Dienstag, 31. März 2009
Go West - III: Luoyang, Provinz Henan
Clemi und die Clos - ein unendliches Abenteuer
Heute habe ich die dritte Etappe zurueckgelegt. Und da kein Tag ohne eine zuenftige Toilettengeschichte aus dem Hause Bayer vergehen soll, weiss ich zu berichten: Ich fand im Zug von Bozhou nach Luoyang ein Luxusklo - mit Spezialeffekten! Ein Schild weist dortselbst den geneigten Nutzer darauf hin, doch tunlichst nach erfolgtem Geschaeft die Spuelung zu betaetigen. Hei, wie gross ist das Hallo wenn man, der Anweisung folgend, feststellt, dass eine Gesichtswaesche inkludiert ist! Froehlich sprueht ein Strahl direkt aus dem Rohr in mein erstauntes Antlitz und hoert nicht auf, bevor selbiges inklusive Pullover vollkommen durchtraenkt ist. Das ist fein, denn so staubt's wenigstens nicht.
Henan: Hoehlen im Loess
Das ist naemlich eigentlich ein Problem in der Provinz Henan: waehrend Anhui freundlich in subtropischer Feuchte dahinmodert, fehlt's hier an Wasser. Ich habe jetzt den trockenen Teil der Zentralebenen erreicht. Langsam naehere ich mich ja den Wuesten Nordchinas, und das macht sich - wer haette das gedacht - durch fehlendes Wasser bemerkbar. So wandelt sich waehrend meiner Fahrt die Umgebung von wenig interessanten, mit Feldern ueberzogenen Ebenen zu einer loessgelben Huegellandschaft - lehmig und staubtrocken. Zwischen Zhengzhou - der Hauptstadt von Henan - und Luoyang sehe ich auch zahllose Doerfer mit den beruehmten Wohnhoehlen. Denn in dieser Gegend wohnen viele Menschen in Hoehlen, die sie direkt in Abbrueche in den Loesshuegeln graben - die Eingaenge sind dabei oft zu richtigen Lehmportalen gestaltet. Im Winter ist es da drinnen warm, im Sommer kuehl - doch immer ist es mangels Fenster ausgesprochen duester. Oft sieht man auch Doerfer, in denen es neben diesen Hoehlen und normalen Haeusern auch Mischformen gibt. Dabei ist das Haus direkt an einen Lehmabbruch gebaut, und die hintere Mauer wird durch die senkrechte Lehmwand ersetzt. Gerne uebrigens auch in unmittelbarer Nachbarschaft zu den allgegenwaertigen Atomkraftwerken oder gigantischen Bergwerken. Wildromantisch, sozusagen.
Ich bin wieder uninteressant!
Doch dann in Luoyang: der Kulturschock! Keiler stuerzen sich in Scharen auf mich, Hochhaeuser, breite, saubere Strassen und ... keiner der normalen Passanten interessiert sich mehr fuer mich! Hey! Bin ich Euch etwa nicht mehr exotisch genug, oder was?
Der Kontrast zu Bozhou koennte drastischer nicht sein. Hier bin ich offenbar wieder im "zivilisierten" China. Dabei dachte ich, dies waere eine Kleinstadt. Vor lauter Schreck lasse ich mich - ganz untypisch - von einer besonders aufdringlichen Keilerin dazu ueberreden, mir ihr Hotel mal anzusehen. Und da dieses hervorragend gelegen ist, 13 Euro pro Nacht kostet und auch sonst sehr huebsch wirkt, quartiere ich mich dort fix ein.
So viel zu tun - so wenig Zeit
Luoyang ist bloed. Hier gibt es viel zu viel zu sehen! Daher kaufe ich noch kein Ticket fuer die Weiterreise und lasse auch meinen Checkout-Termin offen. Stattdessen erstehe ich am nahen Long-Distance-Bus-Terminal fuer morgen einen Busfahrschein zum Shaolin Tempel. Ich habe mit dieser formvollendeten Pruegeleikunst ja mal selbst ein bisschen herumgestuempert, und jetzt moechte ich mir das an deren Geburtsort direkt ansehen.
Dann gaebe es mit den Longmen-Grotten noch die wichtigsten buddhistischen Hoehlenkunstwerke Chinas zu bewundern, ausserdem den aeltesten erhaltenen buddhistischen Tempel dieses Landes, ein angeblich einzigartiges Museum mit Grabanlagen aus allen Dynastien, Bootsfahrten am nahegelegenen Huangho sowie die lebendige Altstadt von Luoyang - vor fast 1000 Jahren immerhin einmal fuer lange Zeit die Hauptstadt des chinesischen Reiches.
All das werde ich in zwei bis drei Tagen wohl nicht unterbringen, aber nach den eher geruhsamen Tagen im chinesischen Nirgendwo ist eine solche Kulturflut eine willkommene Abwechslung.
UND!
Hier sprechen die Chinesen wieder Chinesisch! Was man mir linguistisch in Anhui geboten hat, war ja nachgerade eine Unverschaemtheit. Ich habe ueberhaupt den Verdacht, dass die dort drueben gar keine Chinesen sind und auch nicht Chinesisch koennen. Das ist sicher irgendso eine Community von als Chinesen verkleideten Waldviertlern oder so - was die dort so von sich geben klingt ja durchaus sympathisch; aber verstehen tut das wirklich kein Mensch.
Ganz anders hier: Das von mir gesagte wird groesstenteils richtig interpretiert, und auch ich habe wieder mein gewohnt hohes Level an Hoerverstaendnis erreicht (= hier ein Wort und da ein Wort). Das ist gut fuer's Selbstbewusstsein, und da entschuldigt man auch gerne, dass man ja mittlerweile nach Nordchina vorgedrungen ist, und die Aussprache hier nun ein wenig die in dieser Region uebliche "Ich-habe-einen-ganzen-Erdapfel-im-Mund-und-spreche-trotzdem"-Charakteristik aufweist, wie wir Linguisten es ausdruecken.
Ab morgen bin ich dann wirklich im Besichtigungsstress. Hurra! ]:)
Montag, 30. März 2009
Go West - IIb: Skorpione und ein einsames Theater
Folgendes habe ich also nicht fotografiert:
* den groessten Markt fuer traditionelle Medizin in China, das beeindruckende Treiben in dessen Halle sowie die tausenden medizinischen Zutaten, die von Blumen, Pilzen und Hoelzern bis zu getrockneten Eidechsen und Kaefern reichen,
* einen 60-jaehrigen Experten fuer chinesische Medizin, der Sekunden nach meiner Ankunft an mir festwuchs und mich unter grossem Hallo der Aussteller durch die Halle fuehrte, wobei er mir genau erklaerte, was man gegen Husten, zur Kuehlung oder Waermung des Blutes oder zwecks Staerkung der Manneskraft anwendet und wie man dieses tue,
* meine sicher hoechst variantenreichen Gesichtsausdruecke,als er mich besonders ekelhafte Wurzelknollen oder geschabte Ochsenhoerner kosten liess,
* jenen Moment, als er mir erklaerte, dass der Stachel getrockneter Skorpione Kraft gaebe - und er zu Demonstrationszwecken einen solchen direkt von einem dieser Tierchen abbiss,
* all die schoenen Dinge, die mir von den Hunderten Haendlern geschenkt wurden: ein Scheibchen Holz (nun inklusive draufgeschriebener Notizen, wie ich damit Durchfall kurieren koennte), eine lange Stange von irgendetwas, das das Blut kuehlt und wie eine Koralle aussieht, sowie eine Familienpackung amerikanischer Zahnpasta mit Kraeutergeschmack, die aus mir nicht nachvollziehbaren Gruenden seine Begeisterung erweckte und die er daher extra fuer mich kaufte,
* jenen Moment persoenlicher Glorie, als ich Autogramme fuer die Einkaufenden schrieb - dank meiner grossen Leistung, Europaeer zu sein,
* die Fahrt zurueck zu meinem Hotel - denn mein neuer Freund bestand darauf, mich mit seinem Elektrofahrrad persoenlich hinzubringen. Nachdem er sogar ein bescheidenes Benzingeld mit teils koerperlicher Gewalt abgelehnt hatte, sah ich mich gezwungen, seine Einladung zum Mittagessen nicht anzunehmen, da mir das ganze wirklich langsam peinlich wurde.
Im Hotel holte ich dann meinen Akku und konnte den Rest des Tages bildlich dokumentieren.
Dieser war auch nicht ohne, wenn auch nicht ganz so unterhaltsam.
Einen Taxifahrer bat ich, mich zu bereits erwaehntem, antiken Theater "Hua Xilou" zu bringen. Und gut war's, denn auf diese Weise bemerkte ich, dass ich es bisher irgendwie geschafft hatte, die Altstadt - und damit den interessantesten Teil von Bozhou - vollkommen zu ignorieren. Dort war es wunderbar - uralte, teils wunderschoene, wenn auch heruntergekommene, Haeuser, verwinkelte Gaesschen, unzaehlige Strassenhaendler, Senioren, die in den Gassen Mahjongg spielen, keine Autos, aber ein wahnsinnig lebendiges Treiben, wie man sich China vorstellt, ich es aber ohne Touristen noch nie gesehen hatte.
Und das Theater? Das war vielleicht das schoenste Stueck Architektur, das ich bisher in China gesehen habe. Heeresscharen von Touristen pilgern zu irgendwelchen Tempeln in Shanghai, Millionen von Keilern vergaellen einem auch den fluechtigsten Blick auf Pekings Palaeste - und hier zog ich vollkommen alleine meine Runden und sah die wunderbarsten, feinst ziselierten Holzdaecher, praechtigste Steinfassaden und herrlich bunt bemalte Waende in diesem vollstaendig erhaltenen Theater aus dem 17. Jahrhundert.
Gestern war ich schon etwas skeptisch geworden, aber der heutige Tag bestaetigte mir wieder einmal, dass die schoensten Erlebnisse und die interessantesten Sehenswuerdigkeiten ueberraschend oft an den unbekanntesten Orten warten. In Oesterreich zahlen auslaendische Touristen ja auch lieber Horrorpreise und dulden Menschenmassen im zwar huebschen aber eigentlich unaufregenden Salzburg, als das meiner Meinung nach wesentlich sehenswertere (und guenstigere) Graz zu besuchen.
Ich bin gespannt, wie es in Xi'an wird - einer der Touristenhochburgen Chinas und ein absolutes Must-See. Morgen geht es aber zunaechst nach Luoyang und - hoffentlich - zum Tempel der beruehmten Shaolin-Moenche. Koennte sein, dass ich dann keine Zeit mehr habe zu posten, also Baba derweil ]:).
Sonntag, 29. März 2009
Go West - IIa: Haeusel, Revisited
Jaja, ich weiss eh, das bekommt hier irgendwie langsam einen faekal-fixierten Charakter - aber wenigstens kann man mir nicht nachsagen, ich waere zu elitaer in meiner Themenauswahl.
Es ist naemlich so, dass mich meine Mitreisenden im Zug zum ersten Mal richtig wahrnahmen, als ich durch den Waggon ging. (Und da kam ich halt gerade von der Toilette, also diesmal eh nicht so ungustig.) Bei dieser Gelegenheit war ich zum ersten Mal der bunte Hund - man winkte, lachte, grinste ... und mir war das zwar ein bisschen peinlich, aber andererseits ist das doch sehr nett, also laechelte ich zurueck, machte meine chinesischen Mitmenschen links und rechts mit einem zugerufenen "Hello!" gluecklich und war auch sonst recht leutselig.
Als ich gegen Ende der Fahrt das Klo erneut aufsuchte, wurde mir allerdings schlagartig bewusst, dass die viele Aufmerksamkeit wohl weniger auf meine fremde Herkunft oder gar mein gewinnendes Aeusseres zurueckzufuehren war, sondern vermutlich eher auf die Tatsache, dass durch mein sperrangelweit offenes Hosentuerl meterlang mein T-Shirt in den Raum wehte - und zur aesthetischen Abrundung noch der Guertel im Takt meiner Schritte ebenso offen wie prominent in der Gegend herumwedelte.
Ja, bei mir muss es natuerlich gleich die Koenigsdisziplin mangelhafter Post-Toiletten-Adjustierung sein. Ein simples offenes Hosentuerl waere viel zu profan.
Eine laessig in den Raum geworfene Erklaerung in Richtung: "Das traegt man in Europa grad so" verwarf ich mangels Glaubwuerdigkeit, und entschied mich stattdessen dafuer, ob des sich nicht und nicht auftun wollenden Bodens lieber vor Scham in meinem (harten) Sitz zu versinken.
Zumindest hatte ich heute frueh nicht die Winnie-the-Puh-Boxershort zur Unterhose meiner Wahl bestimmt.
Go West - II: Bozhou, Provinz Anhui
So bin ich also nach fast fuenf Stunden Fahrt hier in Bozhou angekommen, im aeussersten Norden Anhuis, beruehmt als wichtigstes Handelszentrum fuer chinesische Medizin in Zentralchina und als Geburtsort der Kriegerin Mulan sowie des beruechtigten Feldherrn Caocao - und ansonsten ein richtiges Kaff.
Schon die Fahrt ist interessant. Die Landschaft im Norden von Anhui ist vollkommen flach und von Feldern ueberzogen. Die Doerfchen dazwischen sind von unglaublicher Trostlosigkeit: Die kleinen Wege zwischen den voellig verfallenen Rohziegel- oder Lehmbauten sind stets unasphaltiert, und auch die Verbindungsstrassen zwischen den Orten sind zumeist aus Lehm und uebersaet mit Schlagloechern. Mein Zug stammt diesmal auch zirka aus Moses Zeiten, seine Sitze sind hart, aber eng. Auch fuer lange, westliche Beine ist kaum Platz vorgesehen - dafuer bringen die Bauern und Tageloehner, mit denen ich den Zug teile, gigantische Saecke und Schachteln von grossartigem olfaktorischem Reichtum mit.
Die Toilette des Zugs verdient besondere Aufmerksamkeit. Es ist natuerlich das landesuebliche Plumpsklo, nur diesmal in der flaechendeckend zugeschissenen Variante. Woher das kommt ermittle ich empirisch beim Aufdrehen des kleinen Wasserhahns zur "Spuelung": Das Wasser rinnt aus diesem einfach auf den Boden des winzigen Raumes, und sobald dieser - inklusive meiner Schuhe - voellig ueberschwemmt ist, rinnt auch ein bisschen etwas das Kloloch hinunter und verteilt dessen Inhalt ... Entschuldigung, ich hoffe, Ihr esst nicht gerade ]:D.
Nach Bozhou schliesslich verirrt sich offenbar wirklich nie ein Westler. Kaum angekommen, metamorphiere ich umgehend zur groessten Attraktion fuer die lokale Bevoelkerung: Ich werde bestaunt, angelacht, gerufen - und von Jugendlichen, die ihren Augen nicht trauen, mittels Moped mehrmals umkreist. Unbeachtet untertauchen spielt's hier sicher nicht.
Der ganze Ort ist fuer mich eine voellig neue Erfahrung: Keine Hochhaeuser, kaum Leuchtreklamen und eine seltsame Weite. Die Menschen hier sind auch anders: sehr freundlich und nett, aber eher introvertiert und ruhig - eigentlich sehr angenehm.
Der Anhui-Dialekt allerdings ist eine Frechheit, mit Verlaub. Das ist ein Gesaeusel, dass es nur so eine Freude ist. Konsonanten kennt man hier offenbar gar keine, dafuer spricht man mehr durch die Nase als durch den Mund. So wenig wie hier habe ich nicht einmal in Sichuan verstanden. Das macht aber nix, ich wende einfach wieder meine alte Kommunikationsmethode an: freundlich grinsen, nicken, in regelmaessigen Abstaenden "Oesterreich", "Ich studiere Chinesisch in Shanghai" und "Ja" sagen - und hoffen, dass ungefaehr das folgt, was man sich vorgestellt hat. Manchmal bekommt man aber auch ein Stueck Bohnenpaste in die Hand.
Gleich heute, am ersten Tag, krieche ich durch einen uralten, unterirdischen Tunnel des Militaerstrategen Caocao, fuer morgen habe ich mir den groessten Markt traditioneller chinesischer Medizin in Ostchina und ein kleines Theatermuseum vorgenommen. Fuer uebermorgen habe ich bereits ein Zugticket nach Luoyang, die alte Hauptstadt der Song-Dynastie. Mir wird also nicht fad.
Freitag, 27. März 2009
Go West - I: Hefei, Provinz Anhui
Ich melde mich live aus einem Internet Cafe in Hefei, Hauptstadt der weitestgehend unbekannten Provinz Anhui und erste Station meiner Reise. Irgendwie konnte ich nicht widerstehen, mich sofort und vor Ort zu melden - wer weiss, wie oft mir das noch moeglich ist. Da das Wetter aber nach drei strahlend schoenen, fast fruehsommerlichen Tagen erwartungsgemaess heute frueh rechtzeitig zu meiner Abreise auf kalt, nebelig und regnerisch umgeschalten hat, versaeume ich draussen nicht allzu viel.
Ihr alle muesst nun mit fehlenden Umlauten und scharfen "s" leben, da ich ein chinesisches Keyboard benutze. Aber warum soll es Euch besser gehen als mir, der ich nun jeden Punkt und jedes Komma sekundenlang zu suchen gezwungen bin?
Ich war uebrigens wahnsinnig effizient, Chaos-technisch. Schon in Shanghai gelang es mir, zunaechst kein Taxi zu erwischen und dann mein Fruehstueck am Bahnhof genau so zu timen, dass ich es nicht fertig essen konnte, weil ich sonst den Zug versaeumt haette. Bevor ich aber an Bord sprintete, kaufte ich noch einen Strassenplan von ganz China, da ich trotz vielfachen Durchdenkens meines Reisegepaecks einen solchen natuerlich zu Hause vergessen habe.
An Bord des hypermodernen Zugs, der mit 250 km/h brausend die 500 Kilometer zwischen Shanghai und Hefei innerhalb von drei Stunden zuruecklegt (es gibt einige Aufenthalte auf der Strecke, Anm. fuer Hobbyrechner), bemerke ich, dass ich es irgendwie geschafft habe, meinen Fotoapparat auf dem laecherlichen Stueck zwischen Taxi und Zug anzubauen. Grossartig. Wenn ich mein Hab und Gut weiter so gleichmaessig ueber China verstreue, stehe ich dann in Xining nackt da. Meine erste Aufgabe in Hefei ist somit etabliert: Wir kaufen einen neuen Fotoapparat.
Wie ueblich, wenn ich im Zug sitzend versuche, die Landschaft um mich herum zu geniessen, haengt Nebel ueber selbiger. Immerhin ist dieser diesmal aber duenn genug, um ein bisschen etwas zu erkennen. Nach der Durchquerung des vollkommen flachen Yangtse-Deltas um Shanghai - mit seiner fast geschlossenen Besiedlung, seinen reizvollen Atomkraftwerken, Baustellen und Industrieanlagen - geht die Landschaft langsam in eine reizvollere, laendlichere Huegellandschaft ueber, und zwar etwa kurz vor Nanjing, der Hauptstadt der noerdlich an Shanghai angrenzenden Provinz Jiangsu.
Die Grenze zur Provinz Anhui ist eine gebirgige, wilde Gegend, nach deren Durchquerung man im zentralen Anhui wieder auf eine Ebene stoesst, die von gelb bluehenden Reisfeldern ueberzogen ist. Ansonsten ist es hier richtig einsam - kaum je erblickt man Siedlungen, und wenn, dann sind es winzige, unglaublich trostlose Doerfer mit grauen, verfallenen Gebaeuden und zumeist unbefestigten Strassen. Dazwischen grasen herrenlose Wasserbueffel und alles ist mit Marterl-aehnlichen, etwa mannshohen Stelen ueberzogen, deren Zweck mir unbekannt ist. Aber huebsch schaut's aus.
In Hefei selbst beginnt der Regen freundlicherweise damit, so richtig anzufangen, und ich habe das Vergnuegen, mit Backpack, Tagesrucksack und grummeliger Miene Ewigkeiten auf ein Taxi zu warten. Den freundlichen Herrn hinter dem Steuer eines solchen frage ich dann dafuer gleich nach einem "moeglichst billigen" Hotel. Im Zwiegespraech stelle ich fest: Ja, man spricht in Anhui Hochchinesisch - aber der Akzent klingt ein bisschen nach dem chinesischen Aequivalent des Steirischen.
Er telefoniert ein wenig herum und kutschiert mich dann durch den dichten Abendverkehr zu einem wunderschoenen Viersterne-Hotel. Eh klar. Das verstehen wir Europaer naemlich unter "moeglichst billig". Dort werde ich vom unglaublich freundlichen Vize-Manager sofort adoptiert, bekomme zu meiner Freude ein Zimmer um 25 Euro pro Nacht, das sofort um den gleichen Preis zu einer Manager-Suite upgegradet wird. Ich residiere nun am "Executive Floor" im 18. Stock und werde ganz sicher irgendwann meine Massagedusche und Glasbadewanne ausprobieren - wenn ich nicht damit beschaeftigt bin, auf dem 1-Meter-Plasmamonitor fernzusehen oder oder auf meinem privaten Laufband zu trainieren.
Auf meinem Weg zurueck hinunter in die Lobby empfaengt mich der Manager - "Charles", so sein englischer Name - persoenlich mit einem Gutschein fuer ein Gratis-Dinner im nagelneuen, hoteleigenen Luxusrestaurant. Dort waehle ich aus einem reichhaltigen chinesisch-internationalen Buffet - unter anderem einen der besten "Viennese Apple Strudels", die ich je gegessen habe.
Momentan verdaue ich neben dem Dinner noch den Schock. Wenn mein grosses "Backpacking-Abenteuer" so weitergeht, wird mir mein Studentenzimmer danach viel zu minder sein, fuerchte ich.
Aber jetzt muss ich endlich raus in den Regen, einen Fotoapparat kaufen - und einen ersten Blick auf Hefei werfen - eine Stadt, ueber die ich immerhin gar nichts weiss. Das Zugticket fuer die naechste Etappe, Bozhou, habe ich bereits gekauft - uebermorgen fahre ich los. Dort werde ich, glaube ich, selbst auf die Suche nach einem wirklich schlichten Hostel gehen, damit ich nicht in Versuchung komme, meinen gesamten Aufenthalt im Zimmer zu verbringen.
Donnerstag, 26. März 2009
The Journey To The West
Euch wünsche ich derweil alles Gute - ich melde mich wieder sobald ich kann.
Alohaaaaaa!
Montag, 23. März 2009
Bayers beste Bettchen-Bücher
Von unseren deutschen Freunden wissen wir: Ein Titel – egal wofür – ist gleich mindestens dreimal so lustig, wenn er alliteriert. Daher dieser beschwingt-kreative Einstieg.
Zur Sache.
Ich stehe dazu: Ich bin in China - und lese trotzdem fast täglich ganz fad alleine in meinem Zimmer in irgendeinem Buch (oder in zweien). Natürlich lese ich dabei selten Chinesisch – einzige konsistente Ausnahme sind die Speisekarten diverser Restaurants und das Kinderbuch „Pan Gu erschafft die Welt“ (盘古开天). Nichtsdestomehr nennt China netterweise eine Unmenge an Büchergeschäften vom Ausmaß mehrerer Kleinstädte sein eigen (ihr eigen? Frau oder Herr China?), und in diesen Geschäften gibt es des öfteren fremdsprachige Abteilungen, in welchen auch Übersetzungen chinesischer Autoren breiter Raum eingeräumt wird. (Wortwiederholung. Immer schon einer meiner häufigsten stilistischen Stilfehler gewesen. Neben falsch gesetzten Beistrichen, übrigens.)
Dies schreibe ich nicht in der Absicht, das Internet vollzufüllen, damit endlich eine Ruh’ ist mit dem Geposte, sondern weil ich jetzt dann gleich meine Leseliste veröffentlichen werde. Fragts mich nicht warum, ich weiß es selbst nicht – aber mir ist gerade danach.
Es folgt also eine Aufstellung jener Bücher, die ich seit September 2008 hier in China las – und meine diesbezüglichen Empfehlungen. Hallali.
Bruno Baumann: Die Wüste Gobi
Herr Baumann ist Erlebnisreisender vom Schlage „Im Handstand Freudeschönergötterfunken rülpsend durch den Himalaya“. Und ganz entsprechend dieser Veranlagung geht er uns in diesem Buch mit immer neuen Reflexionen auf die Nerven, wie verdammenswert doch alles Touristische in dieser Welt sei, und wie hoch zu preisen seine eigene zu-Fuß-Durchquerung des ganz, ganz schlimmen Teils der Wüste Gobi. Sprachlich stets gekonnt balancierend zwischen Maturaaufsatz und Weiterbildungskurs „Poetisch Schreiben für Legastheniker“, eröffnet dieses Buch mehr Einblicke in Brunos Seele als in die eigentliche Wüste. Liest sich aber trotz allem recht unterhaltlich.
Dirk Sager: Berlin – Saigon
Es muss etwas Deutsches sein, dieses Durchqueren-von-Gegenden-und-dann-drüber-schreiben. (Ok, ich tu’s ja auch. Nur halt in der Sparvariante. Aber als Österreicher bin ich ja auch nur so was wie ein Spar-Deutscher.) Dieser Herr tut’s auch, allerdings mit dem Zug und gut geschrieben (wenn auch etwas altertümelnd). Man erfährt dabei viel über so exotische Gegenden wie Berlin oder Kasachstan.
Douglas Adams: Das Restaurant am Ende des Universums
Douglas Adams: Das Leben, das Universum und der ganze Rest
Eine vielgepriesene Trilogie, deren erster Teil mich eher enttäuscht hat. Nur logisch, dass ich mich daraufhin auch noch den o.a. Teilen zwei und drei hingeben musste. Und gut war’s. Selten so einen himmelschreienden Quargel gelesen – und das meine ich hier als großes Kompliment!
Qiu Xiaolong: Schwarz auf Rot
Der dritte Teil von Herrn Qius Krimiserie über einen Polizei-Inspektor in Shanghai. Wirklich sehr zu empfehlen: spannend, gut geschrieben, unterhaltsam – und dieser Teil spielt noch dazu teilweise in der Fudan-Universität!
Yu Hua: Chronicle of a Blood Merchant
Yu Hua: Cries in the Drizzle
Einer der wichtigsten zeitgenössischen Autoren – und seine zwei bekanntesten Bücher. Während aber den meisten Chinesen Elfriede Jelinek, Hermann Hesse oder Max Frisch durchaus geläufig sind, kann man selbiges von uns Deutschsprachigen umgekehrt nicht erwarten – so kannte auch ich diesen Autor vor meinem China-Aufenthalt nicht.
Beide Bücher beschreiben das Leben fiktiver Durchschnittsmenschen in chinesischen Dörfern vor, während und nach der Kulturrevolution in erschreckender Härte – und gleichzeitig ebenso wunderbarer wie ungewohnter, poetischer Sprache. Sehr, sehr empfehlenswert.
Ha Jin: Waiting
Ein weiterer, ebenso wichtiger zeitgenössischer Autor – und ein Buch, das vielleicht sogar noch empfehlenswerter ist. Im Prinzip eine Liebesgeschichte, was ich sonst eher pfui finde, und ebenfalls vor dem Hintergrund der Kulturrevolution. Sehr berührend, schockierend, spannend, humorvoll – dieses Buch hat einfach alles. Außer Bilder zum Ausmalen. Sehr schade.
Haruki Murakami: The Wind-up Bird Chronicle
Hochgelobt von allen Seiten wollte ich einmal wissen, warum mir die Werke dieses Mannes irgendwie unsympathisch waren, noch bevor ich irgendeines gelesen hatte. Jetzt weiß ich es. Die erste Hälfte ist ein wenig prätentiös, liest sich aber wirklich gut. Die zweite Hälfte bringt dann eine Steigerung: Es wird noch prätentiöser. Irgendwie ein bisschen hau-drauf-poetisch und hau-ruck-ausgefallen. Nicht so ganz mein Ding – aber vielleicht liest es sich im japanischen Original ja auch völlig anders.
Paulo Coelho: The Alchemist
Ein zweiter Autor, der mir vom Hörensagen unsympathisch war. Und hier muss ich haufenweise Oxidationsrückstände manuell ins Haupthaar einarbeiten, denn dieses Buch ist in all seiner Schlichtheit wirklich wunderschön. Fand ich halt. Außerdem grinst der Herr Coelho auf dem Umschlagsfoto so nett.
J. D. Spence: Emperor of China - Self Portrait of Kang-Hsi
Das ist interessant: In jahrelanger Kleinarbeit hat irgendsoein amerikanischer Historiker aus Originalbriefen, -schriften und wahrscheinlich auch Talkshow-Mitschnitten eine Autobiografie des berühmten Qing-Dynastie-Kaisers Kang-Hsi (Mitte 17. – Anfang 18. Jhd.) erstellt. Man kann also dem Kaiser von China gewissermaßen beim Regieren zusehen. Faszinierend.
Wu Ch’eng-en: A Journey to the West
Einer DER Klassiker der chinesischen Literatur, vergleichbar vielleicht der "Odyssee" (nur halt aus dem 16. Jahrhundert). Inhaltlich eine Allegorie auf den taoistisch-buddhistischen Weg zur Erleuchtung, hindert das den Schinken nicht im geringsten daran, unheimlich zu fetzen. Sehr lustig ]:).
Momentan lese ich gerade den 1.100-Seiten-Wälzer „The Pillars of the Earth“ – hochbekannter Bestseller der historischen Unterhaltungsliteratur um den Bau einer Kathedrale im mittelalterlichen England. Lässt sich gut an – wenn’s so bleibt, rehabilitiere ich auch Ken Follett unbekannterweise vor meinem gestrengen, inneren Gericht. Da freut er sich sicher.
PS: Buchkritiken sind für mich etwas prinzipiell Unfaires … jemand, der selbst zumeist noch nicht einmal ein wirklich schlechtes Buch zusammengebracht hat, maßt sich an, über Werke ihm völlig unbekannter Personen ein letztlich doch nur seinen eigenen Geschmack als Maßstab anwendendes, zumeist aber dennoch allgemeingültig formuliertes Urteil abzugeben.
Deshalb schreibe ich auch keine. Dies ist nur meine Leseliste – und meine persönlichen Meinungen.
Sonntag, 22. März 2009
Was brachte das Wochenende?
"The tea tree mushroom explodes the ricefield eel willow tree", was zumindest in der Übersetzung einen gewissen Atomkrieg-Charme aufkommen lässt, aber trotzdem hervorragend mundete.
Danach ging es weiter in das "Yin Yang" - die älteste Bar Shanghais.
Dort stellten Namhee (Korea-Neuseeland), Takaaki (Japan) und Henry (Hong Kong-Kanada) zur gemeinsamen Überraschung fest, dass man mit einem elektronischen Wörterbuch nicht telefonieren kann.
Dann begann es zu donnern, zu blitzen und der Himmel öffnete seine Pforten (= es schiffte). Also riefen wir ein Taxi für den Heimweg, was in Shanghai bei Regen eine echte Herausforderung ist, da dann etwa 15 Millionen Mit-Chinesen simultan auf die gleiche großartige Idee kommen.
Wir schafften es, indem wir einfach vier Mann + eine Frau in ein Taxi komprimierten. Mihee verbirgt schüchtern ihr Antlitz unter dem Mantel (links im Bild) und wurde dafür von mir durch die Veröffentlichung des obigen Killer-Bildes bestraft (hihi). Joe neben ihr ist Henrys Zimmerkollege, der sich zu späterer Stunde zu uns gesellte und dafür sorgte, dass eben erwähnter Henry fast bei der Taxitüre hinausgequetscht wurde, wie auf diesem Foto eindrucksvoll ersichtlich.
Ganz nebenbei habe ich dieses Wochenende noch eine Privatparty mir völlig unbekannter junger Menschen besucht, sehr viele Vokabel gelernt, die Wohnung geputzt, mein Handy aufgeladen und in Vorbereitung auf meine große Reise viele Unterhosen gekauft, verbrachte also geruhsame Tage, die ich hiermit mit Euch geteilt habe. Schönen Wochenbeginn allerseits!
Dienstag, 17. März 2009
Der magische Pullover
Gut Ding braucht bei mir bisweilen Ewigkeit. Daher erstand ich erst vorgestern dieses Prachtstück aus warmer Winterwolle:
Sonntag, 15. März 2009
Die Große Reise ... oder: Zu blöd für den Selbstauslöser
es spricht zu Ihnen ein Mann, der noch vor zwei Jahren erschauderte angesichts eines Wochenendes in der Steiermark OHNE zuvor jede Minute durchgeplant zu haben.
Dieser Mann kam nach China, gleichsam um sich selbst zuzurufen: "Heast! Trau di wos, du Nudlaug!"
Dieses tat ich in den vergangenen Monaten ausgiebigst, und siehe da: Die wohlgesetzten Worte zeigten Wirkung. Mit jeder Reise, die ich antrat, verschob ich persönliche Grenzen, erweiterte meinen Horizont, erschloss ich mir die Welt im allgemeinen und China im speziellen ein wenig mehr und verstärkte meinen Verspannungskopfschmerz erheblich.
Meine noch ausständige "Kür" nannte ich "Die Große Reise". ("Koarl" wäre auch gegangen, aber der Name war schon vergeben.) An diese - und damit mich selbst - stellte ich folgende Anforderungen:
1.) Auf der Reise sollte ich mehr als die Hälfte Chinas durchqueren,
B.) es müssen dabei - rein auf dem Landweg - mehrere Etappen zurückgelegt werden,
IV.) eine bunte Kombination aus touristischen und nicht-touristischen, aus städtischen und ländlichen, aus nahen und fernen Destinationen soll abgedeckt und
3.) der Spontanität (für meine bescheidenen Verhältnisse) weiter Raum eingeräumt werden.
Die Eckdaten eben dieser Reise habe ich heute fixiert.
Da ich aber nun mal nicht anders kann (und es ja auch Spaß macht), habe ich den groben Streckenverlauf natürlich schon mal durchdacht, und auch der zeitliche Rahmen war (aus Uni-technischen Gründen) im voraus festzulegen: Am 27. März geht es also los, am 13. April werde ich - Inshalah - wieder zurückkehren.
Wo mich die Reise dabei hinführen wird (oder auch nicht), möchte ich gerne jetzt schon ebenso kurz wie groß ankündigen, damit es dann umso lustiger ist, wenn ich's kaum aus Shanghai rausschaffe.
Vom Blog-gestalterischen Gesichtspunkt war dabei meine geniale Idee, Euch meine Route visuell näherzubringen. Nichts schiene mir dafür besser geeignet als die große China-Karte, die mein Zimmerchen schmückt. Sehet also her, liebe Leute, und werdet gleichzeitig Zeuge, dass eine Kombination aus nicht frei-wählbarer (und meiner Meinung nach zu kurzer) Selbstauslöser-Zeit, einer schwer erreichbaren (weil hinter Tisch und Bett angebrachten) Landkarte sowie sonstiger widriger Umstände (i.e. Darsteller von zweifelhafter Körperbeherrschung) selbst ein solch simples Unterfangen zu einem Abenteuer werden lässt - und fragen Sie sich gemeinsam mit mir, wie ein solcher Mensch jemals per Backpack halb China durchqueren wollen kann!
Zirka hier, im äußersten Norden Anhuis, liegt das kleine Städtchen Bozhou. Auch dort fährt kein Schwein hin, obwohl es eines der wichtigsten Zentren für chinesische Medizin in China und außerdem Geburtsort der berühmten Frauenkriegerin Mulan ist.
Der nächste Stopp ist ...
ähm ... auf die Schnelle ein bissl schwierig zu finden. Vor allem, wenn der blöde Selbstauslöser so unerwartet ...
... ah hier! Der rosarote Fleck ist die Provinz Henan. Dort spricht man seltsam, hat aber neben der uralten China-Hauptstadt Luoyang mit ihren berühmten Longmen-Höhlen (die über 100.000 Buddhabildnisse beherbergen) auch das Shaolin-Kloster zu bieten, wo sich ganz viele Mönche ganz viel prügeln. Und da kann man zuschauen.
Merke: Findet man mal ein Ziel rasch, heißt das noch lange nicht, dass sich vorher noch ein Schluck Wasser ausgeht.
An der Spitze meines Bleistifts gelegen (nicht immer ... nur in diesem speziellen Fall): Xi'an, Hauptstadt der Provinz Shaanxi und eines der wichtigsten Besichtigungsziele Chinas. Schenke ich meinem Reiseführer Glauben, ist diese große Stadt ein lebendes Museum und alles an ihr ist sehenswert: sie selbst, die alte Stadtmauer, unzählige Tempel und Moscheen - und die weltberühmte Terracotta-Armee. Außerdem ist Xi'an der östliche Anfangspunkt der Seidenstraße, auf die ich genau hier einschwenke und bis zum Ende der Reise bleibe. (Prost.)
Das nächste Ziel ist wieder ein bisschen schwieriger zu finden, also beeile ich mich diesmal nach dem Auslösen ein bisschen ...
... und werde hinterhältig von meinem Bett attackiert! Schön, dass dieser Moment meines heldenmütigen Kampfes auf diese Art für die Nachwelt festgehalten wurde.
Doch keine Angst, liebe Abenteuerfreunde, dem Helden ist nichts passiert, nur die Schulter schloss ungewollte Bekanntschaft mit der Tischkante (Symbolfoto).
Mein Bleistift fand mittlerweile die nächste Station: Lanzhou, Hauptstadt der Wüstenprovinz Gansu, Heimat der "Hui" - der muslimischen Minderheit Chinas - und stolze Trägerin des Titels "Am schlimmsten verschmutzte Stadt der Welt". Das wird eine willkommene Abwechslung nach all diesen tollen, schönen Sehenswürdigkeiten in Xi'an.
Als nächstes ...
... ruft Max an und will irgendwas wissen. Mir ist jetzt schon alles wurscht, also lasse ich den Selbstauslöser walten.
Jetzt aber: Das ist Xining, Haupstadt der Provinz Qinghai, gelegen auf 2.300 Metern Seehöhe auf dem tibetischen Hochplateau. Dies soll der Endpunkt meiner Reise sein - eine der ärmsten Provinzen Chinas, von großer landschaftlicher Schönheit und unverdorbener Teil des tibetischen Kulturkreises. Das war mein wohl größter Traum in Bezug auf China: einmal diesen Ort erreichen!
Nun ... immerhin auf der Karte habe ich ihn schon mal sowohl gefunden als auch relativ schmerzfrei erreicht. Man darf gespannt sein, ob mir das auch in real gelingen wird.
Nun ist mir natürlich klar, dass das weder nach der Spontanität äußerstem Extrem, noch nach Abenteuer pur klingt; aber erstens bin ich (vgl. Einleitung) ein feiger Hund, und zweitens gibt's genügend Faktoren, die diese Reise meinen eigenen Anforderungen genügen lassen: Der genaue Zeitplan steht nicht fest, es ist nichts vorgebucht, die Orte und Strecke sind nur eine Richtlinie - ich werde also während der Fahrt über den genauen Verlauf und die Stopps entscheiden - ich habe keine Ahnung, was mich dort erwartet und welche jeweiligen Dialekte man jeweils spricht, lasse mich also überraschen, wie die Verständigung so klappen wird - und ich decke immerhin weit über 2.000 Kilometer teilweise abenteuerlicher Strecke mit dem Zug ab. Das reicht mir schon. Im Go-Kart rund um den Äquator fahr' ich dann vielleicht nächstes Jahr.
Der Countdown läuft :).
Mittwoch, 11. März 2009
Mein schönster Tag in Uruguay
Als nächstes bin ich dann vom Pütschama in das normale Gewand gewechselt und habe mir die Zähne geputzt und davor noch mein Frühstück gegessen.
Als ich dann draußen ins Freie gegangen bin, das was auch in Uruguay genau vor der Haustüre anfangt und dann noch ziemlich lang so weitergeht, hat die Sonne schon gescheint. Das verdanken wir dem vorigen Aufgehen.
Vor dem Haus, in dem was ich in Uruguay wohne, befindet sich außer dem Freien noch ein paar Pferde, die was auf einer so genannten Kopfel ein Gras fressen. Jeden Tag, nachdem ich das Haus verlassen habe, befinde ich mich im Freien und tue die Pferde streicheln, weil das nämlich ich mag, und das Pferd hat auch nix dagegen. Ich freu mich dann sehr, und das Pferd manchmal auch.
Ich wohne in der Nähe von der Hauptstadt von Uruguay. Die Hauptstadt von Uruguay heißt Montevideo. Aber das macht nichts, weil die Einwohner haben sich schon daran gewöhnt.
In Uruguay sprechen die Leute Spanisch und nicht Uruguayisch, weil sonst würden sie ja nix verstehen. Das ist praktisch, weil ich spreche auch kein Spanisch und außerdem auch kein Uruguayisch, also verstehe ich auch nix – genau wie die Uruguayer. Dafür kann ich gut pfeifen und meine Wimmerln so fest ausdrücken, dass nachher der Spiegel ganz voller gelbe Tupferln ist.
Der Tag, der was nach der Früh, in der ich aufgestanden bin, gekommen ist, war dann auch sehr schön. Weil zuerst hab ich schon geschrieben, dass der Sonnenaufgang schön war, und das Pferd hab ich auch sehr genossen, wie ich es gestreichelt habe. Und danach habe ich mir bei dem Uruguayischen Bäcker ums Eck ein Brot gekauft, das was mir sehr gemundet hat. Das war noch zusätzlich auch sehr schön.
Den ganzen Nachmittag hab ich dann noch Sachen gemacht, die noch viel lustiger waren und die auch der eigentliche Grund sind, warum ich da oben geschrieben habe „Mein schönster Tag in Uruguay“, weil es wirklich sehr lustig war, und außerdem auch noch viel Spaß gemacht hat. Sogar dem Pferd. Ich mag aber jetzt nimmer schreiben, weil es ist sehr anstrengend, so lange Sätze zu machen. Aber es war wirklich sehr, sehr schön.
Am Abend ist es in Uruguay immer noch Uruguay, nur halt in Dunkel. Das ist dann nimmer so schön, glaub ich, aber ich bin nicht sicher, weil ich seh dann nix mehr. Deswegen gehe ich dann oft auch gerne schlafen und freue mich auf den nächsten Tag, der in Uruguay meistens dann auch wieder sehr schön wird. Und auch wenn er nicht schön wird, ist das schön, weil dann muss ich nicht so blöde Aufsätze für die blöde Uruguayische Lehrerin schreiben, die was immer nur Spanisch redet, was ich eh nicht versteh, und ich find, warum sie dann nicht gleich Uruguayisch spricht, weil das tät ich auch nicht verstehen, aber vielleicht wär sie dann nicht dauernd so grantig mit mir, weil sie sich auch wohler fühlen tät. Und ich würd ihr dann auch die Sonne beim Aufgehen zeigen, und das Pferd vielleicht.
Das war ein sehr schönes Erlebnis.
PS: Also SO würde sich das anfühlen, hätte ich meine Auszeit nicht als Erwachsener in China, sondern als Kind in Uruguay genommen. Lustig. Das Leben hat so viel zu bieten, wenn man ein bissl einen Poscher hat.
Dienstag, 10. März 2009
Montag, 9. März 2009
Small Talk - live!
Jajajaja ... bin ja schon da! Seid's nicht so ungeduldig, man ist ja schließlich fleißig und folglich im Stress.
Aaaber dafür darf ich auch gleich eine kleine Sensation präsentieren: Ich, live und in 2D, im angeregten Small Talk mit einem original Shanghaier Taxifahrer!
Im Verlauf dieses atemberaubenden Dialoges werdet Ihr (Courtesy Josi K., die geheim mitfilmte) nicht nur intimste Einblicke in das Innere eines chinesischen Taxis und dessen Fahrer bekommen (bildlich gesprochen) - Ihr habt auch die einmalige Chance, mich bei der ebenso flüssigen wie grammatikalisch tadellosen Anwendung meiner Chinesischkenntnisse zu erleben!
Bevor man meine Worte aber ob der nun verständlicherweise losbrechenden Begeisterungsstürme womöglich gar nicht mehr hört, lasse ich flugs das Filmchen folgen. Jenen unter Euch, die dem Dialog aufgrund der komplexen Thematiken (oder aufgrund unzureichender Sprachkenntnisse) nicht ganz folgen können, rufe ich zu: "Zaget nicht! Ich fügte unten eine Übersetzung an!" Exklusiv und wortgetreu übertragen von einem der angesehensten hiesigen Experten für Taxi-Smalltalk (= mir selbst).
So lassen wir es denn krachen:
Simultan-Übersetzung:
T ... TaxifahrerC ... Clemmie
T: Dein Chinesisch ist wirklich gut! Österreicher sind sehr klug!
C: Aber geh, aber geh - zu höflich! Momentan nix gut, aber ich hoffe, äh, ich hoffe ... öh ... zurück in mein Land ...
T: ... nachdem Du in Dein Land zurückgekehrt bist?
C: ... zurückgekehrtem Zeitpunkt ist mein Chinesisch ein bisschen besser sein!
T: Aber natürlich. Da kannst Du sicher sein!
C: Ich hoffe ...
T: Sind die zwei Mädels Deine Studienkolleginnen?
C: Sie sind Freundinnen ... sie ... sie ...*keuch*.... jetzt gekommen nach Shanghai, um mich zu besuchen.
T: Sind sie auch aus Österreich?
C: Ja. Sie sind ... äh ... sind in China zwei Wooooo ... chen.
T: Ah, sie sind vor zwei Wochen angekommen.
C: Ja. Wir tun besichtigen ein bissl. Höhö.
----> Ovationen <----
Montag, 2. März 2009
Ein Satz zum heutigen Tage
Spontaner Zirkus
Dann ein bisschen Reifenhüpfen. Gerne auch mehrere heftigst saltierende Menschen gleichzeitig, die sich im Sprunge eben ein wenig zusammenfalteten, um genügend Platz zu schaffen.
Platz ist überhaupt das Stichwort, denn die Chinesen haben ja nicht so viel davon. Und so war der nächste Programmpunkt einfach nur aus dem Leben gegriffen: Bilder wie diese sieht man nicht selten auch in Shanghais normalem Straßenverkehr, wenn sich die gesamte Family zum Sonntagsausflug auf ein Fahrrad packt. Familie Wang (= chinesische Entsprechung zu den Sackbauers) ist dabei im Regelfall allerdings nicht so farbenfroh gekleidet.
Ein weiterer wichtiger Skill direkt aus Shanghais Straßenverkehr: der dreifach eingesprungene Rittberger am rollenden Fahrrad - meist zur Vermeidung von Kollisionen.
Doch nicht nur der Alltag auf Chinas Straßen wurde in der Show eingefangen - auch Haushaltsgegenstände wurden für einen Abend zu Stars. So zum Beispiel diese auf einer sehr beweglichen Dame gestapelten Gläser ...
... jene unter der beweglichen Dame gestapelten Sesseln ...
... oder auch Tassen, die auf Untertassen, die auf Stöcken, die von beweglichen Damen, die auf anderen beweglichen Damen turnen gehalten werden rotieren stehen.
Doch Shanghai wäre nicht Shanghai, wenn nicht selbst im Zirkus der Verkehr Dinge tun würde - ich sage nur: Pfumm!
In diesem Fall: in eine Kugel gestopft zu werden, wo nur ganz wenig Platz ist. Wie gesagt - mit auf engsten Raum gepacktem, halsbrecherischem Fahren haben die Shanghaier viel Erfahrung. Daher zum Abschluss noch ein Filmchen aus den ABS (Austrian Bayer Studios) mit dem Titel
"Helmis Nemesis"