Sonntag, 15. Februar 2009

Der Süden - II: Longsheng und das unsichtbare Drachenrückgrat

Da bin ich wieder. Frühmorgens verabschiedeten ich und Linan - die nun eine gemeinsame Freundin ist - meine zwei Besucherinnen, morgen beginnen meine Vorlesungen, und also wird's nun Zeit, dass ich den nächsten Teil des großen Süd-Trips nachliefere.

Heute wollen wir die Gegend von Longsheng (龙胜, "siegreicher Drache") besprechen. Dieser Ort liegt etwa 70 Kilometer nördlich von Guilin und ist für zwei Dinge berühmt: für seine atemberaubenden Ausblicke auf Reisterrassen, die von Horizont zu Horizont steile Bergrücken überziehen, und für jene Angehörige der Völker der Yao, der Zhuang und der Dong, die dort in kleinen, ursprünglichen Dörfern leben und diese Reisterrassen bestellen.

Da man ja nicht jeden Tag das Gleiche machen möchte, entschieden wir uns dieses Mal dafür, diese Gegend nicht im Rahmen einer Tour zu besichtigen, sondern ein Auto inklusive Fahrer zu mieten - wodurch wir auch die Freiheit hatten, alles völlig unabhängig zu erkunden.

Unser Fahrer war ein fröhlicher Mann, der sogar einige Wörter Englisch beherrschte, und so verging die langsame Fahrt über kleine Serpentinenstraßen munter plaudernd wie im Fluge. Die herrliche Landschaft von Longsheng bereitete sich darauf vor, sich unseren erkundenden Augenpaaren von ihrer besten Seite zu zeigen. Und auf welch originelle Weise sie dieses tat, demonstriere ich am besten in Bildern:

Hier ging die Reise los: in unserem Hostelzimmer. Der Vorteil daran, mit Mädels zu verreisen, ist ja, dass man nicht mit dem üblichen Chaos kämpfen muss, das Männerhaushalte so auszeichnet. Keine Gewandberge, nichts verdrückt sich, alles liegt stets am dafür vorgesehenen Platz - herrlich.

Entsprechend schnell konnten wir auch aufbrechen - und bereits eine halbe Stunde Fahrt außerhalb von Guilin wurden die Straßen enger, die Landschaft wilder, und es begann der Anstieg ins Gebirge. Auch die ersten traditionellen Dörfer chinesischer "Minderheiten" tauchten auf - wie beispielsweise hier eines mit den typischen Holzhäusern der Zhuang.

Gleich als erstes steuerte unser Fahrer "Ping An" (平安) an. Nahe diesem Zhuang-Dorf mit dem hübschen Namen "Frieden" befindet sich eines der berühmtesten Panoramen Chinas - die Reisterrassen des "Drachenrückgrats". Zum ersten Mal betraten wir also ein solches traditionelles Dorf, dessen Einwohner hauptsächlich vom Reisanbau, vom Handwerk und von Touristen leben. Dieser Herr mahlt gerade Sojabohnen zur Herstellung von Bohnenmilch.

Bereits während der Fahrt war das Wetter nicht gerade großartig. Aber der eigentliche Anstieg auf engen Wegen mitten durch die Reisterrassen war dann nachgerade besorgniserregend. Eigentlich waren wir froh, wenn wir überhaupt weit genug sahen, um den nächsten Schritt nicht ins Leere zu setzen. Keine idealen Voraussetzungen für einen kilometerweiten Blick in die Landschaft.

Denn so präsentieren sich die Reisterrassen des Drachenrückgrats normalerweise den Besuchern. ( Foto von www.visitourchina.com )
Was für ein Anblick aber erwartete uns nach einem halbstündigen, ziemlich steilen Aufstieg?

Nun ... einer mit etwas geringerer Blicktiefe, könnte man sagen. (Im Hintergrund: "Reisterrassen im Nebel", eine artistische Impression von Clemens M. Bayer)

Angesichts dessen - oder eher eben nicht angesichts - ward der tapferen Wandersleute Stimmung ein wenig getrübt. Auch wenn der Nebel an anderen Stellen durchaus stimmungsvolle Anblicke erzeugte. Obige "Wind-und-Regen-Brücke" - ein Bauwerk-Typ, der vom Volk der Dong völlig ohne Nägel und Eisenteile errichtet wird - macht sich beispielsweise auch als "Nebel-Brücke" ziemlich gut.

Auch obige Dame vom Volk der Yao war trotz Nebels tadellos sichtbar. Was fein ist, denn die Frauen der Yao sind berühmt dafür, dass sie sich niemals die Haare schneiden. Stattdessen wächst die Frisur dieser auch im Guinness Buch der Rekorde eingetragenen Volksgruppe mit den längsten Haaren der Welt zu beeindruckenden Längen und wird im Alltag zu einem kunstvoll geflochtenen Knoten gewunden und mit einer markanten Kopfbedeckung ... ähm ... bedeckt. Diese hat sie für uns abgenommen, um uns dummen Touristen eine fotographische Festhaltung zu ermöglichen.

Ebenfalls wetterunabhängig war zum Glück unser Mittagessen in einer Zhuang-Hütte - wo wir traditionelle Speisen probieren konnten. Oben sieht man, wie ein Gericht aus Huhn, Bambus und Reis in ausgehöhlten Bambusstangen gegrillt wird ...

... hier sieht man uns in der Hütte darauf warten, was auch immer wir da gleich serviert bekommen würden ...

... und hier schließlich hebt ein gar grausig Gemetzel an, als wir versuchen, des knusprig angebratenen Reises Herr (bzw. Dame) zu werden. Geschmeckt hat das übrigens unheimlich gut.

Wenn wir schon nicht die schönsten und berühmtesten Reisterrassen sehen konnten, wollten wir zumindest überhaupt einmal welche sehen. Daher baten wir unseren Fahrer, uns in ein nahegelegenes Dorf der Yao zu bringen, das ein gutes Stück bergabwärts liegt. Der Nebel verhüllte ja nur exakt jenen Berggipfel, auf dem wir der Aussicht zu frönen gedachten. Weiter unten wäre es vielleicht etwas besser, so der Gedanke.
Als wir die ebenso hohe wie wackelige und morsche Hängebrücke über den Fluss zu besagtem Dorf überquerten, bestätigte sich unsere Vermutung: Die Luft war klar - hier würden wir zumindest ein paar Reis-Impressionen sammeln können ...

... vorausgesetzt natürlich, diese hinterhältigen Yao hätten den Reis nicht kurz vor unserem Besuch abgeschnitten und nur Stoppel-Panoramen hinterlassen.

Das aber war nicht besonders tragisch, da wir auch so nach einem gröberen Gekraxel noch ein paar, wenn schon nicht ganz so grandiose, so doch immer noch wunderschöne Ausblicke auf Reisterrassen mitnehmen konnten. Ohne Weitwinkel-Objektiv hatte ich natürlich keine Chance, die ganze Dimension dieser Landschaft einzufangen, aber beim Teutates, ich sage Euch: Es war toll.

Wie wir direkt vom tiefsten November-Nebel in den brütenden Sommer-Sonnenschein wechselten, wie Babsis Schlangenphobie ausgerechnet in einer Disko auf eine harte Probe gestellt wurde, was uns dazu bewog, einem Wiener Nationaltanz in einem kantonesischen Park zu frönen und warum Hong Kong nicht gut für meinen Kopf ist - darüber schreibe ich dann beim nächsten Posting. Glaube ich. Und wenn nicht, dann erinnert's mich bitte daran.

5 Kommentare:

rudolfottokar hat gesagt…

weitblick hin oder her - sind auch so wunderschöne "einblicke" - und nebel hat ja auch was. freut mich, dass ihr so tolle dinge erlebt habts und viel spaß miteinander hattet. (das gefüllte bambusstangerl hätt ich auch gern gekostet).
apropos neues semester...was wurde eigentlich aus deinem zeugnis fürs erste? und vor allem: was steht drin? (falls schon vorhanden).
und nachdem der nikerl dauernd busserln schickt, tu ich das jetzt auch - ohne dassd dich genieren musst!
;-)
busserl...

ClemmieInChina hat gesagt…

ja, war eh toll - nur um diesen einen berühmten blick hat es uns leid getan. aber andererseits sieht man den eh auf tausend fotos, während wir den rest live (und praktisch alleine) erleben konnten. auch nicht schlecht :).
bei dem bambus-zeug hab ich eh an dich gedacht - aber mitnehmen hat's nicht gespielt. ist ohne konservierungsstoffe.

und jetzt - eltern bleiben ja doch immer eltern - noch gschwind zum zeugnis:
grammatik & schreiben 98%
sprechen 94%
hören 90%
lesen 90%

also eh alles einser. umso schräger, dass ich als einziger das level wiederhole :D.

ClemmieInChina hat gesagt…

... ach du lieber himmel ... noch öfter hätt ich "eh" dann eh nimmer schreiben können :P.

rudolfottokar hat gesagt…

eh... ;-)

Anonym hat gesagt…

Also, ich find die Nebelfotos super. Die Brücke ist im Nebel sehr schön. Aber am geilsten ist der Hund auf dem Gruppenbild. Seltsam pittoresk! :)
Reisfelder im Sonnenschein kann jeder haben. Nebel kannst du am besten!