Donnerstag, 26. Februar 2009

Die Chinesische Rolltreppen-Starre

Es ist ja so, dass es in China der Chinesen recht viele gibt.

Das wäre im Prinzip kein Problem, denn das Land ist ja auch groß, dass es nur so eine Frechheit ist. Da passt schon einiges rein. Aber es sind halt doch ganz, ganz viele Leute hier - 1,3 Milliarden. Die Folge ist eine allgegenwärtige Drängelei: Sei es auf der Straße, in der U-Bahn oder im Blumenladen: Sanft bohrt sich der Ellbogen des Hintermannes in meine Nieren, während mein Schienbein mit den Stöckelschuhen der Vorderfrau Kontakt aufnimmt. Links und rechts wird man von beeindruckend übergewichtigen Passanten längsseits komprimiert, während ein die Freuden des vertikalen Wachstums noch entdecken müssender Zeitgenosse es schafft, unter der Achsel durchzuschlüpfen. Von allen Seiten schreit es, stößt es, drängt es, schiebt es durch den Eingang eines Supermarktes, dass es nur so eine Freude ist ...

... und dann betritt man die dortige Rolltreppe.

Daselbst passiert nun etwas Hochinteressantes: plötzliches, ebenso völliges wie allgemeines Erstarren.

Man muss wissen, dass sich chinesische Rolltreppen stets mit der Geschwindigkeit einer mittelgroßen Sanddüne bewegen. Doch das ficht die hiesige Bevölkerung nicht an: Bewegt sich unter den eigenen Füßen etwas anderes als ein eventuell niedergerannter und noch nicht vollkommen in den Fußboden eingetretener Mitbürger, kompensiert man das hierzulande - ganz im Sinne der ewigen Balance von Yin und Yang - mit absolutem Stillstand.

So stehe ich dann im Walmart auf einer Rolltreppe von der Länge der Westautobahn - vor mir erstarrte Chinesen, hinter mir erstarrte Chinesen - und habe reichlich Zeit für Kontemplation. Oder Erleuchtung. Oder den einen oder anderen Evolutionssprung. Dabei ist ganz egal, wie eilig man es haben mag. Sei es auch nur ein Kaugummi, den man geschwinde sich zu kaufen gedachte: Kommt eine Rolltreppe zwischen mich und diesen Wunsch, ist mein Abendprogramm damit fixiert.

Getrieben von europäischer Unruhe, betrat ich also gestern in einem Supermarkt meines Vertrauens - anstatt mich brav hinter der chinesischen Rolltreppen-Gruppensalzsäule einzureihen - forsch die menschenleere (weil wegen Betriebsstörung bewegungslose und somit für Beförderungszwecke ohnehin unattraktive) Parallel-Rolltreppe, und legte unter Aufwendung eigener Muskelkraft gehend die etwa zehn Höhenmeter zum zweiten Stockwerk zügig zurück.

Neben dem körperlichen Erstarren nun zusätzlich erstauntes ebensolches auf den Gesichtern der Nutzer der beweglichen Rolltreppe.

Erstaunen auch auf den Gesichtern jener potenziellen Fahrgäste, die die bewegliche Rolltreppe noch nicht betreten hatten.

Da plötzlich das sichtbare Aufblitzen einer Idee auf den Gesichtern Letzterer.

Darauffolgende, spontane Planänderung und Annäherung an die bewegungslose, menschenleere Rolltreppe durch eine mutige, chinesische Familie, bestehend aus Vater, Mutter und kleinem Töchterlein.

Betreten der Rolltreppe durch ebendiese Pioniere der Bewegung!

Und dann dortiges Stehenbleiben und Abwarten.

Ich bin dann im 2. Stock zur Abteilung für Getränke gegangen und kaufte mir einen Eistee, denn ich wollte noch nach Hause und ein bisschen Lesen. Aber heute werde ich wieder zu diesem Supermarkt gehen. Nachschauen, ob die Familie immer noch auf der Rolltreppe steht und wartet.

China ist lustig :).

6 Kommentare:

rudolfottokar hat gesagt…

hihi....

Anonym hat gesagt…

Pfrnnchnnnchnchnnaaaahahaaaahihi! :))
"ein eventuell niedergerannter und noch nicht vollkommen in den Fußboden eingetretener Mitbürger"
Made my day!

Vorsicht, sonst löst du noch einen evolutionären Schub aus da drüben! Am Ende sind sie alle nicht mehr drängelwillig, wandern aus den Städten aus und hinterlassen sie gähnend leer, verlangen ein Wahlrecht, mehr Nebel, Recht auf Kamillentee und Gummiringerln, höhere Chancen auf vertikales Wachstum, und wollen alle Bayer heißen!

Anonym hat gesagt…

Ganz großes Kino!

_mathilda_ hat gesagt…

Hätte ich keine Ohren, müsste ich jetzt im Kreis grinsen. Ich stell mir dich grad vor wie eine Mischung aus Gulliver im Land der Zwerge (ich hoff, ich krieg das mit den Märchen auf die Reihe) und Entwicklungshelfer.

Wennst schon die Westautobahn ins Spiel bringst, dann wär ich dafür, das Rolltreppenprinzip in Kombination mit Fortbewegung auch auf diese anzuwenden. Dann wär man von Wien viel schnellerer raus aus Österreich. Allerdings warte ich dann nur noch auf die Spritsparer = Autobahnparker, die sich chinesisch verhalten ;)

ClemmieInChina hat gesagt…

*g* tosherl ist wieder mal gut für's ego - und gleichzeit lustig :DD. dagegen, dass alles chinesen bayer heißen, verwehre ich mich allerdings! wo kommen wir denn da hin?

danke, christian. mehr stummfilm, hm? :)

@mathilda: keine schlechte idee. als kind habe ich mich eh immer gefragt, warum es in wien nicht statt gehsteigen rollbänder gibt. hab sogar ein system ausgeknobelt, wie man mehrere rollbänder nebeneinander mit verschiedenen geschwindigkeiten installieren könnte, so dass man - von einem zum anderen steigend - immer mehr beschleunigt, falls man größere entfernungen zurückzulegen hätte, und somit stau-, stress- und anstrengungsfrei durch die stadt käme. abgesehen von den kosten bin ich davon noch immer überzeugt. und da könnt ma dann ein paar chinesen drauf fixieren, die zeigen, wie's gemacht wird :D.

_mathilda_ hat gesagt…

Wären festgetackerte Chinesen nicht gegen irgendeine Menschenrechtskonvention? Was wäre am Ende des Bandes? Oder wäre das Band eine Art Paternoster (der angetackerte Chinese fährt auf der Unterseite wieder zu der Stelle, an der das Band die Oberfläche wieder durchstößt)? Oder aber wäre es mehr eine Art Möbisusschleife? Wie würden wir dann verhindern, dass die empfindlichen ääähm geeichten fernöstlichen Mägen den Versuchungen der retrograden Peristaltik widerstehen? Zu gut Deutsch: die müssten sich doch anspeibm!

Und eine persönliche Frage: Wie alt warst du bei der Ausknobelung des Bandsystems? Klingt nämlich bisserl wie eine Art von SciFi, die mein kindliches Hirn auch produzieren hätt können. Aufgrund des ruralen Umfelds war mir aber wohl immer schon das Auto näher als Fahrbänder.

Und mir fällt grad ein, dass man das zu Fitnesszwecken auch nutzen könnte. Es gibt ein Band, das bewegt sich entgegen der Richtung, in die man will, und wenn man es benutzen will, muss man Geld dafür zahlen. Zudem muss man mehr arbeiten, um sein Ziel zu erreichen. Also alles in allem verbrennt man Kalorien, gibt Geld aus und kurbelt die Wirtschaft an. Denn es ist ja heutzutag nur mehr eine Sache was wert, die auch Geld kostet!