Sonntag, 15. März 2009

Die Große Reise ... oder: Zu blöd für den Selbstauslöser

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

es spricht zu Ihnen ein Mann, der noch vor zwei Jahren erschauderte angesichts eines Wochenendes in der Steiermark OHNE zuvor jede Minute durchgeplant zu haben.

Dieser Mann kam nach China, gleichsam um sich selbst zuzurufen: "Heast! Trau di wos, du Nudlaug!"

Dieses tat ich in den vergangenen Monaten ausgiebigst, und siehe da: Die wohlgesetzten Worte zeigten Wirkung. Mit jeder Reise, die ich antrat, verschob ich persönliche Grenzen, erweiterte meinen Horizont, erschloss ich mir die Welt im allgemeinen und China im speziellen ein wenig mehr und verstärkte meinen Verspannungskopfschmerz erheblich.

Meine noch ausständige "Kür" nannte ich "Die Große Reise". ("Koarl" wäre auch gegangen, aber der Name war schon vergeben.) An diese - und damit mich selbst - stellte ich folgende Anforderungen:

1.) Auf der Reise sollte ich mehr als die Hälfte Chinas durchqueren,
B.) es müssen dabei - rein auf dem Landweg - mehrere Etappen zurückgelegt werden,
IV.) eine bunte Kombination aus touristischen und nicht-touristischen, aus städtischen und ländlichen, aus nahen und fernen Destinationen soll abgedeckt und
3.) der Spontanität (für meine bescheidenen Verhältnisse) weiter Raum eingeräumt werden.

Die Eckdaten eben dieser Reise habe ich heute fixiert.

Da ich aber nun mal nicht anders kann (und es ja auch Spaß macht), habe ich den groben Streckenverlauf natürlich schon mal durchdacht, und auch der zeitliche Rahmen war (aus Uni-technischen Gründen) im voraus festzulegen: Am 27. März geht es also los, am 13. April werde ich - Inshalah - wieder zurückkehren.

Wo mich die Reise dabei hinführen wird (oder auch nicht), möchte ich gerne jetzt schon ebenso kurz wie groß ankündigen, damit es dann umso lustiger ist, wenn ich's kaum aus Shanghai rausschaffe.

Vom Blog-gestalterischen Gesichtspunkt war dabei meine geniale Idee, Euch meine Route visuell näherzubringen. Nichts schiene mir dafür besser geeignet als die große China-Karte, die mein Zimmerchen schmückt. Sehet also her, liebe Leute, und werdet gleichzeitig Zeuge, dass eine Kombination aus nicht frei-wählbarer (und meiner Meinung nach zu kurzer) Selbstauslöser-Zeit, einer schwer erreichbaren (weil hinter Tisch und Bett angebrachten) Landkarte sowie sonstiger widriger Umstände (i.e. Darsteller von zweifelhafter Körperbeherrschung) selbst ein solch simples Unterfangen zu einem Abenteuer werden lässt - und fragen Sie sich gemeinsam mit mir, wie ein solcher Mensch jemals per Backpack halb China durchqueren wollen kann!


Schönen guten Tag nochmal. Hier also sehen wir die erste Station: Hefei, Hauptstadt der weitestgehend unbeachteten Provinz Anhui. Ein paar hundert Kilometer nordwestlich von Shanghai gelegen, gibt es dort angeblich überhaupt nichts zu sehen. Also nichts wie hin.


Zirka hier, im äußersten Norden Anhuis, liegt das kleine Städtchen Bozhou. Auch dort fährt kein Schwein hin, obwohl es eines der wichtigsten Zentren für chinesische Medizin in China und außerdem Geburtsort der berühmten Frauenkriegerin Mulan ist.
Der nächste Stopp ist ...

ähm ... auf die Schnelle ein bissl schwierig zu finden. Vor allem, wenn der blöde Selbstauslöser so unerwartet ...

... ah hier! Der rosarote Fleck ist die Provinz Henan. Dort spricht man seltsam, hat aber neben der uralten China-Hauptstadt Luoyang mit ihren berühmten Longmen-Höhlen (die über 100.000 Buddhabildnisse beherbergen) auch das Shaolin-Kloster zu bieten, wo sich ganz viele Mönche ganz viel prügeln. Und da kann man zuschauen.

Merke: Findet man mal ein Ziel rasch, heißt das noch lange nicht, dass sich vorher noch ein Schluck Wasser ausgeht.
An der Spitze meines Bleistifts gelegen (nicht immer ... nur in diesem speziellen Fall): Xi'an, Hauptstadt der Provinz Shaanxi und eines der wichtigsten Besichtigungsziele Chinas. Schenke ich meinem Reiseführer Glauben, ist diese große Stadt ein lebendes Museum und alles an ihr ist sehenswert: sie selbst, die alte Stadtmauer, unzählige Tempel und Moscheen - und die weltberühmte Terracotta-Armee. Außerdem ist Xi'an der östliche Anfangspunkt der Seidenstraße, auf die ich genau hier einschwenke und bis zum Ende der Reise bleibe. (Prost.)
Das nächste Ziel ist wieder ein bisschen schwieriger zu finden, also beeile ich mich diesmal nach dem Auslösen ein bisschen ...

... und werde hinterhältig von meinem Bett attackiert! Schön, dass dieser Moment meines heldenmütigen Kampfes auf diese Art für die Nachwelt festgehalten wurde.

Doch keine Angst, liebe Abenteuerfreunde, dem Helden ist nichts passiert, nur die Schulter schloss ungewollte Bekanntschaft mit der Tischkante (Symbolfoto).
Mein Bleistift fand mittlerweile die nächste Station: Lanzhou, Hauptstadt der Wüstenprovinz Gansu, Heimat der "Hui" - der muslimischen Minderheit Chinas - und stolze Trägerin des Titels "Am schlimmsten verschmutzte Stadt der Welt". Das wird eine willkommene Abwechslung nach all diesen tollen, schönen Sehenswürdigkeiten in Xi'an.
Als nächstes ...

... ruft Max an und will irgendwas wissen. Mir ist jetzt schon alles wurscht, also lasse ich den Selbstauslöser walten.

Jetzt aber: Das ist Xining, Haupstadt der Provinz Qinghai, gelegen auf 2.300 Metern Seehöhe auf dem tibetischen Hochplateau. Dies soll der Endpunkt meiner Reise sein - eine der ärmsten Provinzen Chinas, von großer landschaftlicher Schönheit und unverdorbener Teil des tibetischen Kulturkreises. Das war mein wohl größter Traum in Bezug auf China: einmal diesen Ort erreichen!
Nun ... immerhin auf der Karte habe ich ihn schon mal sowohl gefunden als auch relativ schmerzfrei erreicht. Man darf gespannt sein, ob mir das auch in real gelingen wird.

Nun ist mir natürlich klar, dass das weder nach der Spontanität äußerstem Extrem, noch nach Abenteuer pur klingt; aber erstens bin ich (vgl. Einleitung) ein feiger Hund, und zweitens gibt's genügend Faktoren, die diese Reise meinen eigenen Anforderungen genügen lassen: Der genaue Zeitplan steht nicht fest, es ist nichts vorgebucht, die Orte und Strecke sind nur eine Richtlinie - ich werde also während der Fahrt über den genauen Verlauf und die Stopps entscheiden - ich habe keine Ahnung, was mich dort erwartet und welche jeweiligen Dialekte man jeweils spricht, lasse mich also überraschen, wie die Verständigung so klappen wird - und ich decke immerhin weit über 2.000 Kilometer teilweise abenteuerlicher Strecke mit dem Zug ab. Das reicht mir schon. Im Go-Kart rund um den Äquator fahr' ich dann vielleicht nächstes Jahr.

Der Countdown läuft :).

8 Kommentare:

goooooood girl hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
_mathilda_ hat gesagt…

Mein Zwerchfell bedankt sich artig. Ideen muss man(n) haben. Mögen dich "eltwings" unbeschadet wieder nachhause bringen!

rudolfottokar hat gesagt…

na servas - da kommst ganz schön rum! pass auf dich auf...
am meisten interessieren mich die "hui" - schon rein phonetisch;)
stacqua kann ich da nur sagen.

rudolfottokar hat gesagt…

übrigens...stell deinen scheffel nicht so unters licht. du traust dich eh eine menge. ich fands in jungen jahren schon total abenteuerlich, allein mit dem zug nach dem mir völlig unbekannten ascona zum campen zu fahren....
(um vor ort festzustellen, dass es gar keinen campingplatz gibt)

_mathilda_ hat gesagt…

Die Welt wird kleiner, Rudolfottokar. Früher war Ascona auch eine ganz andere Welt.

Aber ich stimme dir zu: wer ein Jahr in China verbringt, hat keinen Grund so schüchtern zu tun ;)

ClemmieInChina hat gesagt…

Hallo erstmal :).
Stimme da mathilda völlig zu: Was in Deiner Jugend Ascona war, ist heute eben China. Aber das mit dem Campingplatz ... gewisse Dinge liegen offenbar in der Familie :D.

Danke jedenfalls für gute Wünsche und so ... bin auch schon sehr gespannt, was ich alles so sehen werde! Und "Hui" heißt übrigens "zurückkommen" bzw. "heimkehren". Schon an sich irgendwie putzig, finde ich ^^.

Anonym hat gesagt…

*zerkugel!* :))) Sooo beruhigend, dass du auch mit dir allein so einen Botznkoarl ham kannst! *kicher*
I "rerno" immer! (Captcha ist sehr sensitiv.)
Danke für diese grandiose Lachtherapie und das Vorführen des Streckenverlaufs. Ich hoff, der Schulter gehts wieder besser. Ist ja ein ziemlich großes und weites Vorhaben. Meine besten Wünsche für ein gutes Gelingen, und ein fröhliches HuiWui!

ClemmieInChina hat gesagt…

Hihi, das war aber ein fröhlicher Kommentar - das muntert doch gleich auf. Und das ist auch nötig. Wegen der Schulter. Ganz viel Au. *wehleidig.dreinschau*