Das letzte Mal erwähnte ich – dramaturgisch geschickt – drei Kategorien, in welche sich alle Schriftzeichen (mehr oder weniger) einteilen lassen.
Es wäre jetzt ur-lustig, wenn ich da nix mehr dazu schreiben würde, sondern einfach über meine letzte Reise oder das neueste Klo-Missgeschick berichten würde, hihihi.
Da ich aber den dumpfen Verdacht habe, das würde Euch uninteressiertes Pack da draußen eh mehr fesseln als mein Versuch, da ein bisschen Bildung in die Welt hinaus zu bringen, und darüber hinaus mein hehres Ziel ja stets ist, Euch möglichst viel leiden zu lassen, setze ich hier jetzt einfach mal mit der Zeichengeschichte fort.
So unoriginell das auch sein mag.
*hmpf*
Zur Sache.
Die erste Kategorie ist die lustigste, denn hierbei handelt es sich um echte „Piktogramme“, also im Prinzip mehr oder weniger vereinfachte bzw. symbolisierte Bildlein von dem Ding oder der Aktivität, die das dargestellte Wort … äh … dastellt (oder so).
Ich darf mal beispielen (hihihi, das klingt wie „beischlafen“ *kicher*):
Bei 山 erkennt man doch mit ein bisschen Fantasie einen „Berg“, oder?
雨 tröpfelt ganz eindeutig als „Regen“ vom Himmel,
口 ist für die Darstellung von „Mund“ oder „Öffnung“ zwar ein bisschen eckig, aber doch erkennbar,
门 ist ein etwas simples aber doch bequem nutzbares „Tor“, und bei
木 ist der „Baum“ mit seinen Ästen ganz gut zu erkennen.
Der zweite Typ ist ein bissi fad, denn das sind die sogenannten „Lehnzeichen“. Der Name impliziert dabei keineswegs eine gewisse Schiefe des Bildes, sondern die Tatsache, dass hier bereits existierende Zeichen mit einer neuen Bedeutung versehen werden und somit neue, erweiterte Verwendung finden. Diese schöne Eigenschaft chinesischer Zeichen ist übrigens eine der Hauptursachen, warum die verdammte Sprache so schwierig ist – weil die meisten Zeichen weiß-Gott-wieviele Bedeutungen haben, die noch dazu eine erfrischende Unabhängigkeit von jeglichen sich der europäischen Logik erschließenden Systematiken genießen.
Zu letzterem Phänomen spiele ich wiederum bei *prust*:
So gibt es gebeispielterweise ein Zeichen für „hinten“, das gleichzeitig „Kaiserin“ bedeutet, weil beide Worte die gleiche Aussprache hatten, und so kurzerhand das 后 (hou) für „hinten“ einfach auch mit der gleichlautenden kaiserlichen Bedeutung versehen wurde. So kommt es dann zu so wunderbaren, sich von Homophonen ableitenden, Mehrfachbedeutungen wie dem Zeichen 面, das (unter anderem) bedeutet: Gesicht; persönlich; Außenfläche; Flächeninhalt; Seite; Aspekt; Ausmaß; Mehl und Nudel.
Wunderbar verschwommen sind ja im Chinesischen auch die Unterscheidungen zwischen den einzelnen Worttypen – so ist man sich chinesischerseits nie so ganz im Klaren, ob ein Wort jetzt ein Haupt-, Zeit- oder Eigenschaftswort ist – oder vielleicht von allem ein bisschen etwas. Und es gibt nichts Schöneres, als im Unterricht den Charakter einer neuen Vokabel zu erfragen, und dann als Antwort zu bekommen: „Das ist ein Hauptwort. Aber auch ein bisschen ein Zeitwort. Ein Eigenschaftswort ist es nur selten – das kommt auf die Satzstellung/Tageszeit/Laune des Sprechers/… an.“
Und DAS ist für mich der Hauptgrund, warum Chinesisch so verdammt schwierig ist: Linguisten sind sich bis heute nicht einig, ob es in dieser Sprache ÜBERHAUPT eine Grammatik im eigentlichen Sinne gibt. Ich sag’s ja: Nicht so wahnsinnig gescheit. (Sorry Mathilde, hihi.)
Hm. Das wird schon wieder viel zu lang hier. Also breche ich hier ab, präsentiere aber zur Ausstimmung noch ein letztes Feuerwerk an typischen Zeichen mit ihren Hauptbedeutungen. Falls manche von Euch planen, Chinesisch zu lernen, könnt ihr ja als Vorübung einfach mal versuchen, Euch diese fünf Zeichen inklusive allen Bedeutungen zu merken. Multipliziert den Aufwand mit 1000, dann wisst Ihr ungefähr, was ich rein mit dem Vokabellernen durchmache:
投: werfen; hineinspringen; richten; zustellen; eintreten; aufsuchen; sich anpassen; schmeicheln (<= Hier haben wir etwas, das offenbar ziemlich ein Verb ist.)
上: oben; höher; erst; gehen; fahren; auftreten; überziehen; schmieren; veröffentlicht werden; anziehen; mit etw. beschäftigt sein (<= ist auch sehr stark ein Verb und nur ein bisschen ein Adjektiv)
和: mild; mit jmd. auf gutem Fuße stehen; Frieden; unentschieden; mit; und; Summe (<= Das hingegen kann sich nicht so recht für eine Wortgruppe entscheiden.)
点: Tropfen; Fleck; Punkt; etwas; Stelle; Grad; punktieren; tropfen; abzählen; auswählen; einen Wink geben; anzünden; Stunde (<= Ein ungemein praktisches Zeichen – falls einem gerade nix anderes einfällt, kann man dieses Verb/Nomen/Adjektiv/sonstnocheiniges verwenden; die Chancen sind gut, dass es auch die gewünschte Bedeutung hat.)
头 schließlich heißt – unter anderem – sowohl „Anfang“ als auch „Ende“.
Und ganz in diesem Sinne ist das jetzt hier der Anfang des Postings.
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8 Kommentare:
Was können denn die Linguisten dafür, dass Chinesisch ned gscheit ist?? *trotzig mit dem Fuß aufstapf* Oder generell andersrum ausgedrückt: "Bist du deppat, ist das kompliziert!". Vielleicht ist es das aber auch nicht, nur sehr multipel deutbar. Auf alle Fälle kannst immer was sagen, nur, ob es das ausdrückt, was du sagen willst, ist ungewiss. Eventuell wissens die chinesen auch nicht so genau?
Ich habs bis heut nicht geschafft, die schhhhhhönen Zeichen in meinem Feuerfux anzuzeigen. Ich krieg immer nur Viereckerln mit kleinen Buchstaben drin. Und das macht mich so dermaßen krawutisch, dass ich im Moment net weiterlesen kann. Muss erst das Problem lösen.
(geht fluchend ab)
ich frag mich erstens, wie man freiwillig so etwas lernen tuen tut.
und ich frag mich noch ersterer, wie die chineser eigentlich wissen, wovon sie reden. aber irgendwie muss das gehen, sonst tätens das ja nicht seit hunderttausend jahren.
;-)
irgendwie hab ich den verdacht, die haben uns (oder mir) etwas voraus...
Ich seh's immer noch nicht. Aber ich hab ja Phantasie. ;)
Interessant find ich die Bedeutungsgruppe "werfen; hineinspringen; richten; zustellen; eintreten; aufsuchen; sich anpassen; schmeicheln"
Sagt man doch auch im hiesigen Dialekt, wenn einer beispielsweise dem Koarl in den Hintern kriecht, um etwas zu erreichen: "Pfa, der haut si eine beim Koarl!" (einehaun iSv "hinein") - was durchaus Ähnlichkeit hat mit "hineinspringen/werfen".
Ich habe versucht, deine Qual zu mildern - du hast ein Mail, Etosha.
Na da gehts rund ...
Wohlan:
@mathilda: ja eh. chinesisch ist auch nicht gscheit ^^. und übrigens: genau dieses "multiple" begegnet einem im chinesischen immer wieder - und macht einen als exakten europäer völlig fertig!
@toshi: versteh ich nicht. du bist doch eh so eine computerexpertin. bei mir brauch ich nur den chinesischen zeichensatz installieren, der ohnehin bei windows dabei ist. sogar TT. *wunder* aber du schaffst das schon ^^. und bedeutungsgruppen mit dem wienerischen (oder jedem beliebigen anderen vernakulär) ähnlichen bedeutungen sind hier recht häufig. vermutlich deshalb, weil eh jedes wort fast alles heißen kann.
@rudolfottokar: und ich hab mich am erstersten immer schon auch das gleiche gefragt. tatsache ist: die chinesen kommunizieren tatsächlich. aber nur sie verstehen einander wirklich. ich schaffs bis heute nicht.
Sätze, die die Worte "brauch" und (v.a.) "nur" enthalten, sind nur bedingt hilfreich, wenn irgendwas nicht funzt. Hab schon einen Hals wie ein Sumo-Ringer.
Dafür hab ich als Captcha "susle". Is das nicht süß? :)
Habs jetzt geschafft. HaHA!
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