Donnerstag, 20. November 2008

Ein Weihnachtsmärchen?

Was macht Klein-Clemi allein im großen China eigentlich zu Weihnachten?

Diese Frage begann mich anlässlich meiner ersten Adventzeit ohne jeden Weihnachtskitsch, Punsch oder lebensgefährliche Einkaufssamstage auf der Mariahilferstraße jüngst heftig zu bewegen; denn schließlich wird hierzulande Weihnachten überhaupt nicht gefeiert - und viele meiner hiesigen Bekannten werden während der Ferien nicht in Shanghai sein. Daher beschloss ich kurzerhand, einfach auch nicht da zu sein. Also - schon in China, aber eben nicht in Shanghai. Wird eh Zeit für meine erste größere Reise.

Doch wohin soll ich mich wenden?
Eine gar nicht so einfach zu beantwortende Frage, denn die Sache mit China ist ja die, dass wir es hier mit ganz schön viel Land für ziemlich wenig Clemens zu tun haben, also will reiflich überlegt sein, wie wir letztgenannten am effizientesten auf erstgenanntes verteilen, um ... ähm ... na, jedenfalls wo ich hinfahren soll.

Ich ließ also nonchalant die Augen über meine ebenso groß -e wie -artige Chinakarte schweifen, in der Hand den Lonely-Planet-Reiseführer (hierzulande angeblich verboten) und traf eine Entscheidung: "Guangxi" heißt eine große Provinz ganz unten im Süden. Es ist eine autonome Region für die Minderheit der "Zhuang" - und überhaupt macht ein buntes Gemisch an Minderheiten über 75% der dortigen Einwohner aus; die Han-Chinesen sind also in der Minderzahl.
Da wäre es doch eine gute Idee, dieses bunte Ethno-Gemisch um eine weitere Minderheit zu bereichern: mich selbst. Ich bin ja wirklich ausgesprochen selten - und eigentlich vom Aussterben bedroht, da es von mir ja nur noch ein Exemplar gibt. Folglich fühle ich mich an einem solchen Hort der Vielfalt schon mal a priori sehr wohl.

Ganz Guangxi ist schön. Ganz Guangxi? Nein ...
Dazu kommt noch, dass Guangxi die großartigsten Sehenswürdigkeiten beherbergt: Die weltberühmten Karstberge von Guilin, die Felszeichnungen von Zuojiang, den Detian-Wasserfall an der Grenze zu Vietnam, Chinas schönste Strände sowie unzählige Naturwunder und antike Siedlungen. Ja, eigentlich gibt es nur einen Ort in Guangxi, wo sich laut Reiseführer der Aufenthalt nicht wirklich lohnt: die Hauptstadt Nanning.

Nun ...

Jaaaaa, ich weiß schon, das ist vielleicht ein bisschen dämlich - aber wenn ich die Worte "... kann der Reisende getrost auslassen ..." in einem Reiseführer sehe, zieht es mich einfach magisch an diesen Ort.

Und so bin ich seit heute stolzer Besitzer eines Flugtickets nach Nanning. Die ersten drei Nächte der kurzen Weihnachtsferien werde ich in dieser 1,3-Millionen-Einwohner-Stadt verbringen - in einem ebenso bereits vorgebuchten Hostel - und mich vermutlich unfassbar langweilen, weil's dort nix zu sehen gibt.
Die übrigen vier Nächte habe ich allerdings freigelassen; da möchte ich vor Ort reisen wohin auch immer der Wind (oder der letzte mögliche Zug) mich trägt. Dabei muss ich allerdings sehr acht geben, dass ich nicht versehentlich einen der wirklich schönen Orte in Guangxi streife; denn derer gibt es offensichtlich zahllose, und kaum dreht man sich um, sieht man womöglich etwas ganz Tolles. Und das wollen wir doch alle nicht, denn wie langweilig wäre dieses Blog, wenn ich dauernd nur von irgendwelchen "schönen Stränden", "tollen Museen" oder "großartigen architektonischen Wunderwerken" berichtete.

Eigenlob hat Gold im Mund
So, und jetzt ist meine natürliche Bescheidenheit am Ende ihrer Belastungsfähigkeit, und ich muss es einfach verkünden: Ich habe die gesamte Organisation und Buchung dieses Urlaubes in einem kleinen, lokalen Reisebüro vollkommen auf Chinesisch und ohne jede Hilfe vorgenommen! Zwar bestanden etwa 50% des Gesprächs mehr aus Educated Guesses als sonst etwas, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich meine erste komplexe Operation - und im Zuge dessen sogar mein erstes Telefonat - auf Chinesisch vorgenommen habe! Darauf bin ich natürlich mächtig stolz.

Zurecht fragt sich nun wohl aber auch jeder, der mich kennt, wo ich zu Weihnachten tatsächlich landen werde.

Die Reise beginnt standesgemäß am Abend des 24. und endet (hoffentlich) am Abend des 31. Dezember. Sollte sich also am 1. Jänner an dieser Stelle ein Posting des Titels "Mein Überraschungsaufenthalt in Kasachstan" finden, dann wissen wir sofort: "Aha! Die Fähigkeiten zur Abwicklung komplexer Organisation in der Landessprache wurden maßlos überschätzt."

14 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wenns zu dem Überraschungsaufenthalt in Kasachstan kommt, dann besorg dir vorher einen Feuerlöscher! :D

Die Schmugglergschicht hätt ich mich nicht online stellen traut, muss ich ehrlich sagen. Weißt eh, in fernen Auslanden ist man mit offenherzigen Bloggern nicht zimperlich.

_mathilda_ hat gesagt…

Quizfrage: warum hat _mathilda_ sich beim Lesen des Blogs den vom Lachen erschütterten Bauch gehalten, Lachtränen aus den Augenwinkeln gewischt und die Nachbarschaft mit lauten Lauten des Amüsements beschallt?
a) ihr Leben muss trostlos sein
b) sie ist leicht zu erheitern
c) sie schätzt den Stil des Erzählers
d) sie findet sich in der Beschreibung selber wieder

Eigentlich sollte ich mir das Posting ausdrucken und rahmen. Auf das Ergebnis der Reise bin ich schon sehr gespannt. Was dich nicht von der Pflicht entbindet, bis Neujahr weitere Postings online zu stellen!

ClemmieInChina hat gesagt…

@toshi: *lach* stimmt eigentlich - ich sollte echt überhaupt nicht mehr ohne feuerlöscher außer haus gehen! schon gar nicht, wenn auch nur die leiseste möglichkeit besteht, dass ich in einem ex-sowjetischen land lande :))
und wegen der schmuggler: na, wenigstens weißt warum, wenn das blog auf einmal nimmer erreichbar ist *g*.

@mathilda: *auch.lach* *knickserl* man dankt :). wusste gar nicht, dass es auf dieser welt noch jemanden gibt, der meine leicht patscherten reisegewohnheiten teilt. freut mich aber, bin ich nimmer so alleine! und die schilderung der reise ist natürlich bereits vorgemerkt. muss mir nur überlegen, auf welche art ich das mache, denn man hat ja recht wenig platz hier, ohne dass es gleich unübersichtlich wird. na, mal sehen.

:)

rudolfottokar hat gesagt…

fein. jetzt wissen wir endlich auch, was wir zu weihnachten machen...nämlich uns Sorgen...
in so drogengegenden tät ich als ausländer schon a bissl vorsichtig sein - aber du machst das schon.
auf die büderln freuen wir uns natürlich trotzdem ;-)

(ragual)

Anonym hat gesagt…

Ich mach mir weniger darüber Sorgen, dass das BLOG nicht mehr erreichbar sein könnt, weißt? :)

ad patschert: Ich dachte mir ja schon bei dieser Lektüre, ich kenn da wen, der sich darin eventuell (teilweise ;) wiederfinden könnt.

ad Platz: Wieviel brauchst du denn?

ClemmieInChina hat gesagt…

nur zur allgemeinen beruhigung - ich erlaubte mir, um des scherzens willen zu übertreiben. die "drogenregionen" sind nur in grenznähe und keineswegs in der ganzen provinz. und ich habe nicht vor, im dortigen urwald herumzukräulen.
in der zivilisation dort unten ist es um nix gefährlicher als hier in shanghai, also bitte nix sorgen machen, ich bin ja eh von der üblichen vorsicht gezeichnet.

und jetzt entschuldigt mich bitte, mein blinder free-climbing-lehrer erwartet mich zur mitternachts-übungsstunde :DDD.

rudolfottokar hat gesagt…

ich weiß, ich weiß... trotzdem geb ich etosha recht...
vielleicht wärs (trotz scherzverständnis) manchmal klüger, gewisse worte hier nicht zu gebrauchen. ich war auch schon mitten in new orleans und uns ist nix passiert. trotzdem passiert dort jede menge... da teufe schloft net... und das internet is noch was ganz anderes.
;-)

ClemmieInChina hat gesagt…

Nachdem ich nicht will, dass man sich zu Hause sorgt, habe ich das Posting entsprechend adaptiert. Zufrieden? Sie wünschen, wir spielen - denn in "Clemis China-Chaos" ist der Kunde König.

Beehren Sie uns bald wieder :D.

_mathilda_ hat gesagt…

Wir wünschen, Clemens spielt - super! Wär doch das ganze Leben so einfach *träum*

Mich wundert jetzt allerdings die Feuerlöschergeschichte, muss ich gestehen. Da die Chinesen aber doch alles herstellen, frag ich mich, ob die nicht zufällig auch Feuerlöscher in Schlüsselanhängergröße fertigen. Das wär zumindest mal ein Anfang, wenn man immer einen Feuerlöscher bei sich haben sollte.

Clemens, bezüglich Ungeschicklichkeit und ähnlichen Wirrnissen: ich bin der Meinung, dass besonders begabte Menschen einfach auch ein Manko brauchen. Unseres haben wir wohl entdeckt :)

rudolfottokar hat gesagt…

danke...(ich verkneif mir jeglichen kosenamen...)
wir (und etosha) wissen es zu schätzen. der beitrag ist zwar ein bissi weniger lustig jetzt, aber...
;-)

übrigens: bandined!!!

Anonym hat gesagt…

und ich hab schon gedacht, du besuchst deine heimat über weihnachten...
:(

Anonym hat gesagt…

tut er nicht, der *****!!! ;-)))

Martin hat gesagt…

verstehe, wenn der artikel nachträglich zensiert wurde dann können sich mir ja gewisse postings inhaltlich nicht erschliessen.

a pro pos zusammenhanglos :)
vielleicht habe ich es nur überlesen, aber mich interessiert das jetzt einfach: hast du dich schon mal näher mit der erörterung von reissäcken befasst? also im spezeillen deren angewohnheit umzufallen und die auswirkungen auf die weltpolitischen geschicke? verfügst du etwa gar über einen persönlichen sack reis den du gelegentlich göttergleich umfallen lässt? nur mal so als anregung für einen blogeintrag der kategorie "chinesische klischees".

ClemmieInChina hat gesagt…

also weihnachtstechnisch wärs ja ziemlich doof, wenn ich heimkommen tät. ich hab jetzt ein einziges mal in meinem leben die chance, das hier zu machen, und ab dann werd ich sowieso in österreich sein. außerdem hab ich nur eine woche frei - und selbst in der muss ich lernen ... würde sich also gar nicht auszahlen :(. aber schön zu wissen, dass ich wem abgehe :).

reissacktechnisch: nun, tatsächlich geben die chinesen dem weltgeschehen mehr als genügend gelegenheiten, sich zu verändern; denn reissäcke werden hierzulande gerne in öffentlichen verkehrsmitteln der billigeren kategorien (also vorwiegend bussen und hard-seater-zügen) einfach mitgenommen. und die purzeln dann natürlich auch einfach so durch die gegend (meistens die reissäcke, selten die busse) - am liebsten, wenn ich daneben steh direkt auf meine zech'n.
wer weiß also, lieber martin, ob die aktuelle finanzkrise nicht auf den sack shanghai-nanjing (meine linke große zehe) oder jenen shanghai-zhouzhuang (gesamter rechter fuß plus teile des schienbeins) zurückzuführen ist. chaos-theorie ist was feines ... aber schmetterlinge sind mir lieber. die wiegen fast nix :).

*shabd*