Sonntag, 28. September 2008

Veganer Metal

Bevor ich mich morgen nun endlich auf meine erste Reise verabschiede - nach Nanjing - darf ich Großartiges verkünden: Man befand mich von Seiten der kommunistischen Partei Chinas für würdig, ein Einwohner der Stadt Schanghai zu werden! Das Residence Permit klebt in meinem Pass, und damit ist - nur ein Monat nachdem ich hierher gezogen bin - auch die letzte Formalität erledigt!

Gefeiert wurde dieser Umstand von meiner Seite gebührend: Mit einem langen, musikuntermalten Spaziergang inklusive Liang Mian (= Kalte Nudeln mit Koriander, Chili und Gewürzen) und geeistem Grüntee sowie dem Kauf vierer wunderbarer Bücher. Diese enthalten die 3.000 wichtigsten chinesischen Schriftzeichen. Man mag nun anmerken, diese Investition zahle sich ja fast nicht mehr aus, da für mich ohnehin nur mehr 2.100 Stück zu lernen wären, aber ich bin um Vollständigkeit bemüht.

Doch eigentlich wollte ich mitteilen, dass China zum Glück neben schrägen Dingen wie Massen-Hochzeitsfotos vor Hafenanlagen oder Unterhosen an Baustellenmauern durchaus auch ganz Gewöhnliches zu bieten hat, das uns auf den angenehm vertrauten Boden des Gewohnten zurückholt. So zum Beispiel ein Heavy-Metal-Event für Veganer, dem ich gestern in einem atmosphärischen (= grindigen) Undergroundlokal beiwohnen durfte.

Nun sollte man meinen, eine solche Veranstaltung richtet sich an eine, nun ja, wohldefinierte - und daher zahlenmäßig eher bescheidene - Zielgruppe.

Und so war es auch. Im Prinzip nahmen daran eigentlich nur mein kleines Freundesgrüppchen sowie die Bands selbst Teil. Aber das schmälerte den Spaß keineswegs, im Gegenteil. Ich darf das zum Anlass nehmen, vor meiner kleinen Reise ein paar Event-Fotos zu präsentieren.

Voilà:


Damit man uns nicht nachsagen kann, wir wären nur dort, wo die Musik gut ist: Chua, Mariko, Uli und ein komischer Herr mit Problemhaar in der "Disko Banana", die gottseidank genauso ist, wie der Name befürchten lässt. (Foto: Mariko)

Fünf Freunde lassen sich von chinesischen Heavy-Metal-Veganern bei 100%ig fleischlosem Bier in der "Live Bar" niederschalmeien. Fünf? Ja. Eine versteckt sich hinter der Kamera ...


... aber vergeblich. (Pech, liebe Anna. Und ein deutsches Blog wirst wahrscheinlich eh nicht lesen, hihihi.)

Eine der fünf Kombos, die uns - zugegeben - ganz schön umbliesen.

Samstag, 27. September 2008

Brautstau im Park

Gestern ist etwas Merkwürdiges passiert: Shanghai kam offenbar zum Schluss, europäischer Herbst wäre schick, und hat das Wetter einfach völlig umgestellt. Die Sonne strahlt durch kristallklare Luft, keine Spur von Schwüle und ... 22 Grad! Zum ersten Mal, seit ich in China bin, ist mir nicht ununterbrochen heiß. Es fühlt sich an wie ein schöner Herbsttag in Österreich. Und sieht auch so aus - nur halt mit mehr Chinesen. Es ist ganz ungewohnt, auch anspruchsvollere körperliche Belastungen - wie Uhraufziehen oder Schnäuzen - ohne zu schwitzen auf sich nehmen zu können.

Der Ritt zum Park
Ich beschloss, dies auszunutzen. So habe ich denn gleich Ende der Vorlesungen (denn dieses Wochenende arbeiten wir durch, damit wir anschließend eine volle Woche Urlaub anlässlich des National Day genießen können) meinen Hintern der Wissenschaft geopfert. Und zwar in der Form, dass ich den ziemlich langen Weg zum Gongqing Forest Park eigenfüßig radelnd zurücklegte. Eigentlich aber eben eher eigenärschlings, denn letzterer Körperteil litt gehörig unter meinem schlechten Sattel.
Was dieser Gongqing Forest Park ist? Nun, das wusste ich eben auch nicht, daher ja meine Forschungsreise. Weit weg ist er. Denn er liegt am Ufer des Huangpu River, und der wiederum ist gut 10 Kilometer entfernt von meinem Dorm. Das mag vielleicht nicht nach unendlichen Weiten klingen, aber wir sprechen nicht von reizenden, verlassenen Landstraßen an deren Rändern munter die Vögelein zwitschern, sondern wir reden von chinesischem Vorstadtverkehr und Straßen mit Schlaglöchern, in deren jedem ich samt Rad vollständig versenkt werden kann.

Ruhe in Shanghai: Der Gongqing Forest Park
Es stellte sich heraus: Dieser Park ist eine über 150 Hektar große Grünfläche mit unterschiedlichsten Komponenten - von Bambushainen über ein be-Booterl-bares Kanalsystem bis zum Steingarten. Und ruhig ist es dort. Vollkommen friedlich. Ich war begeistert. Ein wunderschöner, geradezu linder Tag - und wie oft kann man schon dieses schöne Wort benützen? - und dann noch ein solch beschaulicher Ort, voll der Natur, ohne Menschen - und das im Stadtgebiet von Shanghai.

Das schönste Foto des Lebens
Doch es wäre nicht China, wenn man nicht kreative Möglichkeiten gefunden hätte, auch an diesem Orte Staus zu produzieren. Dies geschieht, indem man sämtliche junge Brautpaare der Stadt inklusive Verwandtschaft und eines vollständigen Fotografen-Stabs gleichzeitig in den Park karrt und dort an den schönsten Punkten zur romantischen Hochzeitsfoto-Session aufeinanderstapelt. Und da romantische Flecken rar sind, fand ich mich konfrontiert mit dem für ungeschulte, europäische Augen so gar nicht romantischen Bild in einer Art Reihe wartender, gelangweilt lümmelnder Bräute und Brautigame sowie Fotografen inklusive Beleuchter und Equipment, während jeweils ein glückliches Paar sich in künstlerischen Posen auf Steinen, Bänken oder Bäumen räkeln durfte, um solchermaßen natürlich-glücklich als optisch erfrischender Hintergrund für künftige Ehestreitereien daheim festgehalten zu werden.


Ich darf meinen gleichermaßen entspannenden wie anthropologisch-lehrreichen Ausflug hier optisch ein wenig untermalen:




Schon die Anreise mit dem Fahrrad entbehrt nicht einer gewissen Ästhetik: Malerisch verziert herrenlose Unterwäsche ansonsten schmucklose Mauern ...



... die Freizeitgestaltung findet vorwiegend auf der Straße statt, um farbliche und soziale Akzente zu setzen ...

... und schließlich soll niemand behaupten, dass klassische chinesische Architektur in Shanghai nicht auch ihren Platz findet.

Im Park selbst wird das Auge des Entspannungssuchenden dann erfreut von mannigfaltigen Spielarten chinesischer Hortikultur: Hier gibt es Steingärten mit ausdrucksstarken Formen ...

... wildwachsende, farbenfrohe Pflanzen, die man im Wienerwald vergeblich sucht ...

... friedvolle Bambushaine ...

... naturbelassene Wasserszenarien ebenso ...

... wie Seen, die den Bootsfahrern oder Anglern zur Verfügung stehen.
Nur die schönsten Plätze des riesigen Parkes aber werden von den Fotografen als für Hochzeitsfotos tauglich ausgewählt ...

... wie beispielsweise hier das "Scenic View of the Huangpu River", wo junge Eheleute den schönsten Tag ihres Lebens in dieser ganz besonderen Umgebung für die Ewigkeit festhalten lassen.

Mittwoch, 24. September 2008

So wollte ich das

Mein eigener kleiner Schreibtisch. Es ist fast Mitternacht, die Lampe brennt. Es türmen sich Kärtchen, Hefte, Stifte; ein Stundenplan vor mir am Regal. Ich denke, schreibe, übe, stundenlang. Nicht weil ich muss. Nicht weil ich Angst habe. Sondern weil ich will. Weil es schön ist. Weil ich es genieße.

Genauso habe ich mir meine Studentenzeit immer vorgestellt. Nie ist sie so gewesen.

Für die wenigsten Dinge im Leben ist es so schnell zu spät wie uns unsere eigenen stereotypen Ideen glauben lassen. Das ist fein :).

Tellerjongleure und Archäologen

Manchmal trifft einen Erkenntnis in den unscheinbarsten Momenten. So wurde mir vor etwa fünf Minuten plötzlich klar, warum in China so unterschiedliche Professionen wie jene des Tellerjongleurs und des Archäologen zu so wunderbaren Blüten kommen konnten. Es war reine hygienische Notwendigkeit.

Ich fand des Pudels Lösung just als ich jenes kleine Kästchen in der Küche einer Grundreinigung unterzog, das meine Zimmernummer trägt und dessen Behuf es also ist, all meine Lebensmittel und Küchenutensilien versperrbar sicher vor meinen geschätzten nordkoreanischen Stockwerk-Genossen zu bewahren.

Es war dies die erste Reinigung, derer ich das Kästchen anteilig werden ließ. Und wenn ich das so fomuliere, dann meinte ich ursprünglich, die erste Reinigung von meiner Seite; doch mutmaße ich, den Vorbewohnern meines kleinen Zimmerchens nicht allzu viel Unrecht zu tun, wenn ich diese Aussage sanft erweitere auf den Zeitraum seitdem bewusstes Kästchen die Tischlerwerkstatt verließ, in welcher es zu Maos Zeiten wohl gefertigt worden war.

So kratzte ich behutsam mit Schwämmchen und Scheuermilch an den Kästchenwänden, und tastete mich sorgfältig Schmutzschicht um Schmutzschicht an die eigentliche Grundlackierung heran. Und während ich so - Teller auf Ellenbogen, Schultern und Oberschenkeln balancierend und dabei abwechselnd mal an der linken Wand, dann an der rechten festklebend - anhand der Dekaden-alten Rückstände schichtweise langsam rekonstruierte, welche Vorräte meine Vorbewohner in diesem unscheinbaren Kästchen zu verstauen pflegten, war sie plötzlich da, die Erleuchtung: Sowohl meine hochwertige, archäologisch-stratigrafische Arbeit, als auch mein anmutiger Balanceakt mit Küchengerätschaften entstanden keineswegs aus wissenschaftlicher oder künstlerischer Getriebenheit. Nein, es war bloße hygienische Notwendigkeit, die diese beiden so unterschiedlichen Disziplinen friedlich unter einem Studentenheimdach vereinte und - so glaube ich - vermutlich vor langer Zeit auch entstehen ließ.

Ich bin übrigens wieder gesund.

Montag, 22. September 2008

Krank :(

Ja, nun hat er mich ereilt, der erste kleine China-Virus. Den heutigen Tag habe ich bereits vorwiegend im Bett verbracht, und jetzt ist überhaupt Schonung angesagt. Keine Sorge, es dürfte ein normaler grippaler Infekt sein, und man kümmert sich sogar um mich, aber es nervt schon gehörig; zumal ich morgen meinen härtesten Vorlesungstag habe, den ich jetzt wahrscheinlich spritzen werde müssen.

Jedenfalls bitte ich um Nachsicht, falls sich in den nächsten Tagen Internet-technisch bei mir nicht so viel tut. (Und auch dafür, dass das jetzt nicht sehr lustig ist. Verstopfter Kopf reduzierte den IQ auf jenen eines mittelgroßen Steins.)

Und bitte kräftig die Daumen drücken, dass ich bis Sonntag wieder gesund bin. Da möchten wir gemeinsam nach Nanjing fahren, und wenn ich da nicht mitkann, dann ... dann ... DANN ... schmolle ich. Jawoll.

Sonntag, 21. September 2008

Fast ein Einwohner

China ist ein durchaus überraschendes Land. Und die verblüffendsten Dinge erfährt man im Gespräch mit Einheimischen.

Ich bin ja unlängst in einer ebenso schmutzigen wie guten Garküche mit einer chinesischen Studentin ins Gespräch gekommen. Sie kommt ursprünglich aus Tianjin (nahe Peking), und ist nun auch ganz frisch an der Fudan Universität, um hier Kommunikationswissenschaften zu studieren. 19 Jahre ist die Gute erst jung, und wie sich herausstellt hat sie noch nie mit einem Ausländer gesprochen, da dies hierzulande nicht gerade gefördert wird.

Chinglish, Einkaufstouren und Militäruniformen
In einem gewagten Gemisch aus Sprachen, die entfernte Ähnlichkeit mit Englisch und Chinesisch hatten, kommunizierten wir und vereinbarten ein neuerliches Treffen, welches heute stattfand. Eingebettet war dieses Treffen in eine kleine Einkaufstour, denn ich hatte den guten Vorsatz, ein wenig Gewand und Geschirr zu besorgen, was mit chinesischer Unterstützung einfach wesentlich besser geht. Es blieb beim guten Vorsatz, denn heimgekehrt bin ich mit zwei CDs und einem Computerspiel. Doch ich drifte ab.

Von Letetia (so ihr englischer Name) erfuhr ich einige interessante Dinge, die ich nicht wusste. So fragte ich sie, warum sie denn in einer tarnfarbenen Militäruniform auf die Uni ginge. Erstaunlicherweise muss in China offenbar jeder neue Student und jede neue Studentin eine siebentägige militärische Grundausbildung machen - was sich dann in Scharen von salutierenden und exerzierenden Studenten am Campus manifestiert. Und ebenso zum Programm gehört ein Kurs über die marxistischen Theorien - Philosophie, Ökonomie und Politik.

Spaß mit dem Entry-Exit-Office
Doch diese Schrägheiten sollen eigentlich nur den Hintergrund bilden für meinen jüngsten Kontakt mit chinesischer Bürokratie, der am Freitag stattfand. Nach langem Hin und Her hatte ich nämlich herausgefunden, dass wir am Freitag die Ergebnisse der Physical Examination bekommen würden - und mit ein bisschen Glück sogar rechtzeitig, um sie am gleichen Tag für die Entry-Exit-Prozedur einzureichen, im Rahmen derer mein X-Visum (mit 30 Tagen Gültigkeit) in ein Residency Permit umgewandelt würde.

Etwas nervös war ich schon, ob meine Gesundheit chinesischen Anforderungen entspräche, doch war dies tatsächlich der Fall. Ein mehrseitiger Report bescheinigte mir zu meiner Erleichterung, dass ich weder an AIDS noch an der Pest noch an offener Tuberkulose leide. Und wahnsinnig bin ich anscheinend auch nicht. Man stellte jedoch Herzrhythmusstörungen fest, die noch vor einem Monat bei der Untersuchung in Wien interessanterweise nicht da waren. Aber auch das ist kein Hinderungsgrund - mit dem gültigen Dokument der Physical Examination, mit meinem Visum-Formular JW202, meiner Admission Notice, meinem Studentenausweis, meiner Confirmation of Temporary Residence, meinem Introduction Letter der Fudan Universität (den ich vorher noch verlängern musste, da er nur 10 Tage gilt), meinem Pass, einem Antragsformular für das Residency Permit, mit 400 Yuan sowie einem Passfoto reihte ich mich also in die wogende Masse Residency-williger, ausländischer Studenten. Und nach nur vier Stunden Wartezeit, konnte ich in einer wie üblich grenzenlos chaotischen und einmalig umständlichen Operation alle diese Materialien einreichen, wobei mir beruhigenderweise auch mein Pass abgenommen wurde. In zehn Tagen sollte ich alles wiederbekommen, und wenn alles gut geht, bin ich dann ordentlicher Einwohner von Shanghai für ein Jahr. Für den 28. September sollte ich also eine kleine Feier ansetzen, denn wahrlich hart umkämpft war dieses unscheinbare Stück Papier.

Mittwoch, 17. September 2008

Kinesische Chunst: Shanghai Museum

Fast hätte ich's vergessen: Neben Verkehrshölle, Dreck, Verwaltungschaos und Lärm hat China ja noch etwas zu bieten: eine jahrtausendealte, unvergleichliche Kultur. Und nach drei Wochen Nudel- sowie Administrationsexzessen dachte ich, es wäre einmal an der Zeit, sich zur Abwechslung dieser Seite Chinas hinzugeben.
So besuchte ich zum Beispiel jüngst das Shanghai Art Museum, in welchem gerade die Biennale stattfindet. Anlässlich derer gab es Installationen zu bewundern, die durchaus interessant sind, allerdings kenne ich mich einfach nicht genügend aus, um das Gesehene wirklich würdigen zu können. So verweilten wir nur etwa eine Stunde dort und meine Mädels wandten sich dann dem Shoppen zu. Was, zugegeben, hier auch wunderbar geht, und so ließ ich sie denn in Frieden ziehen, kehrte selbst aber zum Dorm zurück.
Vorgestern nahmen wir dann einen Anlauf auf das Shanghai-Museum, eine der besten Stätten für alte Kunst in China. Und das ist offenbar kein Geheimnis, denn vor dem Eingang angestellt trafen wir auf einige Millionen andere willige Besucher, die Kunst zu sehen wünschten. Zhongqiujie (das Mittherbstfest - am 15. September) ist offenbar ein beliebter Museumstag.
Abermals wandten sich die Mädels also - diesmal kulturell gesehen völlig unverrichteter Dinge - dem Shopping zu, ich führ zurück zum Dorm.
Heute aber sollte alles anders werden! Ich ließ die Mädels vorsichtshalber gleich einmal zu Hause, nahm nur mich selbst und meine Kamera - und tatsächlich: Geradezu friedlich (und mit freiem Eintritt) bot das Museum mir seine Sammlungen dar. Gemälde, Kalligraphien, Kunsthandwerk, Münzen, Möbel - dies alles und sehr viele Feuerlöscher (auf die ich seit meiner Reise in die Ukraine sensibilisiert bin, aber das ist eine andere Geschichte) findet man in dieser hochmodernen, hervorragend gestalteten Kulturstätte. Eine kleine Auswahl davon habe ich bildlich festgehalten.

En garde ...



Das Shanghai Museum - mitten am zentralen Hauptplatz gelegen, besticht es durch gewagtes Ufo-Design.

Zu den abwechslungsreichen Sammlungen gehört beispielsweise eine Ausstellung von Kunsthandwerk Chinas mehrerer Dutzend Minderheiten. Hier die typische, traditionelle Kleidung von Männern der "Yi". Besonders nett: das kesse Rockerl und die Angel, die dem Herrn aus dem Kopf wächst.

Masken zur gefälligen Verschönerung des Trägers gibt es auch - hier eine (im Original sehr große) tibetische solche.

Die Vertreter der nördlichen Minderheiten sind durch ganze Langboote vertreten.

Wieder mal etwas speziell für Mr. Schausi: Was ist das? Geeenau: Geld! Die früheste chinesische Währung, um genau zu sein. Da kann man nur hoffen, dass zumindest die Männer der damaligen Zeit ihr Kleingeld nicht in der Hosentasche trugen ...

Bei aktuelleren Währungen kommt einem manches seltsam vertraut vor.

Wie war ich glücklich, als ich die Sammlung der von mir so geliebten chinesischen Kalligraphien entdeckte! Die wichtigsten alten Meister sind alle vertreten - hier eine Gegenüberstellung zweier Schriften anhand von 1.000 verschiedenen Zeichen von einem Meister aus der Yuan-Dynastie (1271 - 1368).

Die wunderschönen Striche aus der Kalligraphie hielten auch in die Malerei Einzug: Nicht nur in Form von Schriftzeichen, die gerne in die Gemälde integriert wurden, auch bei bestimmten Maltechniken, bei denen mit nur wenigen Strichen extrem kraftvolle Naturstudien geschaffen wurden. (Die hier ist - wenn ich mich recht erinnere - aus der späteren Qing-Dynastie (1644 - 1911).)

Es ist unglaublich, welchen Grad an Abstraktion chinesische Künstler bereits im 17. Jahrhundert erreichten. Zwar war die Malerei noch gegenständlich, aber die Sparsamkeit der Striche und die gesamte Ausführung lassen das Dargestellte fast nebensächlich werden.

Öhm, ja, soviel also zu meiner Begeisterung für schöne Striche. Tschuldigung. Ist wahrscheinlich, weil in meiner eigenen Schrift nicht mal zufällig auch nur irgendein Strich schön ist ...

Sonntag, 14. September 2008

Physical Examination

Man muss wissen: Außerhalb von China geht's zu wie im Ausland. Da gibt's Menschen mit weißer, ja, gar schwarzer Hautfarbe; da gibt's Sprachen, die nicht 40 verschiedene Zischlaute kennen; da gibt's Medien, die einfach so schreiben und senden, was sie wollen, ohne Rücksicht auf die Volksgesundheit. Und da gibt's Krankheiten. Böse Krankheiten. Wenn ich meinem Physical Examination Formular glauben darf, gehören zu diesen Übeln, die wir Ausländer so nach China einschleppen, beispielsweise Lepra, Verrücktheit oder die Pest.
Um zu verhindern, dass dies alles in das Reich der Mitte gelangt, gibt es die Physical Examination, die zu genießen all jene, die ein Residency Permit anstreben, das Privileg haben.

Morgenstund geht so lange zum Brunnen bis alles gut wird
Um 8.30 Uhr morgens bemühte sich das Shanghai Exit-Entry Hygiene & Quarantine Bureau zu uns ins Foreign Students Dormitory; eigens, um uns zu untersuchen und sicherzustellen, dass wir auch wirklich sehr gesund wären.
Da dies um 8.30 Uhr startet und wir hier in China sind, fand ich mich folgerichtig pünktlich um 6 Uhr an dem vereinbarten Punkt ein. Als fünfter in der schnell wachsenden Schlange. Um 7.30 Uhr waren alle 160 Nummern vergeben, alle die später kamen, wurden wieder fort geschickt. Insgesamt hatte ich also zweieinhalb Stunden in der Schlange gewartet, bis die Sache offiziell begann, und anschließend dauerte es noch etwa 20 Minuten, bis ich an der Reihe war. Im üblichen personalintensiven Fließbandsystem wanderte ich dann von Sessel zu Sessel, wobei jeder der - sagen wir mal - mir gegenüber eher neutral gesinnten Beamten jeweils einen Datenpunkt meiner Personalien aufnahm (nicht ohne dabei jedes Mal mehrere Formulare auszufüllen und diverse solche an diverse andere zu heften).
Dann wurden erwartungsgemäß die von mir ordnungsgemäß vorgelegten Resultate der Untersuchung aus Wien ignoriert - schließlich können nur so die 400 Yuan kassiert werden - und alles noch einmal von hiesigen Profis untersucht: Blutabnahme, Ultraschall, Lungenröntgen, Abtasten, Sehtest und ähnliche unterhaltsame Dinge. Auch das medizinische Personal bestach dabei durch eher subtile Freundlichkeit.

Unvorhergesehene Wissbegier
Ich liebe es ja, meine offiziellen chinesischen Freunde zu überraschen. So habe ich sehr lange überlegt, auf welche Frage die makellos arbeitenden freundlichen Offiziellen nicht vorbereitet sein könnten, um ein wenig Spannung in ihren drögen Alltag zu bringen. Ich hatte folgende kreative Idee:

"Wann und wie erfahren wir das Ergebnis dieser Untersuchung?"

Da waren sie baff. Da das Wissen um diese Fakten für die Entry-Exit-Prozedur, die jeder aufenthaltswillige Ausländer über sich ergehen lassen muss, unbedingt notwendig ist, könnten naive Zeitgenossen annehmen, die Beamten oder Ärzte wüssten auf so eine Frage eine Antwort. Oder könnten sie zumindest in Erfahrung bringen. Weit gefehlt. Verwirrung machte sich breit - und die Reaktion erfolgte prompt gemäß chinesischer Standardprozedur: den Fragenden einfach ignorieren, er wird schon von selbst wieder gehen.
Über Umwege erfuhr ich dann gerüchteweise, dass wir eventuell die nötigen Dokumente mit den Untersuchungsergebnissen am Tag der Entry-Exit-Prozedur in Zimmer 120 ausgehändigt bekommen. Vielleicht sogar rechtzeitig. Aber sicher ist das nicht. Und es weiß auch niemand wirklich Bescheid. Das macht aber nichts. Schließlich sind wir nur etwa 800 Studenten, die dies zu erledigen haben. Und jedes Semester kommen neue. Gutes Chaos will professionell erzeugt sein, sonst reißt womöglich noch Ordnung ein. Mit großer Vorfreude erwarte ich also den Freitag. Vorher wird allerdings noch Chinesisch gelernt, und einige Freunde wollen auch noch getroffen werden.

Shanghai Ocean Aquarium

Wir haben also festgestellt: Shanghai ist eine sehr feuchte Stadt. Und wenn Wasser schon so ein großes Thema hier ist, dann - so beschlaß ich - könnte ich mir an einem Regentag wie heute doch einmal das Shanghai Ocean Aquarium zu Gemüte führen. Dies tat ich, und zurecht geschah's, denn der Eintritt ist zwar heftig, aber durchaus gerechtfertigt.
Übrigens habe ich in meiner grenzenlosen technologischen Kompetenz herausgefunden, wie man die Bilder klickbar macht. Deswegen sind sie jetzt im Fließtext ganz klein, können dafür aber durch Anklicken vergrößert werden. Ein Hammer.


Das Aquarium steht mitten in Lujiazui, im prunkmodernen Hochhausviertel. Man weiß, dass Häuser wirklich hoch sind, wenn sie in die Wolken ragen.


Im Aquarium gibt's dann nur mehr Superlative: Die größten (und wohl auch hässlichsten) Süßwasserfische der Welt ...



... die größten Meereskrabben der Welt ...

... die fransigsten Fische der Welt ...

... und die grauslichsten Viecher der Welt (find' ich halt).

Dabei schreckt man wie üblich keineswegs vor Präsentationen gigantischen Ausmaßes zurück: Hier stehen nicht einfach Aquarien, nein, ganze Welten werden nachgebaut.

Und man wird auf einem Förderband durch den längsten Unterwasser-Tunnel der Welt geschleust (155 Meter!)

Hier begegnet einem gar schröckliches Getier ...

... und freundliche Menschen, die sich um die Erhaltung der Aquarien kümmern.

Samstag, 13. September 2008

Foto-Nachtrag

Bevor ich es vergesse, anbei noch ein paar Fotos, die niemanden interessieren:

Ich freue mich über meine geschmackssichere Neuerwerbung: eine Mao-Tasche. (Foto: Irene Li)




So sieht ein gemütlicher Einkaufsbummel in Shanghai aus. (Foto: Mariko Enomoto)

Typisch für die nordwestchinesische Küche: Spieße. Geschmeckt haben sie hervorragend, ich bin allerdings froh, dass ich nicht weiß, was es jeweils war. (Foto: Mariko Enomoto)


 

Sinlaku

Diesen hübschen Namen trägt ein Taifun, der gerade in der Gegend von Taiwan herumweht und sich auf die südostchinesische Küste zubewegt. Der Taifun an sich ist ja eine ziemlich Sau von Wind, denn er wirbelt stürmisch im Kreise und bringt damit gar grausig Wetter sowie oftmals Zerstörung. In amerikanischen Gefilden bezeichnet man solche Wirbelwinde als Hurrikans, im asiatischen Raum eben als Taifune.
Sie sind übrigens im September und Oktober hier ganz normal. Faszinierend ist nur das Timing, mit dem ihre Ausläufer ihre Regengüsse umherwerfen.

Akurater, subtropischer Regen
Das Wetter hier ist ja überhaupt durchaus faszinieren: Die Sonne brütet mit einer Kraft, die ihresgleichen sucht, das wahre Problem ist aber die Luftfeuchtigkeit. Sie ist das ganze Jahr über so hoch, dass Fischlein vermutlich an Land überleben könnten. Man spürt das als einen ständigen, feuchten Film auf der Haut, und unsereiner leistet schwitztechnisch Übermenschliches, da selbst bei 25 Grad Außentemperatur bereits geringste körperliche Anstrengungen wie Uhraufziehen oder Augenbrauenhochziehen ausreichen, um innert Sekunden stirnlings fontänenartig Feuchtigkeit zu verbreiten. Aber selbst schuld, warum ziehe ich auch in eine subtropische Stadt?
Doch nicht nur die Luftfeuchtigkeit fühlt sich ganz anders an als in Europa. Auch der Regen ist nicht zu vergleichen. Heute hatte ich hautnahe Gelegenheit, mich davon zu überzeugen. So fuhr ich denn mit dem Fahrrad in ein nahes Einkaufzentrum, um mir dort ein kleines Picknick zusammenzustellen, das ich hernach in einem Park zu mir zu nehmen gedachte, wo wiederum ich eifrig lernen wollte.

Die Kurzfassung meines Ausfluges
9h - 12h: strahlender Sonnenschein
12.00: ich radle los
12.05: sintflutartiger Regen beginnt
12.06: ich radle unter einem Schirm
12.15: ich erreiche das Einkaufszentrum und erledige tropfend meine Einkäufe
12.17: der Regen stoppt
12.30: ich radle zurück zum Dorm (die Picknickpläne sind gecancelt)
12.31: sintflutartiger Regen beginnt
12.32: ich radle unter dem Schirm
12.45: ich erreiche das Dorm
12.50: der Regen stoppt
18.45: ich schreibe diesen Eintrag. draußen seither strahlender Sonnenschein

... und dieser Regen besteht aus Tropfen, so groß wie ein Fingernagel, ist ausgesprochen warm - und bringt auch keinerlei Abkühlung. Nach den Regengüssen dampft alles in einer schwülen Hitze, die nur sehr schwer zu ertragen ist. Und das mir. Aber meteorologisch von größtem Interesse. Ich bin schon gespannt, wie sich so ein Taifun im 16. Stock eines Hochhauses anfühlt.

Donnerstag, 11. September 2008

Shanghai intim

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle meine lieben europiden Freunde daran teilhaben lassen, wie es in Shanghai neben wolkenkratzerig und blitzmodernoid noch aussehen kann. Die wilden Wellblechsiedlungen, die verdreckten Garküchen, die hunderten halb aufeinandergestapelten Snack-Standeln auf den Straßen - ich wollte "Das andere Shanghai" zeigen; jene Stellen, wo man so richtig das arme, ländliche China spürt.

Blöd nur, dass ich's in der Eile heute nicht gefunden habe.

Ich hatte nämlich nur einige wenige Stunden Zeit und bin direkt in die Innenstadt gefahren. Dort aber geht es größtenteils vergleichsweise edel zu. Was ich allerdings fand, und was es mitten in der Innenstadt gibt, ist das zwar etwas wohlhabendere, aber eben nicht so vollkommen getrimmte Shanghai - das Seitengassel-China gewissermaßen. Urban, aber nicht übertrieben. Und dieses "mittlere" Shanghai darf ich hier bildgewaltig demonstrieren. (Wobei dank Knipsi-Kamera sowie fehlendem fotografischen Talent die Bilder mehr zu Urlaubsfotos, weniger zu künstlerischen Statements, gerieten.)

Alsdern ...



Dieser freundliche Herr steht als ganz große Statue mitten im Uni-Campus. Das war sicher ein ganz ein Lieber.

Eine ganz normale Seitenstraße in der Shanghaier Innenstadt.

Die Geschäfte hier sind richtig nett und fast europäisch. Nur die Wäsche obendrüber ist vielleicht eher pragmatisch-chinesisch.

Die kleinen Einkaufsstraßen und die Hochhäuser liegen direkt nebeneinander.

Gerne wird auf der Straße gespeist ...

... die Frau von Welt trägt dazu Pyjama und Hausschlapfen.

Das hier ist gewissermaßen das Shanghaier Pendant zum "Obi" - mit Farben, Lacken, Heimwerkerbedarf - und zwei Herren beim Mahjonggspielen.

Auch heute noch fährt man in China gerne Rad (oder Elektroroller). Das Abstellen ist kein Problem - man lässt das Gefährt einfach fallen, wo man gerade absteigt. Das Wiederfinden ist dafür eine kleine logistische Meisterleistung.

Es ist bisweilen erstaunlich, was mit einem Fahrrad alles transportierbar ist. In diesem Fall sehen wir vorwiegend Last. Fahrrad und Fahrer sind darunter bzw. dahinter verborgen.

Als ich zum Abschluss in den Außenbezirken Richtung Jangtse-Hafen radelte, traf ich nach grimmigsten Arbeitervierteln unvermittelt auf diese hübsche Straße. Wo mag sie wohl hinführen ...?

Ah ja. Sehr hübsch.

Mittwoch, 10. September 2008

Shanghai ist ...

... wo Fahrräder und Mopeds in der Dunkelheit ohne Licht auf dem Gehsteig fahren.

... wo Menschenmassen rempeln und stoßen, ohne ein Wort der Entschuldigung.

... wo höchstens wenige Meter zwischen ärmlichen Ständen liegen, an denen gegrillte Rindsmagen, Schweinesehnen, Oktopusarme, Lammfettwürfel, Ochsenfroschstücke oder Schlangenfilets verkauft werden.

... wo alte Männer in Pyjama und guten Schuhen über die größte Einkaufsstraße bummeln.

... wo Dutzende Pärchen von Senioren in der Abenddämmerung zu brüllend lauter Musik mitten auf der Straße Wiener Walzer tanzen.

... wo Parks voll mit Menschen sind, die um 5 Uhr früh Taiji oder Gymnastik machen.

... wo die höchsten, modernsten Wolkenkratzer blitzsaubere Prachtstraßen säumen, in deren Seitengassen sämtliche Behausungen aus Wellblech und Karton zusammengeklebt sind.

... wo man in einem Studentendorm 290 Euro pro Monat für ein Zimmer zahlt, das direkt neben einer Arbeitersiedlung liegt, in der sechs Männer pro Raum sich den Preis für die Barracke teilen: fünf Euro pro Monat.

... wo es Menschen gibt, die entweder unglaublich herzlich oder kompromisslos grob sind.

... wo geräuschvoll gegessen, schlürfend getrunken und herzhaft ausgespuckt wird.

... ein Ort, in dessen Sprache es kein Wort für "bitte" gibt, und in der die korrekte, höfliche Art, einen Apfel zu kaufen, direkt übersetzt: "Gib mir den Apfel!" lautet.

... wo stylische Frauen in Prada-Hotpants neben sonnengegerbten Tagelöhnern in schmutzigen Mao-Hemden auf der Straße Nudeln schlürfen.

... wo man in einer Garküche um 50 Cent ein vollständiges Essen inklusive Getränk bekommt, und in der benachbarten Bar das zehnfache für ein Bier bezahlt.

... laut.

Dienstag, 9. September 2008

Na, geht doch ...

Meine Lebensphilosophie ist ja: "Erstmal Panik, für Depressionen ist dann immer noch Zeit."

Ganz demzufolge war ich also gestern so down wie bisher noch nie in China. Es hatte mich aber auch wirklich niemand lieb ... die Lehrer (weil zu chinesisch), die Kurskollegen (weil zu gut), das Wetter (weil zu schwül) und das Leben an sich (weil zu hart).
Heute hingegen hatte ich den wohl bisher besten Tag seit ich hier bin. (Waren das wirklich erst zwei Wochen?) Auf einmal war die Welt wieder in Ordnung: Level B ist haargenau richtig für mich - ich komme wunderbar mit, aber es gibt mehr als genug Neues zu lernen. Auch meine drei neuen Lehrerinnen sprechen viel schöneres Chinesisch, meine Kollegen im Kurs sind mir sympathischer - und sogar das Wetter war etwas erträglicher (kühle 31 Grad bei den üblichen 120% Luftfeuchtigkeit). Und dann hat sich noch meine Zufallsbekanntschaft aus der ebenso netten wie dreckigen Garküche, in der ich jüngst einsam ein paar Nüdelchen verspeiste, wieder gemeldet, und wir werden am Samstag miteinander einkaufen gehen; was hervorragend ist, da sie kaum Englisch spricht und ich also gezwungen sein werde, Chinesisch zu sprechen. Und ich liebe es ja, mich zum Idioten zu machen.

Durch dergestalte Erfolge motiviert, habe ich heute insgesamt acht Stunden gelernt: um 7 Uhr elfengleich aus dem Bett gefedert (bin ich froh, dass es keine Beweisfotos gibt), um 8 Uhr Kursbeginn, fünf Stunden Kurs und dann noch drei Stunden Homework. Abends bin ich dann noch mit Ulli und zweien ihrer Freunde Grillspieße essen gegangen. Zarte 60 Stück davon haben wir zu viert verputzt - und hierzu gibt es Beweisfotos, die ich bei nächster Gelegenheit gerne nachliefere.

Jetzt ist es gerade 23 Uhr, ich werde für morgen noch einen kleinen Dialog auswendig lernen und den Tag dann mit einem guten Buch ausklingen lassen. Ok, ok, ich weiß schon, das sind jetzt weder sensationelle Meldungen, noch ist der Eintrag besonders lustig. Aber mir geht's gut, und genauso wie heute habe ich mir meinen China-Aufenthalt vorgestellt; und das ist doch einen Eintrag wert :).

Jetzt muss ich nur noch herausfinden, wie man hier Großer Vorsitzender wird ...

Montag, 8. September 2008

... oder doch B

Ist es jetzt soweit? Darf ich endlich, ENDLICH das Wortspiel anbringen, das hier wohl früher oder später einmal rein MUSS?

Ok, ich tu's, dann haben wir es alle hinter uns. Wohlan: Heute kam mir so gut wie alles Chinesisch vor. Ich hatte meine ersten drei Doppelstunden - und im Prinzip bin ich stolz auf mich, denn ich verstand bei meiner ersten Lehrerin 50%, beim zweiten 10% und bei der dritten etwa 30% von dem, was in der jeweiligen Stunde gesagt wurde. Das ist enorm viel, denn die Vorlesungen sind vollständig auf Chinesisch. Und zwar nicht etwa besonders einfach oder langsam gesprochen, nein, völlig normal. Kein Wort Englisch ist dabei. Auch nicht, wenn es um Organisatorisches, Grammatik oder Aufgabenstellungen geht. Und das ist ein klein wenig hinderlich. Zwar war ich erstaunt, dass ich überhaupt so viel verstand, aber wenn ich nicht einmal sicher bin, was genau ich als nächstes tun soll - geschweige denn, wie denn die korrekte Lösung der Übung eigentlich aussieht - dann ist das nicht nur ganz, ganz schlecht für das Selbstbewusstsein, es ist auch relativ sinnlos.
Also flugs ins Buchgeschäft geeilt, das Buch für Level B gekauft, dieses angesehen und festgestellt, dass dies tatsächlich in etwa meinem Niveau entspricht - und entschieden, mich bereits ab morgen in die B-Vorlesungen zu setzen. Ich weiß nicht, welcher Wahnsinn die Prüfer geritten hat, mich in denselben Kurs zu setzen wie Menschen, die bereits fließend Chinesisch sprechen, aber sie taten es, und ich bin ihnen darob ein wenig gram. Ich hoffe, der Wechsel geht halbwegs problemlos vonstatten. Außerdem hoffe ich, ich verstehe dann mehr und meine Laune hebt sich wieder. Jetzt jedenfalls werde ich essen gehen. Das wenigstens kann ich ganz gut.

Sonntag, 7. September 2008

Ceh ist C

Es ist ja so, dass Chinesen gerne reden. Und was so eine richtige Opening Ceremony ist, die will in jedem Fall ordentlich zelebriert sein. Dies wird an der Fudan Universität in Form des stehenden Würdigens der Fudan-Hymne getan ("Fuuudaaaaaaan! Fuuuudaaaaaaaan! Fuuuuuudaaaaaaan") sowie anschließender ebenso instruktiver wie feierlicher Reden.
Man zerspricht mich
Zunächst fand der Dekan zum Worte, dann sprach ein Professorenvertreter. Dann noch ein Professorenvertreter. Gefolgt von einem Studentenvertreter. Und noch einem Studentenvertreter. Dann die Vorständin der Language School. Und ein Officer des Entry-Exit Office. Schließlich noch ein Verkehrspolizist. Dies hat schon mal ein paar Stündchen gedauert, und das an einem Sonntag um 9 Uhr morgens. Und damit das ganze auch ja nicht allzu spannend wird, wurde nach jedem gesprochenen Satz in andere Sprachen übersetzt. Ins Englische, Koreanische und Japanische. Nacheinander. Viel Neues hat man nicht erfahren, und so leerte sich der große Saal noch vor der Ansprache des armen Vertreters der Verkehrspolizei beträchtlich. Ich selbst ging auch, vermute allerdings, dies ist nicht allzu tragisch, denn allzu viel zu den Verkehrsregeln von Shanghai kann er nicht zu sagen gehabt haben. Vielmehr dürfte sich die Rede sinngemäß zusammengefasst in etwa auf folgenden Punkt gebracht haben: "Bitte nicht über Häuser fahren und, wenn möglich, überleben."

Die Eröffnungszeremonie des neuen Semesters ist eine durchaus wortreiche Angelegenheit.

Mein Niveau ist einfach zu hoch
Erstaunt war ich allerdings beim nachfolgenden Agendapunkt, dem gemeinsamen studentischen Überprüfen, welchem Level man zugeteilt wurde, was in Form aushängender Zetteln geschah. Ich hatte meine Prüfer offenbar genug beeindruckt, um Level C zugeteilt zu werden. Vermutlich habe ich als Antwort auf meine Fragen etwas wissender dumm gegrinst als mein Mitbewerb.
Folgerichtig stellte ich nach Abholen meiner Lehrbücher fest, dass ich nicht einmal deren Titel lesen konnte. Glücklicherweise haben wir nun eine Woche Zeit, nach Anhören der ersten Lectures zu entscheiden, uns einem anderen Level zuteilen zu lassen. Ich werde mich wohl auf Level B versetzen lassen, denn ebenso in Level C findet sich Saitavius, der seit zehn Jahren Chinesisch lernt und dementsprechend säuerlich reagierte, mich selbststudiertes Würmchen in seiner Gruppe zu finden.
Morgen beginnen meine Kurse - um sanft in den Tag zu gleiten gleich einmal mit einem Block aus sechs Stunden "Kouyu", "Jingdu" und "Tingli". Ich glaube, das heißt "Mündliche Sprache", "Leseverständnis" und "Hörverständnis". Aber ich bin nicht ganz sicher. Macht aber nix, denn ich liebe Überraschungen. Man muss nämlich wissen, dass selbst der Stundenplan für die absoluten Anfänger des Levels A selbstverständlich ausschließlich auf Chinesisch verfasst ist.

Der Stundenplan ist ausgesprochen informativ. Wenn man schon Chinesisch kann.

Ich bin gespannt, wie diese meine Probewoche verläuft. Da aber das Primär-Ziel meines China-Jahres keineswegs darin besteht, mich an den Rand des Selbstmords treiben zu lassen, sondern vielmehr das Land in allen seinen Facetten zu erleben (Frühlingsrollen, Buddhistische Fastenspeise, etc. ... ich erwähnte es schon), argwöhne ich, dass ich bis Ende der Woche auf Level B umsatteln werde.

Shop til I drop
Ach ja, gestern war ich mit Linlin, Anna und Irene Gewand einkaufen. (Engl.: "We are going to town. Do you want to join us?") Fünf Stunden lang. Dabei wurde seitens der Damen ein Preis von 3 Euro für eine Seidenbluse als zu teuer eingestuft und auf 2,50 Euro heruntergehandelt.
Außerdem verfärbte sich die Gesichtsfarbe zweier meiner drei Begleiterinnen bei einer Fahrt in einem der gemütlichen, kaum überfüllten Busse der Shanghaier Verkehrsbetriebe innerhalb erstaunlich kurzer Zeit von rosig-gesund in grünlich-übel. Ich selbst erstand eine Mao-Umhängetasche. Man weiß ja, was man Herrn Schausberger schuldig ist.




Irene, Linlin und Anna sehen nur harmlos aus. Wehe, wenn sie auf Gewandgeschäfte stoßen.

Freitag, 5. September 2008

In Kanton müsste man sein

"Chinesisch" als Sprache gibt's ja eigentlich gar nicht. Dies zu behaupten, ist ein bisschen so, als würde man von der Sprache "Europäisch" reden. (Und tatsächlich wurde ich bereits einmal von einem Chinesen gebeten, doch einmal etwas auf Europäisch zu sagen.)
Vielmehr gibt es acht bis zehn verschiedene Regionalekte (im Prinzip separate Sprachen, so unterschiedlich wie Englisch und Deutsch), von denen der größte das Hochchinesisch (Mandarin, Putonghua) ist, das praktisch überall verstanden wird. Außerdem gibt es noch Wu (z.B. Shanghaiisch), Kantonesisch, Min, Jin, Xiang, Hakka, Gan, Hui und Pinghua. Jeder dieser Regionalekte gliedert sich wieder in unzählige lokale Dialekte, die immer noch so unterschiedlich sind, dass sich die Sprecher zweier Dialekte von Städten, die praktisch nebeneinander liegen, kaum verstehen.

Eine besonders lustige chinesische Sprache ist, meiner Meinung nach, das Kantonesische. Ich mag daran besonders eine gewisse inhärente Logik. So heißt beispielsweise

"Fat" = Dick
"Fut" = Loch

Schön, nicht?

Donnerstag, 4. September 2008

Erste optische Eindrücke

Damit sich hier bilderlmäßig etwas tut, habe ich heute meine neue Kamera gepackt und ein paar Basismotive geknipst. Und hier kommen sie schon.


Blick auf den Fudan-Unicampus von meinem Dorm aus. Die weißen Häuserblocks vorne sind die Dorms der chinesischen Studenten, die zwei hohen Türme hinten links heißen "Guanghua" und sind das zentrale Gebäude der Universität.

Wayne, Saitavius und Nick sind vor dem Dorm-Eingang wie festgewachsen.

Das Foreign Students Dormitory in etwa einem Drittel seiner Pracht.


Das Verkehrsmittel meiner Wahl. Auch nicht viel kleiner als mein Auto (das jetzt übrigens ein Mödlinger Kennzeichen schmückt).



Der Renmin Guangchang (Volksplatz) ist das Zentrum von Shanghai.


Gemütlicher Straßenverkehr: Acht Spuren in jede Richtung - und oben drüber noch eine weitere Etage, die sogenannten "Elevated Roads". Und trotzdem ist alles verstopft.

Alt und neu vertragen sich ganz gut in Shanghai: ein Baugerüst aus Bambus vor modernem Hintergrund.


Am "Bund", der berühmten Uferpromenade, stehen koloniale Bauten, die irgendwie Wienerisches Feeling aufkommen lassen.

Der Bund selbst führt den Huangpu entlang, der wiederum ein Stück weiter nördlich in den Changjiang (Jangtsekiang) fließt. Hier promeniert man, lässt Drachen steigen - und nervt Ausländer mit allerlei Verkaufsgütern ("Tschip! Tschip!")

Am anderen Ufer liegt Pudong, der neue Stadtteil. Links zu sehen ist der Pearl Tower, Shanghais Wahrzeichen. Mit 468 Metern Höhe ist er aber nicht das höchste Gebäude. Man richte das Augenmerk auf den Turm mit dem seltsamen "Henkel", rechts im Bild.

Und hier ist es schon: Links, der Jinmao Tower (420 Meter) ist bekannt. Das Henkel-Gebäude hingegen stand bei meinem letzten Besuch vor zwei Jahren noch nicht - es ist fast 500 Meter hoch und damit das höchste Haus Chinas. In zwei Jahren so etwas zu errichten ist eigentlich fast unmöglich - Chinesen machen keine halben Sachen.