Endlich habe ich es geschafft: Zum ersten Mal verließ ich Shanghai und ging auf Reisen! Ich wagte mich in die Provinz Jiangsu vor. Nördlich von Shanghai gelegen, ist Nanjing die Hauptstadt dieser wohlhabenden Provinz, die zweimal in der chinesischen Geschichte (frühe Mingdynastie und im frühen 20. Jahrhundert) die Hauptstadt von China war und wo es daher auch sehr viel tolles altes Zeug zu sehen gibt.
Vier Tage lang weilte ich mit meinen Freunden Irene, Max und Nick dort in einem 6-Bett-Dorm eines ausgesprochen günstigen Hostels von, sagen wir einmal, eher bodenständigem Komfort, aber dafür ausgesprochen herzlichen Eigentümern. Da ein Bild ja mehr sagt als tausend Worte, darf ich den Trip im folgenden kurz optisch zusammenfassen.
Zunächst darf ich die fröhliche Reisegruppe vorstellen.
v.l.n.r.: Buddha, ich, Max, Irene, Nick und ein Mistkübel.
Mit dem Zug fuhren wir die 320 Kilometer nach Nanjing - interessanterweise auf Stockbetten sitzend. Auf den Plätzen gegenüber erfreute uns eine lebhafte Familie mit farbigen Einblicken in den chinesischen Alltag. So war uns beispielsweise gar nicht bewusst, wie einfach man mitten im Zugabteil bei dringendem Bedürfnis das kleine Geschäft mit Hilfe einer alten Cola-Flaschen erledigen kann.
Nach erfolgreichem Einchecken in unsere Residenz mit dem selbstreflexiven Namen "I am Hostel", besuchten wir am Folgetag als erstes den "Jin Shan", einen Berg gleich außerhalb von Nanjing, der viele Sehenswürdigkeiten beherbergt. Wir erklommen ihn mittels Sessellift.
Und gleich dort konnte ich mir meinen größten Wunsch erfüllen: eine Wanderung mitten in chinesischer Natur. (Ja, die gibt's noch.) Dabei stießen wir unter anderem auf einen sehr stimmungsvollen Bambuswald ...
... aber auch immer wieder auf antike Statuen - wie beispielsweise diese von Stevie Wonder.
Auch die Fauna kam nicht zu kurz. So entdeckten wir eine Unzahl etwa zehn Zentimeter langer Tausendfüßler ...
... und ältere Herren, die sich auf freien Flächen auf die Brust trommeln und dabei laut schreien.
Auch die Gemütlichkeit kam dabei nicht zu kurz: Für ein kleines Schläfchen ist auch der steilste Bergwald nicht ungeeignet ...
An anderen Stellen des Berges hingegen würde man mit Hängematte vermutlich unangenehm auffallen.
Wenn man an der Südseite des Jin Shan hinunterkraxelt, stößt man übrigens auf einen wunderschönen Ming-Tempel, in dem unter anderem Stelen mit Kalligraphien alter Meister aufgestellt sind.
Im gleichen Gebiet erreicht man nach gröberem Gehatsche einen riesige Grabkomplex für den ersten Kaiser der Ming-Dynastie. Ein sehr stimmungsvolles Gebiet mit Prozessionswegen inklusive Steinstatuen, Tempelanlagen, Gärten und zum Glück auch Toiletten, die uns zu diesem Zeitpunkt ausgesprochen attraktiv erschienen. Auch wenn es sich um die landesüblichen Schranzhocke-Modelle zur Stärkung der Oberschenkelmuskulatur handelt.
Des Abends gab es westchinesische Spieße zum Selbergrillen. Dabei wurde auch die Fotoausbeute des Tages verglichen. Hierbei zeigte unser sonst so ruhiger Max durchaus kompetitive Züge, wenn es um das erfolgreiche Erlangen eines Schnappschusses ging.
Später am Abend nutzten wir den gemütlichen Aufenthaltsraum unserer Herberge, um sämtliche Vorräte an Süßigkeiten zu vernichten. Als es dann an die abendliche Hygiene ging, gab es allerdings Probleme unvorhergesehener Art ...
So stellten wir beim Zähneputzen fest, dass das Waschbecken bereits besetzt war. Zum Glück konnte man die Zahnpflege am Klo erledigen, denn dieses beherbergte lediglich einen Hund. Und der zeigte sich gnädig gestimmt.
Der nächste Tag begann mit einem Park, an dessen Stelle wir eigentlich einen alten Tempel vermuteten. Die Aufschrift vor dem Tor impliziert durchaus die Anwesenheit eines solchen. Nur gefunden haben wir ihn halt nicht.
Was wir allerdings fanden, war ein konfuzianischer Tempel, auf dessen Gelände es allerlei heilige Dinge gab, wie beispielsweise eine McDonald's Filiale, ein Kentucky Fried Chicken Lokal oder auch - wie hier auf dem Bild - einen lustigen Antiquitätenmarkt.
Doch nicht nur Antiquitäten gab es, der Markt umfasste eine ganze Menge Geschäfte, in denen es unter anderem Tiere zu kaufen gab. Wie beispielsweise diese recht neugierige Fischgruppe, deren riesiges Aquarium eine Ecke zu bieten hatte, die offenbar fürs Fischgemüt besonders attraktiv erscheint.
Der letzte Tag begann mit der üblichen Frühstück-Nudelsuppe in einer der ebenso grindigen wie hervorragenden Garküchen.
Auf dem Weg zum Jangtsekiang, der in Nanjing von der längsten Brücke Chinas überspannt wird, konnte ich endlich einmal ein Foto einer der ärmeren Wohngegenden machen, wie es sie auch in Shanghai, mitten zwischen den Wolkenkratzern, gibt.
Die Brücke selbst - eines der eindrucksvollsten Bauwerke der Kommunisten - war dann wirklich sehenswert.
Ebenso eindrucksvoll war übrigens unser Tagesablauf. Drei Tage hintereinander erhoben wir uns um 6 Uhr morgens aus den Betten. Ich glaube nicht, dass ich das in meinem Leben jemals zuvor freiwillig gemacht habe, aber Irene zeigte sich diesbezüglich unerbittlich und trieb uns zu dieser unmenschlichen Zeit aus unseren Stockbetten. Dementsprechend lang waren dann auch die Tage, und dementsprechend müde waren wir. Besonders faszinierte mich hierbei Max, der sich als absoluter Meister des Sekundenschlafes entpuppte.
Kaum ließ man unser ruhigen Mann aus South Dakota auch nur wenige Sekunden aus den Augen, fiel dieser in spontanen Tiefschlaf - egal, wo er gerade war ...
... vor einem Blumenbeet ...
... auf Statuen ...
... Märkten ...
... in Tiergeschäften und - sein absolutes Meisterstück - :
Im Stehen mitten auf einer Autobahnbrücke.
20 Kommentare:
schöner reisebericht ;-)
(der stevie wonder ist echt gut...)
was den schläfer betrifft: kein wunder, bei 6 uhr tagwache...
Das ist bestimmt der witzigste Reisebericht, den ich in meinem zähen Leben bislang lesen durfte! Was hab ich gelacht!
(((:D)) <- Scheppernde Tosha!
Und: Das Brückenfoto ist eine Augenweide! Grandios!
Welcome back! Hm, wenn man das so sagen kann! *gg* Schön, dass du wieder schreibst!
danke :). und das ärgste ist: max hat diese fotos nicht gestellt ... er hat da TATSÄCHLICH geschlafen. toll. ein mann mit zukunft.
oh ... das erste danke ging an rudolfottokar. und das jetzige geht an dich (unsere kommentare haben sich offenbar überkreuzt). dankeschööön :)). da hat man richtig das gefühl, man schreibt nicht nur für sich selbst. coole sache :).
kannst sicher sein, hier lesen viele mit - nur kommentieren tuns halt nicht.
Sind halt auch die Wenigsten so waaahnsinnig mutig wie wir! *hrhr*
Na, immerhin gibt's ein paar wenige, die die Speerspitze des Mutes hochhalten *g*. Aber eh wurscht ... gepflegtes die-Pappn-halten ist - wie wir an anderer Stelle schon einmal diskutierten - ja auch etwas, womit man Philosoph bleiben kann. :)
Ich steh´ auch auf den Sekundenschläfer... hahaha!!! Genial...
Soll das ein Wink mit dem kompletten Lattenzaun sein? =)
übrigens...hast du die tausendfüssler am steckerl geröstet gegessen?
@nikerl: ja, wir haben einen mordsspaß mit ihm gehabt :))
@toshi: bleeedsinn. war einfach nur so dahinbemerkt :)
@rudi: nope. ich glaub, die sind giftig ... aber es gibt heuschrecken am steckerl. die hab ich ausgelassen. mir war nicht nach grashüpfer :P.
super reisebericht! ich bin dafür, dass du dir viiiiel mehr von china anschaust und uns davon erzählst ;) aber vergiss den nick nicht, der ist wirklich der hit!!!
Haben auch Sie Dank! :) Allerdings nehme ich an, Du meinst den Max; der ist unser Extrem-Schläfer :))).
ok, auch gut... ich habs ja nicht so mit namen ;)))
je mehr du aus diesem land berichtest, desto faszinierender! und gleichzeitig desto besser, dass du das erledigst und es mir zivilisationsverwöhntem erspart bleibt. ein bisschen distanz macht vieles sympathischer.
ich hätte die stelen und die grabanlage auf jeden fall verwechselt, den mistkübel vom ersten foto zum mitkommen aufgefordert (und mich dann ob seiner weigerung über diese unsozialen chinesen geärgert) und die schildkröten als schamerl zum draufstellen damit man das waschbecken besser erreicht missbraucht - kurz mich rundum beliebt gemacht.
auf dem militärischen schild das letzte zeichen - ist das auch chinesisch oder bereits ein westliches piktogramm?
lg
Martin
Tja, Ihr Korrespondent in China ist stets gerne zu Diensten! Auch, wenn es darum geht, selbst gut versteckte Fettnäpfchen per pedes zu erkunden :).
Zum lehrreichen Teil: Das erwähnte letzte Zeichen schaut zwar aus, wie wenn etwas verboten wäre, es ist aber ein chinesisches Schriftzeichen. Ich kenn's sogar - es lautet "qu" (gesprochen etwa "tzü") und bedeutet "Bezirk, Gebiet, Zone". Hübsch, die Dinger, gell? :)
rätsel über rätsel...
die zone ist aus dem zeichen ja richtig offensichtlich herauslesbar (sogar mit "x" gekennzeichnet), das zeichen davor heisst sicher "militärisch" (2 soldaten und das drunter könnte ein gewehr sein), das zeichen nochmal davor (also das zweite) heisst wahrscheinlich verboten (die vielen horizontalen striche sind sicher den chinesischen sträflingsanzügen nachempfunden), nur das erste zeichen, das entzieht sich noch einer interpretation...
noch ein rätsel: wieso lautet es "qu" und spricht sich "tzü"? können die die dinger nicht der einfachheit halber so nennen wie man sie ausspricht? ich meine wir haben ja auch nicht einen anderen namen für "A"...
pfumm ... das sind jetzn aber viele kommentare ... nun, tatsächlich:
* ist das erste zeichen das für militärisch (ein wagen unter einem dach. öhm. naja. is halt so.)
* das zweite steht für "angelegenheiten" ("shi" ... für deutsche zungen unaussprechlich *g*) - da haben wir eine hand, die einen pinsel hält. ist halt auch so.
* das zeichen vor der zone ist das, das "verboten" heißt. mehr oder weniger. da haben wir zwei bäumchen über dem zeichen für "zeigen". frag net ...
* schließlich: das "q" steht für einen zischlaut, ebenso wie "z", "c", "ch", "zh" und "x". die chinesa haben einfach zu viele verschiedene davon. viel mehr als wir. daher sind uns lateinern sozusagen die buchstaben ausgegangen. und da der bedarf nach einem "echten" (also deutschen) "q" auf chinesisch kaum gegeben ist, wurde das kurzerhand so gelöst. gibt aber eh eine umschrift (wade-giles), der die deutsche aussprache zugrunde liegt. die hat sich aber nicht durchgesetzt und zwar weil - ta-dah - ihr die deutsche aussprache zugrunde liegt ;).
alles unklar? ich beseitige gerne noch eventuelle klarheits-reste. da bin ich gut drin :).
herzlichen dank für die interpretation, solltest du immer wieder mal das eine oder andere schildchen von interessantem inhalt hier erörtern, so zähle mich jederzeit zu den interessierten lesern.
und der interpretationsspielraum ist selbst bei kenntnis der zeichen sicher noch enorm :)
mir fiele da ein:
wagen unter dach = garage
hand die pinsel hält = malereibetrieb
dann bäumchen über zeigen
und zone
also ich hätte demnach vermutet dass sich dort eine autolackiererei befindet die sich darauf spezialisiert hat bäumchen auf motorhauben zu pinseln...
eine nette seite an china :)
... und damit liegst du gar nicht mal so falsch: so kombiniert beispielsweise das zeichen für garage tatsächlich die komponenten "dach" und "wagen". schaut aber ein bissi anders aus, da es für "dach" mehrere darstellungsformen gibt.
und auch deine gelungene interpretation (die mir wesentlich besser gefallen hätte, da es meiner meinung nach viel zu wenige lackierereien mit spezialgebiet "bäumchen" gibt) ist nicht weit hergeholt. chinesische zeichen haben gemeinerweise pro stück manchmal weiß gott wie viele bedeutungen. und die sind nicht mal logisch. so heißt das zeichen für "und" auch "Harmonie". und das zeichen für "können" auch "Konferenz". Man sieht: Nicht mal Nomen, Verben oder Bindewörter können's hier unterscheiden :P.
Kommentar veröffentlichen