Bitte schnell zu den Bildern scrollen, jetzt kommt der fade Sightseeing-Teil
Guangxi („Die westliche Weite“) ist fast genau dreimal so groß wie Österreich, liegt an der Grenze zwischen den Subtropen und den Tropen und ist eine der ärmeren und entlegeneren Provinzen Chinas. Richtig touristisch erschlossen ist eigentlich nur der Nordosten, die Gegend um Guilin mit seinen weltberühmten Karstfelsen. Ich aber bin sehr glücklich, in den unbekannteren äußersten Süden vorgedrungen zu sein.
Nach meinen Einstiegs-Postings darf ich nun einen dreiteiligen, stärker bildorientierten Auszug meiner Reise geben, der aus Gründen der dramaturgischen Faulheit meinerseits im Tagebuchstil gehalten ist. Dafür sind die Texte schnörkellos und straight, live und vor Ort entstanden. Der heutige beschäftigt sich mit meinen drei Tagen in Nanning, der folgende mit den zwei Tagen in Beihai und der letzte schließlich mit Vermischtem und Schrägem, denn davon gab es in diesen paar Tagen eine derartige Flut, dass ich nicht zuletzt deshalb mit nicht weniger als 200 Fotos und 20 Filmen heimgekehrt bin.
Der lustige Clemi-Marathon
Am 25. Dezember war ich ausgesprochen effizient. Ich habe sowohl einen Stadtplan dieser 1,3-Millionen-Stadt als auch Hin- und Rückfahrtickets für Beihai organisiert.
Dann erfolgte mein üblicher Besichtigungs-Gewaltmarsch – zunächst kreuz und quer, ohne System, durch die Stadt, die mich stark an das erinnert, was ich in Dokumentationen über Vietnam oder Thailand gesehen habe. Man merkt die Nähe zu den südostasiatischen Ländern – alles spielt sich draußen ab, es brummt und brüllt und ist generell sehr fröhlich chaotisch. Außerdem war ich doch tatsächlich am Christtag bei strahlendem Sonnenschein im T-Shirt unterwegs und schaffte es sogar, zu schwitzen. Ich habe den Volkspark besucht – die Vegetation geht dort schon stark ins Tropische, und das ist für mich etwas ganz Neues: mitten im Winter alles grün, Blüten überall, Palmen und sonstige Pflanzen, die ich bisher nur von Fotos kenne.
Westliche Gesichter habe ich in zwei Tagen unter all den zigtausenden genau zwei gesehen, und dementsprechend viel Aufmerksamkeit bekam ich; allerdings freundlicher Natur und völlig ohne Keilerei, weil man ausländische Touristen offenbar nicht so sehr gewohnt ist. Stets wurde ich gerufen, man winkte mir zu, strahlte mich freundlich an und bei zwei Gelegenheiten drückte man mir sogar irgendwelche Dinge in die Hand; ich vermute in der Überzeugung, ich würde diese essen. Oder damit jonglieren. Ich bin mir nicht ganz sicher. Als Reaktion entschied ich mich daher für mein patentiertes Allzweck-Gesicht: ein Zwischending zwischen freundlicher Verzweiflung und dankbarer Verständnislosigkeit.
Maximale Minderheit
Am Nachmittag war das lokale Minderheiten-Museum an der Reihe, wo ich vor allem das angeschlossene Freilichtmuseum mit originalen Bauwerken der Zhuang-, Miao-, Yao-, Maonan- und Dong-Minderheiten in seliger Einsamkeit durchmaß. Von Chinas insgesamt 55 offiziellen Minderheiten sind in Guangxi, der autonomen Provinz der Zhuang, ganze elf heimisch. Das Zhuang-Transkriptionssystem, dem man überall auf der Straße begegnet, sieht übrigens wild aus – ein Konsonantensalat ähnlich dem Walisischen, was für mich zwanghaften Schilderleser natürlich prompt konstante Zungenverstauchung zur Folge hatte.
Am Abend entdeckte ich durch Zufall gleich neben meinem Hotel eine „Food-Street“, die jenen auf Taiwan glich – ich habe mich sofort dorthin zurückversetzt gefühlt. Was es dort alles gibt, ist unglaublich – und wirklich exotisch. Früchte in allen Farben und Formen und Tier-mäßig alles, was kreucht und fleucht – lebendig und gehäutet, ganz und in Stücken. Die Fotos dazu präsentierte ich ja bereits – den Geruch und den Lärm kann ich leider nur staunend in der eigenen Erinnerung behalten.
Resumé: Weder Bar noch Vokabel
Was ich nicht schaffte, war, zum Tagesabschluss noch irgendwo eine nette Bar zu finden, um auf ein Bier zu gehen. Stattdessen bin ich auch am Abend noch herumgelaufen. Ich glaube, ich habe einen neuen persönlichen Rekord aufgestellt. Grob geschätzt waren es sicher an die zwanzig bis fünfundzwanzig Kilometer an diesem Tag - und zwar ohne Pause. Da ich die Nacht zuvor aus unerfindlichen Gründen sehr schlecht geschlafen hatte, war ich schon früh am Abend vollkommen erschlagen. Vermutlich sollte ich langsam eher Bingo-Abende und Töpfer-Kurse in Erwägung ziehen. Für meine anstehenden End-Prüfungen gelernt hatte ich folgerichtig an diesem Tag auch nichts, dafür in der nächsten Nacht hervorragend geschlafen. Hauptsache, ich schleppte etwa drei Kilo an Lernmaterialien mit mir herum. Aber die sollen ruhig auch mal ein bisschen die Welt sehen.
Ich lenze faul
Am nächsten Tag, dem 26. Dezember, habe ich auf das tolle Frühstücksbüffet gepfiffen, bin sehr lange im Bett geblieben und nahm mir vor, es gemütlich anzugehen. Ich setzte mich in ein chinesisches Café und frönte dort einem herrlichen Kaffee „Vienna“, wobei mir gar nicht bewusst war, dass man bei uns Kaffee mit Erdbeerschlagobers und buntem Streusel trinkt. Auch das dazu servierte süßsaure Salzkeks erschien mir nicht zwingend österreichisch. Aber was weiß ich schon. Doch siehe da: Auf einmal bekam ich ganz von selbst Lust, ein paar Vokabeln zu wiederholen. Und wie das immer so ist, folgte der Rest auf dem Fuße: Urplötzlich war mir – trotz trüben, regnerischen Wetters – nach einer Besichtigung des größten medizinischen Gartens Chinas, der in den östlichen Außenbezirken Nannings liegt.
Der medizinische Rübenacker
Da bin ich dann auch standesgemäß mit dem Bus hinausgefahren und habe der Versuchung widerstanden, das Taxi zu nehmen. Naja, eigentlich ist „hingescheppert“ der passendere Ausdruck. Die Gegenden, durch die ich dabei fuhr, waren wild, und etwas vergleichbar Ärmliches hatte ich bis da noch nicht gesehen.
Die Anlage selbst war zunächst ein wenig verwunderlich, weil es zwar ein paar beschriftete Pflanzen gab, aber ansonsten das Ganze eher einem Stück Wildnis inklusive Bauernhäusern ähnelte als einem medizinischen Garten. Weiter drinnen gab es dann allerdings eine toll gestaltete, riesige Region, die unterteilt war in Bereiche mit jeweils Bäumen, Lianen, Kräutern und Tieren und deren Anwendung in der chinesischen Medizin. Die größte Attraktion in diesem Park aber war zu meinem Erstaunen ich selbst – zumindest wenn ich die Blicke der verdutzten Angestellten richtig interpretiere, die offenbar noch nie zuvor einen Besucher erblickt hatten. An diesem Tag war ich jedenfalls der einzige.
Nightlife die zweite
Am Abend wollte ich dann aber doch noch einen heroischen Versuch starten, das Nanninger Nachtleben zu erkunden. Ich fand auch eine Straße, in der es offenbar einige Bars gab, und war wild entschlossen, zumindest in einer von diesen noch ein Bier zu trinken. Ja, ich bin schon ein wilder Hund.
Ich bin dann tatsächlich noch sehr lange etwas orientierungslos auf dieser Straße herummarschiert. Zunächst entdeckte ich einen vermeintlichen Club – zumindest war er als solcher angeschrieben. Er stellte sich aber als Karaoke-Zentrum heraus. Jedenfalls fand ich keinen allgemeinen Dancefloor, sondern nur die typischen abgeschlossenen Karaoke-Abteile, aus denen überirdische Geräusche an mein gequältes Ohr drangen. Also verließ ich den schönen Ort wieder, denn blamieren kann ich mich auch alleine, dafür brauche ich nicht mal Musik. Danach stieß ich aber zufällig auf einen echten Club – der wiederum als Bar angeschrieben war. Ein sehr chinesischer Ort, mit Stehtischen, Würfelspiel, professionellen Tänzern und Sängern, die mit ihren enthusiastischen Live-Shows ein für Westliches gewohnte Menschen immer wieder schräges Spektakel bieten.
Innerhalb kürzester Zeit gesellten sich dann noch zwei Mädels zu mir an den Tisch. Ich war der einzige Westler dort, und das war offenbar interessant. Natürlich konnten sie kein Englisch, also habe ich mich mehr schlecht als recht auf Chinesisch durchgeschlagen. Dank meiner makellosen Sprachkenntnisse glauben die wahrscheinlich heute noch, ich wäre ein ugandischer Opernsänger auf der Durchreise. Gemeinsam fanden wir jedenfalls heraus, dass man zu chinesischen R’n’B-Heulern problemlos Wiener Walzer tanzen kann – ¾-Takt ist dabei gänzlich unnötig – und ich lernte ein neues chinesisches Würfelspiel, im Laufe dessen ich wiederum eindrucksvoll etablierte, dass ich unfassbar viel Glück in der Liebe haben muss. Überhaupt war der Abend eine recht heitere Sache, auch wenn ich mich nach Entdeckung einer interessanten Drachentätowierung am Handgelenk einer der beiden Damen vorsichtshalber höflich aber rasch verabschiedete.
Um nun noch ein wenig Farbe in die Angelegenheit zu bringen, darf ich abschließend aufs Heftigste bebildern:
Im Volkspark ging es jedenfalls recht lieblich zu.
Auch architektonisch spielt Nanning alle Stückerln. Sowohl modern ...
... als auch kommunistisch, mit herzig klatschenden Landesvätern ...
... als auch traditionell. Doch zur Minderheitenarchitektur kommen wir gleich. Zunächst noch ein paar überlebensgroße Minderheiten-Eier. (Fragt's mich nicht ...)
Jetzt aber: das im Text erwähnte Minderheiten-Museum. Man beachte auch die in Guangxi omnipräsente Zhuang-Umschrift. Ja, auch das ist Chinesisch.
Im Museum dann traditionelle Architektur. Hier ein Haus der Miao. Gemütliche Sache - und drinnen gab's echt Miaoische Speisen.
Das ist eine Wind-Regen-Brücke der Dong. Ohne einen einzigen Nagel gebaut. Und es stimmt: Ich habe keinen einzigen gefunden! Allerdings war enttäuschenderweise auch weder Wind noch Regen darin enthalten.
Das ist ein Kornspeicher der Yao. Auf Stelzen zweng der Feuchtigkeit und mit Tontöpfen auf den Beinen zweng der Ratten. Diese Häuschen stehen weit weg vom eigentlich Dorf - aber vor Diebstahl brauchen sich die Eigentümer nicht fürchten, denn - so informiert ein Text - die Yao sind ehrlich.
Auch wenn die Zhuang heute schon so mit den Han vermischt sind, dass man sie gar nicht mehr auseinanderkennt: So wohnen die Guten in entlegeneren Regionen immer noch. Und vor dem Haus gibt es eine Kornmühle, auf den die Zhuang-Braut am Tag nach der Hochzeitsnacht ganz, ganz früh für die Schwiegereltern Korn mahlt, um zu beweisen, dass sie trotz ... äh ... naja, dass sie jedenfalls sehr fleißig ist.
Im Endeffekt gilt aber: Auch die Chinesen sind nur Indianer. Zumindest manche Minderheiten.
Die Busfahrt zum medizinischen Garten führte mich, wie beschrieben, durch Gegenden, in die man üblicherweise lustwandelnd nicht so leicht gelangt.
Dort angelangt verewigte ich gleich einmal meinen chinesischen Namen auf Bambus für die Nachwelt. Das tut man so in China.
Nach einer etwas originellen Außenregion ist der medizinische Garten dann von geradezu malerische Harmonie.
Das ist fein, denn da gelingen selbst mit einer Pimperl-Kamera wie der meinen grafisch anspruchsvolle Fotos.