Mittwoch, 7. Januar 2009

Guangxi - VI: Schräges

Letzte Nacht war ich sehr brav. Selten so viel trainiert. Etwa alle zehn Minuten den gesamten Weg zwischen Bett und WC zurückgelegt - hin UND zurück! Und auch wenn ich nun ein wenig müde bin, so fühle ich mich doch ... ähm ... innerlich gereinigt.
Mein Verdauungsapparat hat nun beschlossen, Ruhe zu geben. Vielleicht war's das ja, vielleicht hilft jene chinesische Medizin, die mir mein lieber Freund Chua gab, und die ich seitdem fleißig einnehme. Kleine, schwarze Kugerln. Aus dem Flascherl, in dem sie verpackt sind, riecht es raus, als wäre drinnen kürzlich jemand verstorben. Aber es scheint zu helfen, also beklage ich mich nicht. Ich hoffe nur, ich finde niemals raus, was da alles enthalten ist - wer jemals in einer traditionellen chinesischen Apotheke war, weiß warum.
Jedenfalls dacht' ich gerade leis' bei mir: Wenn wir schon von Schrägem und Bizarrem sprechen (außerdem keinen Schritt vor die Türe gehen können und zusätzlich gerade nicht am Klo sitzen), können wir doch flugs den letzten Guangxi-Eintrag endlich nachliefern. Die gute Nachricht dabei: Der Worte sind's nicht viele, der Bilder dafür umso mehr. Also los geht's ...


China ist ja generell ein sehr musikalischer Ort. Das gilt auch für Guangxi. Seien es blinde Bettler, die auf selbstgebastelten Erhu (= 2-saitigen Geigen) mitten auf belebten Straßenkreuzungen spielen ...

... oder professionelle Erhu-Spieler, die in Parks üben und dabei geradezu klassisch chinesische Bilder prägen ...



... oder einfach das gesamte chinesische Volk, das in jedem Park, auf jedem Platz, zu jeder Tages- und Nachtzeit gemeinsam tanzt. Und zwar Manderl und Weiberl, jung und alt, reich und arm - zu jeder Art von Musik: von Peking-Oper bis zu Hardcore-Techno.
Und erst, wer einmal chinesische Omas in Mao-Anzügen begeistert Hiphop-Routinen zu 50 Cents "In da Club" durchziehen gesehen hat, kann ermessen, wie engstirnig wir Europäer in muskalischer Hinsicht sind.


Die schönen Künste sind überhaupt omnipräsent. Kalligraphie wird gerne auch mal im Park praktiziert - mit Riesenpinsel und Wasser aus der Trinkflasche auf Beton. Nicht gerade Werke für die Ewigkeit.


Aber die Guangxi-Leute wissen auch, wie man sich mit leichtlebigeren Aktivitäten amüsiert: Alle paar Meter bieten ältere Herren chinesisches Schach an. Gegen sie kann man gegen ein bisschen Geld antreten, verlieren - und dann herrlich streiten. Wie im Bild ersichtlich, ist auch für Nichtspielende das Zuschauen ein gern praktizierter Zeitvertreib - seien es Fußgänger, zufällig auf dem Gehsteig vorbeirasende Motorradfahrer oder Gelegenheits-Weihnachtsmänner.


Der chinesische Sinn für Amüsement ist dabei recht allumfassend - auch Buddha himself ist mit Freude glücksspielend bei der Sache ...


... und beim Bummel durch die Straßen finden sich Hinweise, dass es auch in chinesischen Schlafzimmern lustig zugehen dürfte.


Uns Ausländern steht in Chinas Straßen dabei ein weiterer, nie versiegender Quell steter Freude offen: Übersetzungen. Ob nun Schilder auf die bestehende Möglichkeit der überraschenden Inbesitznahme eines Zentrums áufmerksam zu machen suchen ...


... oder man im Park höflich aufgefordert wird, andere zu sespecten während sie appseciaten, indem man die Unversehrtheit der Umgehbung semaint (???).


Ja, man mag schmunzeln über unvollkommene Übersetzungen. Zum Glück aber gibt es doch universelles, sprachliches Verständnis. So wissen beispielsweise auch findige chinesische Modeschöpfer, dass die Nutzung französischer Markennamen Europäern stets gehobenes Niveau und verfeinerten Geschmack suggeriert.


Und hier werden sie auch geholfen. Zum Beispiel durch Hinweisschilder. Obwohl in obigem Setting ja für jedermann offensichtlich ist, dass hier eine öffentliche Fernsprechanlage zur Nutzung bereitsteht, weist ein (nagelneues!) Schild extra noch darauf hin.


Auf Stränden gibt es Schilder, die zum Tragen angemessenen Schuhwerks auffordern. Die Interpretation dieser Worte bleibt dann hingegen offensichtlich der individuellen Auslegung überlassen.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wirklich sehr schräg! :) Am besten gefällt mir das Bild mit den Spielern, sensationelle Blickbewinkelung! ;)
Deine Beschriftungsfotos solltest bei engrish.com einreichen, dann hat der Rest der Welt auch Freude dran.

Hoffe, dein Bäuchlein nimmt nicht nur Anlauf für die nächste Runde, sondern gibt jetzt wirklich Ruh!

_mathilda_ hat gesagt…

Puh, ich hoffe, dass für die verstärkte Nutzung der lokalen Infrastruktur keine zusätzliche Gebühr erhoben wird ;) Ich hoffe, dass für deine Medizin niemand und nichts sterben musste und es sich einfach um die chinesische Form von Kohle handelt.

Die Bilder sind super. Das einfache Gemüt in mir findet natürlich die Übersetzung der Buchstaben "SM" in fünf chinesische Zeichen bzw. vice versa recht lustig. Und die Modemarke "Toilette" hat in deiner momentanen Situation eine boshafte Zweideutigkeit, fällt mir auf.

Und weils wahr ist: "trutmeti"!

ClemmieInChina hat gesagt…

danke, toshi :). an das mit enrish hab ich auch schon gedacht. aber das ist ja wiederum mühevoll, und wir wissen ja alle: mühe ist dafür da, um vermieden zu werden :D. naja, vielleicht schick ichs denen mal, wär lustig :).

und mathilda: die fünf zeichen bedeuten wörtlich: "Geschäft für Interessen Erwachsener" Chinesisch ist manchmal ein bissl indirekt ;).

ClemmieInChina hat gesagt…

... "engrish", meinte ich natürlich :P.

rudolfottokar hat gesagt…

na fein - du klingst ja schon wieder ganz fidel...
(I love schräge büdln!)

rudolfottokar hat gesagt…

"eysess" wollt ich noch sagen...