Ein Traum wird Leben
Ich lebe jetzt meinen Traum: Ich habe als 32-Jähriger alles hinter mir gelassen, um ein Jahr in China zu leben und zu studieren. Für eine im Grunde seines Herzens feige Person ist das eine sehr große Sache.
Seit ich sechs Jahre alt war (also so um das Jahr 1823), habe ich mich für China interessiert. Ok, damals waren es zunächst die Frühlingsrollen, aber bald schon ist auch noch der Rest hinzugekommen: Acht Schätze, Buddhistische Fastenspeise und die lustigen Lollys, die man als Kind nach dem Essen bekommt. Kurz: Sämtliche Eckpfeiler der chinesischen Kultur haben mich schon früh fasziniert. Später vervollständigten dann noch ein fanatisches Interesse für chinesische Schriftzeichen, die lokalen Dialekte, die Kunst und die Kultur diese solide Grundlage.
First Contact
Meinen ersten direkten Kontakt mit der chinesischen Kultur hatte ich auf einer Dienstreise, die ich als Astronom absolvierte. Es war eine Konferenz in Taiwan, bei der ich eine wissenschaftliche Arbeit präsentierte, die sich um das in hohem Maße fassbare Thema "Multiwavelength Peculiarities Associated with Blue-Excess Regions of Active Galactic Nuclei in Cooling Flow Clusters" drehte, und in der ich im wesentlichen bewies, dass man hier nichts beweisen konnte, weil man eigentlich gar nicht weiß, was eigentlich zu beweisen wäre, außer, dass man diese Regionen nicht versteht. Sagen wir mal so: Auch wenn ich selbst nur phasenweise verstand, was ich da erzählte, habe ich es geschafft, alles so unklar zu präsentieren, dass es niemand bemerkte. Und das war schon ein kleiner persönlicher Erfolg.
Der China-Virus
Viel wesentlicher für mich war, dass ich, als ich zum ersten Mal Fuß auf chinesischen Boden setzte, sofort infiziert war. Ich fühlte mich so unglaublich glücklich und auf eine seltsame Weise daheim, dass ich es mir nicht erklären konnte. Wollte ich auch gar nicht. Ich wusste nur eines: Ich will wiederkommen. Das geschah im Jahr 2001, und seitdem habe ich China noch drei Mal besucht, bevor ich es nach großem organisatorischem Aufwand geschafft habe, mir und meinem kulanten Arbeitgeber ein Jahr Auszeit abzuringen, um an der Fudan Universität in Shanghai Chinesisch zu studieren.
Ich habe diese Sprache seit zwei Jahren im Eigenstudium gelernt und es dabei auf 750 Zeichen, einige radebrechende Sätze und verständnisloses Nicken bei der Konfrontation mit gesprochenem Hochchinesisch gebracht. Auf diese solide Basis möchte ich jetzt meinen hiesigen Chinesisch-Kurs aufsetzen. Seit gestern lebe ich auf meinen eigenen 8 Quadratmetern in einem Shanghaier Studentenheim, seit fünf Tagen bin ich in diesem Land und habe kaum anderes getan als Formulare ausgefüllt, ebenso verständnislos wie dämlich gegrinst und sehr viele Nudeln gegessen. Ach ja, und einige nette Leute habe ich auch schon kennengelernt.
Aller Anfang kommt mir Chinesisch vor
Es heißt ja, unter den Blinden sei der Einäugige König. Folgerichtig sollte ich mich als Motivationsschub mit Menschen umgeben, die schlechter Chinesisch können als ich. Es scheint aber, als müsste ich - um bei der schiefen Metapher zu bleiben - mich mit multipel Behinderten befassen, da mein eigenes Chinesisch-Niveau in etwa einem Taubblinden entspricht. So. Man muss wissen, wenn eine Metapher so stark hinkt, dass man sie verlassen sollte, daher tue ich das jetzt. Tatsache ist, ich habe erst eine Person getroffen, deren Chinesisch noch schlechter ist als das meine. Aber beim Einstufungstest übermorgen wird sich das hoffentlich ändern.
Ich lebe in China. Ich habe ein eigenes chinesisches Fahrrad, ein eigenes chinesisches Handy und einen eigenen chinesischen Mistkübel. Es braucht so wenig, um glücklich zu sein :).
6 Kommentare:
i like......
Sensationell! :) Grandios! Unschlagbar! Ich hör dich beinah reden - und hab sehr gelacht. Freu mich auf mehr!
ich kann der frau etosha nur zustimmen und eine petition für audio-blogs eröffnen. bitte kannst du uns vorlesen, was du da schreibst?
jedenfalls (stinkt der fisch beim hals) bist du schon in den favoriten drin und ich will noch ganz viel viel mehr lesen von dir, verstanden?
Hallo in Shanghai!
Bin auf Umwegen (also Google) zu Deinem Blog gelangt. Der Chinesisch-Virus hat mich auch gepackt, allerdings in der Taiwan-Variante. Jetzt treibe ich mich öfter mal in Taipei rum.
Du schreibst sehr fleißig, ich hoffe, Du hältst dieses Tempo ein Jahr lang durch. Werde auf jeden Fall öfter mal vorbeischauen.
Übrigens, wenn Dein erster Kontakt mit der chinesischen Kultur in Taiwan stattfand, warum bist Du dann nach China gegangen? Waren es die Langzeichen, die Dich verschreckt haben? Hier kann man als Ausländer nämlich auch hervorragend Sprachkurse besuchen.
Viele Grüße aus der Republik China in die Volksrepublik, weiter viel Spaß und Erfolg!
Klaus
hey klaus! immer wieder schön, zufallsposter zu begrüßen!
naja, taiwan IST ja china ;)). aber im ernst: mein erster kontakt mit china fand im alter von vier jahren statt und seitdem habe ich sehr viel darüber gelesen und mich damit beschäftigt. es war nur meine erste asien-reise, die mich nach taiwan geführt hat, und das deshalb, weil es beruflich war. ich fand's ganz toll, aber ich interessiere mich nach wie vor noch stärker fürs mainland. keine ahnung, warum, aber hier bin ich nun mal :). dein blog kann ich leider nicht öffnen - werd's aber ein anderes mal versuchen. mal schauen, was die konkurrenz so treibt ;).
Äh, Du kannst mein Blog nicht öffnen... ich werde doch nicht etwa ein Opfer der chinesischen Internet-ZENSUR sein? So was soll ja vorkommen in Staaten, die es mit der Meinungsfreiheit nicht so genau nehmen...
Ich habe nämlich auch ein paar Texte zu Themen wie "Unterschiede Taiwan/China" etc. geschrieben.
Also probiere es bitte weiter und informiere mich!
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