Jeder hier in China kennt Österreich. Es ist fast schon peinlich. Selbst der wildeste Taxler im hintersten Winkel strahlt mich nach erfolgreicher Erfragung meines Heimatlandes erfreut an und weiß sofort drei Dinge: "Wien! Musik! Sound of Music!"
Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich den bewussten Film vor meinem China-Aufenthalt nicht einmal kannte. Als sie das erfuhr, zwang mich meine liebe chinesische Sprachpartnerin dazu, ihn sofort anzusehen. Und so fand ich mich mitten in Shanghai, liebliche Salzburger Panoramen vor meinem Auge einherziehend, und dazu eine blaugelockte Schar blondäugiger Kinder gar frohgemute Liedlein trällernd, die (entfernt) an unsere schöne Volksmusik erinnern.
Linan macht in Sachen Heimatkunde aber keine halben solchen, denn gestern war es endlich soweit: Sie schleppte mich in ein Karaoke-Lokal. Nun muss man dazu wissen, dass in China Karaoke eine absolute Volksseuche ist. Jedes zweite Haus trägt die Aufschrift "KTV", die andeutet, dass man dort drinnen stundenweise kleine, mit rotem Plüsch ausgestattete Räume mieten kann, um ...
NEIN!
sondern: um Karaoke zu singen. Per Knopfdruck kommt ein Ober und bringt Getränke, per anderem Knopfdruck kann man aus hunderten chinesischen, koreanischen oder englischen Liedern auswählen.
Gestern war ich also zum ersten Mal an einem solchen Hort der Musik und stellte fest: Das macht Spaß!
So greinte ich mich denn durch Hadern wie "Blowing in the Wind" oder "Hotel California", sülzte mich über einen bedauernswerten "Danny Boy" zur (gottseidank belastbaren) "Bridge over Troubled Water", wich gerade noch einer "Sloopy" aus, stieß dafür allerdings frontal mit "And Rust" (und leider ziemlich wenig "Diamonds") zusammen, um schließlich mit einer verkühlten Version von "Hit me Baby one more Time" den absoluten Zenit musikalischen Schaffens zu erreichen.
Dachte ich. Denn meine liebe Freundin - die mich selbst mit tadellosen Versionen chinesischer, taiwanesischer und hongkongesischer Pop-Heuler niederschalmeite - wählte ohne mein Wissen "Edelweiß", ein Lied aus "Song of Music", das doch tatsächlich in einer Deutsch-Englisch-Chinesischen Version vorlag, und die wir in einem ergreifenden Duett zum besten gaben.
Was sich da akustisch abspielte, hätte dem stärksten Karpfen die Schuppen von der Haut geblasen, sage ich Euch.
Neiderfüllte Gesichter klebten dementsprechend auch an der nur leidlich schalldichten Türe unsere Kabine, während aus dem Inneren seelenvolle Chinesisch/Englisch/Deutsche Klänge eindringlich und endgültig mit dem schlimmen Vorurteil aufräumten, alle Österreicher wären musikalisch.
Unterstützt wurde der vollendete Trommelfellschmeichler noch von der Tatsache, dass ich größtenteils den chinesischen Part, Linan den deutschen übernahm - sowie durch mein vom Husten in ungemein erotische Stimmregionen irgendwo zwischen Gerda Rogers und Heintje gequetschten Vokalorgan.
Bescheidenheit ist gut, aber Fakten muss man anerkennen: Es war schlicht und ergreifend eine Sensation!
Daran ändert es auch nichts, dass selbst der automatische Applaus vom Band nach unserer Interpretation dieses Klassikers nicht mehr funktionierte.
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11 Kommentare:
grins...
(oder um etosha zu zitieren: gnihi...;-))
schad, dass es keine audio-dokumentation vor allem von edelweiß gibt...
das fand ich auch ... ich wusste anfangs nicht, dass wir dorthin gehen würden, sonst hätte ich es zumindest auf foto/film festgehalten. ein bombenkarl jedenfalls :).
"niederschalmeien" kommt auf die Liste für mein Wort des Jahres. SU-PER! Und ich bin froh, dass du die Fama der österreichischen Unzulänglichkeiten in der Welt verbreitest. Wäre ja zu peinlich, wenn die Chinesen uns alle für Sangeskünstler halten würde. Könntest bitte auch noch dafür sorgen, dass mit dem Skifahrervorurteil aufgeräumt wird? (ich überleg mir auch noch was zur Minimierung der Verletzungsgefahr)
Hi Clemens!
Sehr witzig, wir haben die gleiche "Sound of Music-Erfahrung" in den USA gemacht. Bis dahin kannte ich nur den gleichnamigen Falco-Song. Mittlerweile habe ich den Film immerhin schon zur Hälfte gesehen (in einem Hotelzimmer in San Francisco, nicht im ORF). Mein Einwand, dass SoM in Österreich nicht DER Klassiker sondern im Gegenteil praktisch unbekannt ist, erntet meist genauso ungläubiges Staunen wie ich über dieses Phänomen staune. Quis, quod, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando?
In den Bergen von Vermont kann man übrigens die "Trapp-Lodge" besichtigen. Was natürlich nix is gegen die angeblich in China erbaute (oder geplante?) ganze "Stadt Salzburg" mit allem drum und dran.
Ha! A Waunsinn heast, de aundan Völker.
@mathilda: hab dank, hab dank - ich tu mein bestes! das mit dem skifahren könnte ich ziemlich gut hinbringen, da meine letzte solche aktivität nunmehr etwa 10 jahre zurückliegt und meine diesbezüglichen fertigkeiten folglich jetzt vermutlich eher bescheiden sind. jetzt müssts nur noch schneien. und ein paar berge müssten sich gschwind auffalten.
@christian: servas :). naja - in den us of a kannsts ja leicht erklären. ist schließlich ein amerikanischer film und kein österreichischer. das hab ich hier auch schon weiß-gott-wievielen menschen dargelegt.
und - wie bitte? die wollen hier die ganze stadt salzburg aufbauen? ich mein ... für die chinesen kein problem - hier wird geklotzt und nicht gekleckert. aber das hör ich zum ersten mal. werd mich mal erkundigen :).
clemens und karaoke scheint immer ein sehr faszinierendes erlebnis zu sein... ich muss direkt mal schauen, ob ich dich nicht irgendwo auf video hab... weißt eh, lemmon ;))
salzburg in china kann ich mir gut vorstellen. hab sowas ähnliches mal in japan erlebt, nur handelte es sich dort um amsterdam. das war sehr seehr seeehr strange...
und lieber clemi, merke dir: man darf die cam nie zu hause lassen!!!
So fleißig wie die Chinesen sind, werdens doch sicher bis zum Ende deines Aufenthalts irgendwo noch rasch eine Skihalle hinstellen. Da kannst dann Österreichs Ruf ruinieren ;) Oder ich flieg rasch vorbei und mach das selber - ich bin schon länger nimma auf Ski gestanden und vermute, dass ich schon beim Draufsteigen jämmerlich versagen würd. In einer Skihalle würde ich wenigstens das Waldsterben nicht vorantreiben ;)
@vronella: das "lemmon" bleibt nach wie vor mein einziger bisheriger karaoke-auftritt auf österreichischem boden. und das ist gut so! obwohl ich unsere version vom Hämorrhoiden-Lied "Burning Ring of Fire" ziemlich sensationell fand, bei aller Bescheidenheit :D.
@mathilda: naja - schifahren prinzipiell ist in china ja wirklich kein problem - der gesamte nordosten ist diesbezüglich ein paradies. nur in shanghai spielt sich halt nicht viel ab. dafür könnt ich locker eislaufen - seit ein paar tagen haben wir -5 grad, und alles ist gefroren. jippie :).
Ring of Fire war scho guat... Der Rest - Naja *G* - Busserl, du Karaokinger!!!
*quaskie* - yeah, klingt fein! ;-)
Geh, tu net so, dich haben am Heimweg sicher hunderte Groupies ("Kreischies") begleitet! :D
(Das SoM-Erlebnis ist offenbar in der ganzen Welt für den handelsüblichen Österreicher das selbe. "Sound of.. woos?")
@ Clemens: Ja schon amerikanischer Film aber das sind ja fast alle bis auf endlich viele, anedda? Außerdem, nochdem jo ois aus Ameriga zu uns kummt erkärt das ja nicht warum er dort (und offenbar auch zB in China) zu einem identitätsstiftenden Kultphänomen wurde aber in Ö nahezu völlig unbekannt ist. Siehe zB Der Dritte Mann (GB) oder die paar Sekunden Bregenz ähemm Feldkirch im neuen Bond usw...
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