Mittwoch, 28. Januar 2009

Sichuan - III: Kunst

Übermorgen geht's ja gemeinsam mit meinen lieben Freundinnen B. und J. zusammen auf die Reise durch China. Auf dem Plan stehen Guilin, Kanton, Hongkong - und natürlich Shanghai. Aber dank unsicheren Wetter-, Verkehrs- und Clemens-Bedingungen weiß man natürlich nie so recht, wo wir im Endeffekt wirklich landen werden. Macht aber nix, China ist zum Glück so groß, dass wir es zumindest nicht vollkommen verfehlen werden.

Wettertechnisch garantiert die Kombination J. und C. jedenfalls fürchterlichstmögliche Zustände, da ich für Nebel und diverse Naturkatastrophen bürge, J. hingegen für Dauerregen und Standard-Schlechtwetter zuständig ist. Gut möglich, dass an dieser Stelle in gut zwei Wochen der aufregende Bericht "Unsere 14 gemeinsamen Tage in einem Shanghaier Kino" erscheint.

Aber wenn wir schon beim Thema Reise sind: Einen kleinen Sichuan-Nachtrag bin ich noch schuldig, und der soll an dieser Stelle sogleich erfolgen.

Sichuan ist ja eine Gegend, in der ich mich zur intensiveren Befassung mit dem Thema Kunst genötigt sah. Nicht nur sind in dieser schönen Provinz die klassischen Künste omnipräsent, auch simple Dinge aus dem täglichen Leben werden auf ausgesprochen kreative Weise verarbeitet.

So zum Beispiel Süßigkeiten.

An jeder Ecke zu finden beispielsweise jene Herr- und Damschaften, die aus heißer Zuckermasse kunstvolle 3D-Lutscher gießen. Besonders beliebt: Das Drehen am Sternzeichen-Rad (links im Bild). Mit Glück erdreht man sich einen Drachen - die größte und prächtigste Figur. Mit nicht ganz so viel Glück bekommt man eine Ratz. (Dreimal dürft's raten ...)


Dieser Zucker wird auf Wunsch auch mit Lebensmittelfarben bemalt.


Eine andere Möglichkeit ist es, Zuckermasse in Tierformen zu blasen, wie es diese zertifizierte Dame hier tut.


Doch auch Stein ist vor der Chinesen künstlerischen Körperteilen nicht sicher. Mit einem winzigen Meißel werden nach Fotos oder Live-Bildern geduldig realitätsgetreue Abbilder in dunkle Steinplatten gepunkterlt. Warum weiß ich nicht.


Des Abends war für mich der Besuch einer traditionellen Sichuan-Oper Pflicht. Völlig unkompliziert ist so etwas im Rahmen einer Tour möglich. Viel lustiger (und garantiert Koarl-frei - er besucht nämlich auch gerne Theater- und Kino-Vorführungen) hingegen ist es, sich einfach selbst ein Opernhaus zu suchen und dort als einziger Europäer unter vielen (lauten) Einheimischen dieses Spektakel bei stets frischem Grüntee zu genießen.
Ich wähle hier bewusst das Wort "Spektakel", denn bei einer solchen Oper fliegt wahrlich die Kuh: Neben klassischen Gesangs-, Instrumental- und Tanzdarbietungen gibt es auch Sketches, atemberaubende Akrobatik, Schatten- und Puppenspiele, Feuerspucken - und das, wofür die Sichuan-Oper am berühmtesten ist: "Changing Faces". Dabei treten Schauspieler in kunstvollen Masken und Gewändern auf, bedecken Gesicht und Körper für den Bruchteil einer Sekunde mit einem Fächer - und wenn sie diesen wieder wegnehmen, haben sich sowohl Maske als auch Gewand vollkommen verändert. Dies geschieht dermaßen rasch, dass es manchmal sogar vor aller Augen - ohne Fächerbedeckung - vorgeführt wird, und immer noch hat man nicht die geringste Ahnung, wo die anderen Masken und Gewänder hinverschwinden. Das muss man gesehen haben, um es zu glauben - meine Filmaufnahmen sind leider von mangelhafter Qualität, sonst hätte ich das hier hineingehängt.


Bei einem Spaziergang entdeckte ich ein ziemlich verfallenes, dafür aber sehr hässliches Gebäude, in dem offenbar Künstler ihre Werke ausstellten. Dort lernte ich Professor Chen kennen "Poet, Painter, Calligrapher" wie mir seine Visitkarte verrät. Er zeigt mir Fotos von ihm in New York: bei großen Ausstellungen und als Gastprofessor an der New Yorker Universität. Ebenso präsentiert er mir prächtige Diplome, die ihn als Meister diverser traditioneller Kunstrichtungen ausweisen. Als er mir dann noch auf einer alten Zeitung vorführt, wie man denn die Grasschrift korrekt auf Papier bringt, bin ich quasi gezwungen, dem alten Herrn auch etwas abzukaufen. Nun bin ich ja stolzer Eigentümer geradezu beeindruckender Unkenntnis betreffs chinesischer Kunst - und folglich jetzt auch eines Kalligraphie-und-Bambus-Zyklus Made by Prof. Chen, der zumindest ganz toll aussieht.


Dieser markante Herr wiederum war so nett, mir mein persönliches Siegel anzufertigen. Er tat dies in klassischer Siegelschrift und benötigte dafür nicht die üblichen 2 - 3 Minuten, sondern arbeitete über eine halbe Stunde konzentriert an Entwurf und Ausführung - so dass ich jetzt eines der wenigen qualitativ wirklich hochwertigen Siegel meines (chinesischen) Namens mein Eigen nenne.



... und so schaut's dann gestempelt aus. Rechts oben 白 (Bai, "Weiß"), mein chinesischer Familienname, rechts unten bzw. links 克林 (Kelin, "den Wald erobern"), mein chinesischer Vorname. Unten in "Schreibschrift". Wird ab sofort alle meine Bücher zieren. Und meine Fotos. Und meine Wände. Und überhaupt alles, was irgendwie mir gehört. Oder auch sonst jemandem.

So. Damit wünsche ich mir selbst eine gute Reise, und jenen Leuten, die sich aus mir unbekannten Gründen bis zu dreimal in der Woche mit relativ unrelevanten Informationen aus China versorgen lassen, wünsche ich geruhsame zwei Wochen. Benehmts Euch warm, schauts anständig über die Straße und ziehts Euch links und rechts an. Baba!

7 Kommentare:

rudolfottokar hat gesagt…

viel spaß, viel glück, viel interessantes...und passts auf euch auf!

(monci)

rudolfottokar hat gesagt…

übrigens... der herr siegelmacher erinnert mich irgendwie an wen... ;-)

rudolfottokar hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
ClemmieInChina hat gesagt…

*denk* wen meinst denn - beim siegelmacher, mein ich. mir kam er auch irgendwie bekannt vor, aber ich komm nicht drauf!

rudolfottokar hat gesagt…

schau dich in den spiegel... ;-)

("cults" find ich gut...)

ClemmieInChina hat gesagt…

ah, DRUM war er mir so sympathisch :D.
Aber ernsthaft: Is nur der Grinser ... der Gute war recht füllig :).

rudolfottokar hat gesagt…

tja...iss was gscheits...
(drum steht da auch "sessesse")