Jede Woche, von Montag bis Freitag, besuche ich zwanzig Stunden Vorlesungen, aufgeteilt auf vier Fächer mit Fokus auf Schreiben, Lesen, Sprechen und Hörverständnis. In jedem dieser Fächer lernen wir neue Vokabeln und Schriftzeichen, die ich vor der jeweiligen Stunde lerne – zusätzlich gibt es noch Aufgaben zu erledigen und Grammatik zu verstehen. Pro Woche investiere ich etwa 35 – 40 Stunden in das reine, formale Erlernen der chinesischen Sprache.
Darüber hinaus treffe ich mich jeden Montag und Donnerstag um 20.30 Uhr mit Li Nan, meiner Sprachpartnerin, und arbeite üblicherweise jeweils etwa zwei Stunden lang. Dabei konzentriere ich mich vorwiegend darauf, möglichst viel aktiv zu sprechen und die Dinge, die sie sagt, zu verstehen. Außerdem hilft sie mir bei Fragen und Problemen.
In den hiesigen Buchgeschäften gibt es eine unglaubliche Auswahl an Lernmaterialien. Neben jenen vier Lehrbüchern, die Grundlage für das Level C sind, habe ich weitere Arbeitsunterlagen besorgt, in denen ich immer wieder herumblättere und schmökere.
Jedes der neuen Vokabel schreibe ich sowohl in ein Heft, um sie alle an einer Stelle zu sammeln, sowie auf separate Kärtchen, um mich besser abprüfen zu können.
Jedes der neuen Schriftzeichen wird aus dem gleichen Grund in eine Liste aufgenommen und ebenso auf ein Kärtchen geschrieben. Der Arbeitsaufwand dafür ist enorm.
Auf dem Nachtkästchen neben meinem Bett liegen zwei Romane zeitgenössischer chinesischer Autoren („The Blood Merchant“ von Yu Hua und „Waiting“ von Ha Jin), und weitere warten schon darauf, gelesen zu werden. Außerdem liegen dort jeweils ein Fachbuch zur chinesischen Geschichte und Kultur und eines mit historischen Hintergründen zu und wissenschaftlichen Analysen der chinesischen Sprache.
In meinem Buchregal stehen frisch gekaufte Bücher zu den Themen Kalligraphie und chinesische Malerei sowie eine Unmenge an lokalen Reiseführern, Atlanten und Straßenkarten. Direkt darunter liegt mein Kalligraphie-Werkzeug, mit dem ich hin und wieder ungeschickte Versuche unternehme. An der Wand über meinem Bett hängt eine große China-Landkarte.
Neben meinem Schreibtisch stehen mehrere CDs mit klassischer chinesischer Musik, außerdem lerne ich zurzeit einen süßlichen taiwanesischen Popsong auf der Gitarre zu spielen und zu singen.
In einem mitgebrachten chinesischen Kinderbuch kann ich mittlerweile schon einiges verstehen; das großartige Buch von Yu Hua plane ich noch einmal zu kaufen – im chinesischen Original. Als großes Ziel habe ich mir gesetzt, es irgendwann noch einmal zu lesen. Auf Chinesisch. Dafür muss ich mindestens doppelt so viele Schriftzeichen und Vokabeln beherrschen wie jetzt.
All dies tue ich nicht aus Gewissenhaftigkeit oder weil ich ein elender Streber bin – sondern weil es mir Spaß macht. Weil das Lernen dieser Sprache und das Kennenlernen dieser Kultur momentan sowohl meine Arbeit als auch meine Freizeit ist, sowohl meine größte Aufgabe als auch mein liebstes Hobby.
Hätte ich mich mit nur halb so viel Enthusiasmus meinem Astronomie-Studium gewidmet, wäre ich wahrscheinlich ein sehr guter Astronom geworden.
Ich wüsste gerne, warum das so ist …
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14 Kommentare:
es ist was es ist...
(fatioxsa...)
es ist eben deine bestimmung, den grund warum manches so ist,weiß man oft erst viel später...
ich lese deinen blog immer mit freude. danke clemens. liebe grüße aus berlin. viv
jö, danke! *freu* :) immer schön, neue leute begrüßen zu dürfen - vor allem bis dato unbekannte!
(sympathischer nachname übrigens :D)
Mit einem *twimphir* sage ich dir was:
ERSTENS: Du wärst ein guter Astronom geworden... (summa cum laude? Hallo? Cambridge-Stipendium inklusive Doktorratstudium? HALLO?) - es hot di nur nimmer g´freit. Soll so sein und passt schon so.
ZWEITENS: Warum hab ich NIE was g´scheit beendet bzw. ausgeübt? Bis zum Tag, an dem ich mich hab einschreiben lassen in die Pädak...? Hm? Rat mal... Das Leben macht´s manchmal erst später klar. Nur dann, wenn´s soweit ist, ist dir klar, DASS es das ist. Und das ist gut so.
weise worte, freund der ringelblume, weise worte.
danke, bursche :).
*learki*
Odessin! (Ausruf des Schreckens angesichts einer Wanddekoration)
Es macht eben einen Unterschied, ob du für etwas eine glühende Leidenschaft hast, die von Dauer ist, oder nicht. Ob sie erhalten bleibt, hängt sicher auch davon ab, ob das Objekt deiner Begierde einer genaueren Überprüfung bzw. Be-leb-ung standhält.
Dass man als Astronom nicht in die Sterne schaut, muss einem ja auch mal wer sagen. Zumindest steht diese Vorstellung bestimmt nicht im Duden als Definition von "Naivität" - und vermutlich träumen immer noch haufenweise junge Leute von der Astronomie.
Soweit die logische Erklärung. Aber ich glaub ja, du warst in deinen früheren Leben häufig a Chines, nur hats dich halt jetzt zufällig nach Europa gesaugt. :D
Vorausgeschickt: ich finde die Fähigkeit, sich voll und ganz einer Sache zu widmen, absolut bewundernswert, fast schon beneidenswert! Warum du diese Fähigkeit hast, kann ich in Ermangelung eines Psychologiestudiums und einer Analyse deiner Persönlichkeit nicht beantworten. Aber warum möchtest du das überhaupt genau wissen? (spricht die Frau, die immer alles ganz genau wissen will *gg*) Hätte ich die Eigenschaft, mich einer Sache so umfassend zu verschreiben, anstatt meine Interessen auf so viele Gebiete zu zerfasern, dass immer nur oberflächliche Teileinblicke möglich sind, würde ich nicht hinterfragen, sondern genießen, mich versenken, dran erfreuen, frohlocken. Ich vermute aber auch, dass du einfach das gefunden hast, was genau deines ist.
Den Rest der Philosophiererei, die mir so durch den Kopf geht, spar ich mir - ist ja dein Blog, und nicht meins ;) Aber in sowas könnt ich mich seitenlang vertiefen...
In diesem Sinne: "gograsy" go!
Aber irgendwas hab ich dabei wohl falsch gemacht, hab dafür aber die passende Wortbestätigung bekommen: "messi" ;)
*porsness*, alter Behm, du!!! ;-) musste jetzt sein...
"pardrere" (= Altitalienische Entschuldigung), liebe Damen - Ihr habt natürlich recht. Ich bin ja auch ganz begeistert davon, wieder etwas zu haben, dem ich mich voll und ganz widme. Das bin ich ja auch von mir nicht gewohnt, denn ich nenne einfach zu viele Interessen mein eigen, so dass ich mich normalerweise immer in Oberflächlichkeit verliere :P.
Und das mit der Astronomie war wirklich nicht vorherzusehen ... ich wusste schon, dass man nicht nur in die Sternderln schaut, aber dass 97% der Arbeit vor dem Computer verbracht wird - und davon wiederum 80% mit Programme-Schreiben ... SO schlimm habe ich's mir auch wieder nicht vorgestellt.
Sei es wie es sei: Ich freue mich sehr darüber, etwas gefunden zu haben, dem ich mich mit so viel Liebe widme - und frage mich gleichzeitig wehmütig, warum ich da nicht vor 10 Jahren schon draufgekommen bin. (Erster Preis für längste Leitung des Jahres *g*)
Um es fatalistisch auszudrücken: "Das ist halt so!". Nicht mehr aber auch nicht weniger. Hier jetzt nach dem "Warum" zu fragen bringt dich auch nicht weiter. Es ist ja nicht so daß der vermeintliche Umweg für die Würscht war. Schließlich hat er dir ja die Erkenntnis gebracht daß es eben nicht der deinige ist. Der kürzeste Weg ist ja auch nicht immer die gerade Linie.
wie wahr, liebe(r) anonym, wie wahr. so läufts im gesamten leben :). und doch weiß ich nicht, was ich jetzt damit machen soll. mal sehen. vielleicht steht als nächstes ja finnisches unter-wasser-korbflechten am programm. wer weiß?
Eventuell wär vor 10 Jahren die Zeit noch nicht reif gewesen? Eventuell hättest du dich da dem Ganzen nicht so widmen können wie jetzt? Vielleicht waren grad die verschlungenen Wege, über die du ge(lust)wandelt bist, die einzige Möglichkeit, zu diesem Punkt zu gelangen? Alles, was wir erleben und tun, bringt uns Erkenntnisse, trägt zur Weiterentwicklung bei. Die Stationen deines (durchaus nicht monotonen) Lebens haben vielleicht erst die Grundlage dafür geschaffen, was du jetzt erlebst - und genießt.
Da uns die Möglichkeit verwehrt bleibt, in hypothetische Paralleluniversen zu blicken, wissen wir leider nicht, wie das Leben gekommen wäre, wären wir an der einen oder anderen Gabelung anders abgebogen. Wir können nur spekulieren. Ich glaube nicht, dass jede Entwicklung, der wir uns verschreiben/unterwerfen, das Ideal darstellt, aber der Wert von durchschrittenen Tälern stellt sich oft erst sehr viel später heraus...
Und ich hör jetzt auf in geistigen Sphären rumzuschweben, sondern geh mir mal einen Kaffee machen ;)
Hi Clemens,
Ich bin eine Freundin deiner Arbeitskollegin Kathi Mersich und auch für ein Jahr in China! Hab mit Freuden deinen Blog gelesen! Da ich im Jänner für ein paar Tage nach Shanghai komme, wollte ich dich fragen ob du mir als Insider ein paar 好玩儿的地方 empfehlen könntest! Der Lonely Planet gibt diesbezüglich nicht so viel her!
Lg, Sabine
当然会帮助你 :). Herzlich willkommen!
Am besten aber per E-Mail und nicht im Kommentar. Meine Adresse: clemens(punkt)bayer(at)gmx(punkt)net. :)
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