist eine gebirgige, wilde Gegend, nach deren Durchquerung man im zentralen Anhui wieder auf eine Ebene stoesst, die von gelb bluehenden Reisfeldern ueberzogen ist. Ansonsten ist es hier richtig einsam - kaum je erblickt man Siedlungen, und wenn, dann sind es winzige, unglaublich trostlose Doerfer mit grauen, verfallenen Gebaeuden und zumeist unbefestigten Strassen. Dazwischen grasen herrenlose Wasserbueffel und alles ist mit Marterl-aehnlichen, etwa mannshohen Stelen ueberzogen, deren Zweck mir unbekannt ist. Aber huebsch schaut's aus.

In Hefei selbst beginnt der Regen freundlicherweise damit, so richtig anzufangen, und ich habe das Vergnuegen, mit Backpack, Tagesrucksack und grummeliger Miene Ewigkeiten auf ein Taxi zu warten. Den freundlichen Herrn hinter dem Steuer eines solchen frage ich dann dafuer gleich nach einem "moeglichst billigen" Hotel. Im Zwiegespraech stelle ich fest: Ja, man spricht in Anhui Hochchinesisch - aber der Akzent klingt ein bisschen nach dem chinesischen Aequivalent des Steirischen.

Er telefoniert ein wenig herum und kutschiert mich dann durch den dichten Abendverkehr zu einem wunderschoenen Viersterne-Hotel. Eh klar. Das verstehen wir Europaer naemlich unter "moeglichst billig". Dort werde ich vom unglaublich freundlichen Vize-Manager sofort adoptiert, bekomme zu meiner Freude ein Zimmer um 25 Euro pro Nacht, das sofort um den gleichen Preis zu einer Manager-Suite upgegradet wird. Ich residiere nun am "Executive Floor" im 18. Stock und werde ganz sicher irgendwann meine Massagedusche und Glasbadewanne ausprobieren - wenn ich nicht damit beschaeftigt bin, auf dem 1-Meter-Plasmamonitor fernzusehen oder oder auf meinem privaten Laufband zu trainieren.

Auf meinem Weg zurueck hinunter in die Lobby empfaengt mich der Manager - "Charles", so sein englischer Name - persoenlich mit einem Gutschein fuer ein Gratis-Dinner im nagelneuen, hoteleigenen Luxusrestaurant. Dort waehle ich aus einem reichhaltigen chinesisch-internationalen Buffet - unter anderem einen der besten "Viennese Apple Strudels", die ich je gegessen habe.

Momentan verdaue ich neben dem Dinner noch den Schock. Wenn mein grosses "Backpacking-Abenteuer" so weitergeht, wird mir mein Studentenzimmer danach viel zu minder sein, fuerchte ich.

Aber jetzt muss ich endlich raus in den Regen, einen Fotoapparat kaufen - und einen ersten Blick auf Hefei werfen - eine Stadt, ueber die ich immerhin gar nichts weiss. Das Zugticket fuer die naechste Etappe, Bozhou, habe ich bereits gekauft - uebermorgen fahre ich los. Dort werde ich, glaube ich, selbst auf die Suche nach einem wirklich schlichten Hostel gehen, damit ich nicht in Versuchung komme, meinen gesamten Aufenthalt im Zimmer zu verbringen.

8 Kommentare:

_mathilda_ hat gesagt…

Global gesehen hält sich alles die Waage, wobei ich mich frage, ob ein Fotoapparat (sehr aparte Formulierung übrigens) tatsächlich genug Buße für Adoption und Luxuszimmer ist ;) Genieß es, wenn der Nebel sich lichtet. Ich glaub nämlich fest, dass er das irgendwann tun muss.

rudolfottokar hat gesagt…

immerhin - es kann ja nur besser werden ;-)
(abgesehen vom hotel)
aber - scheiß die nix - der trend geht ohnehin zum zweitapparat!
bussi
(wenns der nikerl tut derf i a...)

Anonym hat gesagt…

Heinzl!!!! Nach urlausbedingter Abstinenz bin ich mit Deinem Blog nun wieder auf dem letzten Stand und es muss einfach amal wieder gesagt werden: Dein Geschreibse ist schlicht und einfach SENSATIONELL!! Persoenlicher Favourite: Mein Tag in Uruguay...

Bloglesen ist mittlerweile fester Bestandteil meines Tagesablaufs geworden (meistens nach der Mittagspause, als kroenender Abschluss quasi) und ich bin fast a bissl enttaeuscht wenn da nix Neues steht.

Also schreib brav weiter und ich gfreu mich schon kolossalst auf unser Shanghai Runderl im Juni(dann kann ich Dich auch live mit dem Taxler parlierend erleben)!!

In diesem Sinne - und nachdem der Niki mich guetigerweise aufgeklaert hat was ein Captcha ist - verbleibe ich mit einem herzlichen PUDLESSE

Schausi

PS: War grad beim "Leberkas Pepi" (ein rezente Bereicherung der britischen Hauptstadt)- so was hast in China nicht, aetschi petschi!!

Anonym hat gesagt…

HAHAHAHHAHAHAHA, der Schausl mocht mi fertig... "LeberKas Pepi", ich sch**** mich an, *brüll* - hab ja gestern auch dem (Pferde-) Leberkas gefrönt... ;-)))

Bussi (wenn der Papa darf, derf i a :-P)
*ladistis* (is das was Unanständiges???)

ClemmieInChina hat gesagt…

kinder ... irgendwas rennt da falsch. was ich hier drinnen von maennern abgebusselt werde - klarer fall von verfehlter zielgruppe. sollte mir als pr-experten eigentlich nicht passieren :D.

danke fuer die guten wuensche - den fotoapparat hab ich mittlerweile schon, draussen prasselt wie gewohnt der regen - und mit freude darf ich nach langer abwesenheit auch schausl wiederbegruessen: meister, deine kommentare lassen mein ego ins unermessliche wachsen (und ja: es geht noch groesser ]:D)
toppen kann ich deinen englischen leberkas-pepi zwar nicht, mit meinem shanghaier "viennese cafe hansi" aber zumindest gleichziehen, hehehe. freu mich auch schon auf euch zwei, burschen!

und damit noch ein froehliches "iketrag", bevor ich mich wieder ins sauwetter begebe ]:P.

Etosha hat gesagt…

"Immerhin ist dieser (Nebel) diesmal aber duenn genug, um ein bisschen etwas zu erkennen."
Das liegt ganz klar an der nicht vorhandenen Kamera. Könntest du fotografieren, wär dir kein Blick auf die Landschaft vergönnt gewesen. ;)

BUSSII! ;D

Etosha hat gesagt…

"Hättest du fotografieren können" even.

ClemmieInChina hat gesagt…

*seufz* du hast ja so recht ]:P.