Auf Reisen beobachte ich bei mir zweierlei Sorten von Tagen:
An ersterer Sorte laeuft alles wie am Schnuerchen.
An zweiterer haue ich mir das Schienbein an der Zimmertuere blutig, weil ich aufgrund des mir zuvor aus dem kaputten Wasserhahn ins Auge gespritzten Wassers nichts sehe und folglich - mir das Schienbein reibend - auch meine Zimmernachbarin nicht wahrnehme und sie samt Koffern umrenne, wodurch ich - mich entschuldigend - jenes Taxi um eine Zehntelsekunde versaeume, das eigentlich mich zur ersten Sehenswuerdigkeit zu bringen vorherbestimmt gewesen waere, weshalb ich dann zu Fuss loshetze, meinen Fotoapparat verlierend, was aber nichts macht, da die Sehenswuerdigkeit zunaechst ohnehin stundenlang unauffindbar und schliesslich dann wegen Renovierung geschlossen ist, waehrend ein Baugeruest selbst eine aeussere Fotografierung verunmoeglicht (ganz abgesehen vom nicht vorhandenen Fotoapparat), zum Glueck aber ploetzlich prasselnder Platzregen mein vor Wut darueber heissgelaufenes Gemuet kuehlt, dass mich ein Taxifahrer anpflaumt, dessen Wagen ich wegen jenes Hundes fast uebersehen haette, der mir unverschaemt gegen das Bein pinkelt, meine kurze Gehpause ausnuetzend - Folge eines ploetzlichen voelligen Orientierungsverlustes, wodurch ich auch zuerst meinen Stadtplan zur Hand nehme, der so durch den Regen komplett zerstoert wird, wobei mir auch der Schirm nicht hilft, der genau in jenem Moment seine Sollbruchzeit ueberschreitet und unter meinen unglaeubigen Augen desintegriert ...
Naja, Ihr versteht so ungefaehr, oder?
Gestern duerfte ein solcher Tag gewesen sein. Vielleicht erzaehle ich hier bei Gelegenheit noch jene entzueckende Geschichte, wie ich den Tag konsequent peinlich mit der Verspeisung einer Xi'an-Spezialitaet beendete, ohne zu wissen, wie das denn eigentlich genau geht ...
Aber nicht jetzt. Denn heute war ein guter Tag, und ich muss jetzt diese Stadt fairerweise rehabilitieren.
Es war richtig kitschig. Grauslich eigentlich. Die Sonne strahlte von einem wolkenlosen Himmel, 23 Grad, kristallklare Luft, wie ich sie in China noch nie erlebt habe. Ein Taxi, das vor der Hoteltuere wartet, bringt mich zum groessten Taoistischen Tempel Xi'ans. Das heisst: Eigentlich nicht ganz hin, weil der Fahrer meint, man koennte nicht bis ganz hinfahren. (Warum das so waere, habe ich nicht verstanden.) Und als ich schon zu vermuten beginne, dass es heute in der gleichen Manier wie gestern weiterginge, bemerke ich, dass ich durch eine entzueckende Gegend voll kleiner Haeuschen und Maerkte spaziere. Ich stolpere zunaechst ueber einen kleinen buddhistischen Tempel, den ich alleine (und gratis) besichtige, finde dann - voellig unerwartet - auf Anhieb den Ba Xian An ("Acht Unsterbliche Tempel"), einen der wichtigsten taoistischen Tempel. Dieser ist - trotz einiger Touristen - so herrlich friedlich, wie ich es an taoistischen Staetten so liebe. Balsam fuer meine Seele - so dass ich mich danach sogar wieder an eine der ganz grossen Sehenswuerdigkeiten heranwage: die Da Yan Ta ("Grosse Wildganspagode"). Etwa 1.500 Jahre alt ist diese, wie ich nach wiederum erstaunlich reibungslosem Transport feststelle, zwar wieder von Menschenmassen ueberlaufen, diese verteilen sich aber auf dem riesigen Gelaende so effizient, dass eine angenehme, ungestoerte Besichtigung dieser wirklich herrlichen Anlage ohne weiteres moeglich ist.
Als mir dann auch noch genau als ich hungrig werde ein Nudelshop im Tempel begegnet, bin ich schon soweit versoehnt festzustellen, dass Xi'an tatsaechlich die wohl sauberste und ordentlichste Stadt ist, die ich bisher in China gesehen habe. Und im Sonnenlicht ist sie sogar richtig schoen.
Hochmotiviert flocke ich zum Stelenmuseum - der schwersten Bibliothek der Welt. Hier sind in einem wiederum wunderschoen angelegten Gelaende (die Gartenkunst beherrschen sie schon, die Chinesen, es ist unglaublich) mit in allen Farben bluehenden Baeumen, Straeuchern und Blumen 2.300 Steinstelen ausgestellt. Manche davon sind ueber 2.000 Jahre alt - die fruehesten "Buecher" der Menschheit. Sie waren dafuer da, um als Vorlagen zum Studieren beispielsweise konfuzianischer Originaltexte, Gesetzen, Gedichten oder auch kalligrafischer Vorlagen zu dienen, damit durch haendisches Kopieren kein Stille-Post-Effekt entstehe.
Direkt neben dem Museum (ich sag ja: es flockt!) erlaubt mir ein Aufgang auf die vollstaendig erhaltene Stadtmauer einen entspannenden Abendspaziergang - und die Entdeckung, dass es dort oben Fahrraeder zu mieten gibt, mit Hilfe derer man auf der 14 Kilometer langen Mauer die gesamte Altstadt umrunden und unterwegs alte Wehranlagen besichtigen kann. Sollte ich es morgen zu den Terracotta-Kriegern und wieder zurueck schaffen, waere das sehr reizvoll.
Als ich mich zum Abschluss noch mit einem Kalligrafie-Meister ueber dieses mein Lieblingsthema unterhalten kann, ich ihm zwei Kalligrafien abkaufe, die er mir auch noch mit meinem chinesischen Namen in Grasschrift versieht, ist der Tag eigentlich perfekt.
Komisch, dass so oft entweder alles schief geht oder alles klappt.
Haltet mir bitte die Daumen, dass morgen noch so ein Tag sein wird ... die Ton-Manderln wollte ich naemlich immer schon einmal sehen.
Sonntag, 5. April 2009
Go West - Vb: Xi'an, die Rehabilitation
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5 Kommentare:
*Daumen drück* Obwohl: Du hast nur einmal die Chance, dich in Xi'an der Ungeschicklichkeit hinzugeben, wohingegen alle anderen Menschen, die Murphys Zorn nun treffen wird, in ihrer gewohnten Umgebung redundanter Ungeschicklichkeit unterliegen. Überleg dir das noch mal... ;)
hmmm...tippseln mit gedrücktem daumen is schwierig...
(ich finde "flossel" ziemlich optimal;-))
Ich bin begabt, ich kann das, denn die Daumen verwende ich eh nicht zum Tippen, bzw. nur außerordentlich selten. Und es findet sich schon immer ein Finger, der den Daumen drückt, während die anderen tippen. Die Frage ist allerdings, wie lange ich drücken muss, damits was hilft, denn bei der Verrichtung des Tagwerks erweisen sich gebrauchsunfähige Daumen zumeist als eher hinderlich ;)
wissts was: vergessts das mit dem daumen. ich wusste ja nicht, was fuer konsequenzen das verursacht! *g*
in jedem fall kann ich beruhigen - es wird sicher auch so katastrophe genug. gute nacht allerseits!
Möge es wie am Schnürchen laufen. :) Make a choice!
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