Fast hätte ich's vergessen: Neben Verkehrshölle, Dreck, Verwaltungschaos und Lärm hat China ja noch etwas zu bieten: eine jahrtausendealte, unvergleichliche Kultur. Und nach drei Wochen Nudel- sowie Administrationsexzessen dachte ich, es wäre einmal an der Zeit, sich zur Abwechslung dieser Seite Chinas hinzugeben.
So besuchte ich zum Beispiel jüngst das Shanghai Art Museum, in welchem gerade die Biennale stattfindet. Anlässlich derer gab es Installationen zu bewundern, die durchaus interessant sind, allerdings kenne ich mich einfach nicht genügend aus, um das Gesehene wirklich würdigen zu können. So verweilten wir nur etwa eine Stunde dort und meine Mädels wandten sich dann dem Shoppen zu. Was, zugegeben, hier auch wunderbar geht, und so ließ ich sie denn in Frieden ziehen, kehrte selbst aber zum Dorm zurück.
Vorgestern nahmen wir dann einen Anlauf auf das Shanghai-Museum, eine der besten Stätten für alte Kunst in China. Und das ist offenbar kein Geheimnis, denn vor dem Eingang angestellt trafen wir auf einige Millionen andere willige Besucher, die Kunst zu sehen wünschten. Zhongqiujie (das Mittherbstfest - am 15. September) ist offenbar ein beliebter Museumstag.
Abermals wandten sich die Mädels also - diesmal kulturell gesehen völlig unverrichteter Dinge - dem Shopping zu, ich führ zurück zum Dorm.
Heute aber sollte alles anders werden! Ich ließ die Mädels vorsichtshalber gleich einmal zu Hause, nahm nur mich selbst und meine Kamera - und tatsächlich: Geradezu friedlich (und mit freiem Eintritt) bot das Museum mir seine Sammlungen dar. Gemälde, Kalligraphien, Kunsthandwerk, Münzen, Möbel - dies alles und sehr viele Feuerlöscher (auf die ich seit meiner Reise in die Ukraine sensibilisiert bin, aber das ist eine andere Geschichte) findet man in dieser hochmodernen, hervorragend gestalteten Kulturstätte. Eine kleine Auswahl davon habe ich bildlich festgehalten.
En garde ...
Das Shanghai Museum - mitten am zentralen Hauptplatz gelegen, besticht es durch gewagtes Ufo-Design.
Zu den abwechslungsreichen Sammlungen gehört beispielsweise eine Ausstellung von Kunsthandwerk Chinas mehrerer Dutzend Minderheiten. Hier die typische, traditionelle Kleidung von Männern der "Yi". Besonders nett: das kesse Rockerl und die Angel, die dem Herrn aus dem Kopf wächst.
Masken zur gefälligen Verschönerung des Trägers gibt es auch - hier eine (im Original sehr große) tibetische solche.
Die Vertreter der nördlichen Minderheiten sind durch ganze Langboote vertreten.
Wieder mal etwas speziell für Mr. Schausi: Was ist das? Geeenau: Geld! Die früheste chinesische Währung, um genau zu sein. Da kann man nur hoffen, dass zumindest die Männer der damaligen Zeit ihr Kleingeld nicht in der Hosentasche trugen ...
Bei aktuelleren Währungen kommt einem manches seltsam vertraut vor.
Wie war ich glücklich, als ich die Sammlung der von mir so geliebten chinesischen Kalligraphien entdeckte! Die wichtigsten alten Meister sind alle vertreten - hier eine Gegenüberstellung zweier Schriften anhand von 1.000 verschiedenen Zeichen von einem Meister aus der Yuan-Dynastie (1271 - 1368).
Die wunderschönen Striche aus der Kalligraphie hielten auch in die Malerei Einzug: Nicht nur in Form von Schriftzeichen, die gerne in die Gemälde integriert wurden, auch bei bestimmten Maltechniken, bei denen mit nur wenigen Strichen extrem kraftvolle Naturstudien geschaffen wurden. (Die hier ist - wenn ich mich recht erinnere - aus der späteren Qing-Dynastie (1644 - 1911).)
Es ist unglaublich, welchen Grad an Abstraktion chinesische Künstler bereits im 17. Jahrhundert erreichten. Zwar war die Malerei noch gegenständlich, aber die Sparsamkeit der Striche und die gesamte Ausführung lassen das Dargestellte fast nebensächlich werden.
Öhm, ja, soviel also zu meiner Begeisterung für schöne Striche. Tschuldigung. Ist wahrscheinlich, weil in meiner eigenen Schrift nicht mal zufällig auch nur irgendein Strich schön ist ...